Erst kürzlich wetterten in einer österreichischen Tageszeitung vier CEOs großer Unternehmen gegen Vorgaben aus Brüssel: „Bürokratie! Überregulierung! Wettbewerbsfähigkeit!“ Sie könnten folgendes gemeint haben:
EU: viele Verbesserungen für Konsument:innen
Auf die EU wird viel geschimpft. Dabei hat sie für Konsument:innen viele Vorteile und Verbesserungen erreicht. Ein Überblick.
Kinderarbeit, Umweltschäden
Lieferkette. Stecken in unseren Produkten Kinderarbeit, schlechte Arbeitsbedingungen sowie Umweltschäden? Das europäische Lieferkettensorgfaltsgesetz soll voraussichtlich ab 2025 Ausbeutung in Zulieferbetrieben und Umweltzerstörung erschweren und Unternehmen – besonders die großen – für die Risiken haftbar machen. Damit, so das Ziel, wird es einfacher, nachhaltig zu konsumieren. Die Wirtschaft will das Lieferkettensorgfaltsgesetz („ein EU-Bürokratiemonster!“) nachträglich zu Fall bringen.
Günstigeres Roaming
Zusatzgebühren. Telefonieren und Internet sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken – auch im Urlaub, auch im EU-Ausland. Die EU hat dafür gesorgt, dass die hohen Zusatzgebühren wegfallen.
Zahlen mit Karte
Gebühren, die die Zahlungsdienstleister untereinander verrechnen („Interbankenfees“) für Zahlungen mit Kredit- oder Bankkarten sind zum Teil gedeckelt. Das macht das Bezahlen günstiger - zu Hause und im Urlaub.
Kosten für die Überweisung
Ausland. Eine Überweisung in ein anderes Land der Eurozone oder die Bargeldbehebung an einem ausländischen Geldautomaten darf dank EU nicht mehr kosten als zu Hause.
Kreditkosten vergleichen
Verbraucherkreditrichtlinie. Sie stellt sicher, dass Banken die echten Gesamtkosten eines Kredits klar und verständlich darstellen. - Es steigen aber auch die Anforderungen an Konsument:innen, wenn sie einen Kredit wollen. Das schützt sie ab 2025 besser vor Überschuldung.
Unzulässige Klauseln
Kleingedrucktes. Das Unlesbare enthält unzulässige Zusatzgebühren, Preiserhöhungen oder Wertsicherungsklauseln? Die EU hat dafür gesorgt, dass derartige unzulässige Klauseln ersatzlos entfallen. Verbraucher:innen können solche Zahlungen zur Gänze und ohne Verjährungsrisiko zurückverlangen.
Sicherheit bei Spielzeug, Kosmetik, Elektronik
RAPEX. Produkte sind dank zahlreicher EU-Vorschriften sicherer geworden - besonders Spielzeug, Kosmetika und elektronische Geräte. Die EU hat auch ein Sicherheitsnetz für Verbraucherprodukte eingeführt und die Haftung bei Schäden festgelegt. Das Schnellwarnsystem RAPEX erfasst gefährliche Produkte und ermöglicht den Austausch zwischen Behörden. Onlinemarktplätze müssen in Zukunft mithelfen, gefährliche Produkte aus dem Verkehr zu ziehen.
Schutz vor gefährlichen Chemikalien
Vorreiter. Europa ist weltweit Pionier beim Schutz vor gefährlichen Chemikalien. Die REACH-Verordnung regelt ihre Registrierung und enthält Verbote und Beschränkungen, die CLP-Verordnung ihre Kennzeichnung. In vielen weiteren Gesetzen gibt es Verbote und Beschränkungen, z.B. in der Kosmetik-Verordnung. Ein guter Schritt in die richtige Richtung. Der Schutz von Verbraucher:innen vor gefährlichen Chemikalien dauert trotzdem oft viel zu lange und ist noch unzureichend.
Weniger Antibiotika
Tiere. Mindestens 25.000 Europäer:innen sterben jedes Jahr an Infektionen, die durch widerstandsfähige Keime hervorgerufen werden. Ein Grund ist die übermäßige Gabe von Antibiotika an Nutztiere. EU-Vorschriften verbieten diesen Routine-Einsatz von Antibiotika an gesunde Tiere und sie schränken die Verwendung jener Antibiotika, die für die Behandlung des Menschen unerlässlich sind, bei Tieren ein.
Regeln für digitale Plattformen
Youtube, Amazon, Google, Facebook, … Mit dem Digitale-Dienste-Gesetz (DSA, Digital Service Act) können Behörden gegen große Digitalplattformen vorgehen. Der DSA verpflichtet sie zu mehr Transparenz und Verbraucherschutz und legt hohe Strafen fest. Plattformen müssen stärker kooperieren und informieren, etwa um die Identität von Verkäufern zu ermitteln und deren Produkte bei Verstößen zu sperren oder zu entfernen.
Rücktritt vom Onlinekauf
Widerruf. Passt die online bestellte Hose nicht oder entspricht die Küchenmaschine nicht den Erwartungen? Verbraucher:innen können ihren Onlinekauf innerhalb von 14 Tagen widerrufen und die Ware zurückschicken. Ab 2026 wird dies bequemer über die Widerrufsfunktion in der Bedienoberfläche der Anbieterwebseiten gehen und gilt auch für Energie- oder Dienstleistungsverträge.
Mehr dazu: konsument.at/faq-ruecktritt
Vorreiter beim Datenschutz
DSGVO. Die EU-Datenschutzgrundverordnung schützt unsere persönlichen Daten in der digitalen Welt und ist damit weltweit Vorreiter. Konsument:innen haben das Recht auf
- Auskunft
- Berichtigung
- Löschung
- Datenübertragbarkeit
- Widerspruch (besonders für Marketingzwecke).
Schwachstellen sind die praktische Umsetzung und Umgehung durch Unternehmen.
Reise: Flug- und Fahrgastrechte
Geld zurück. Wer mit Flugzeug, Fernbus, Bahn oder Schiff unterwegs ist, für den gelten die EU-Flug- und Fahrgastrechte. Sie bestimmen pauschale Entschädigungen oder Rückerstattungen für verpasste Anschlüsse, Verspätungen oder Stornierungen.
Kennzeichnung von Lebensmitteln
Wie viel Zucker, Salz oder Kalorien enthält ein Müsliriegel, Ketchup oder Sportgetränk? In der EU verkaufte Lebensmittel und Getränke müssen ausführliche Angaben zum Nährwert haben. Die Allergen-Kennzeichnung macht es für Allergiker:innen einfacher und sicherer, Lebensmittel zu kaufen oder in einem Restaurant zu essen.
Gleichberechtigt durch das Internet
Netzneutralität. EU-Regeln stellen sicher, dass alle Daten gleichberechtigt durch das Internet transportiert werden – egal wer Absender oder Empfänger ist. Der Fachbegriff dafür ist "Netzneutralität". Sie verhindert, dass Telekom-Unternehmen die Geschwindigkeit für bestimmte Dienste (zum Beispiel soziale Netzwerke oder Videoplattformen) erhöhen oder drosseln – je nachdem wie viel Verbraucher:innen bereit sind, über den Internetanschluss hinaus zusätzlich zu bezahlen.
Endlich eine richtige Sammelklage
Viele Betroffene. Der VW-Dieselskandal war ein wichtiger Anstoß. Mit der Verbandsklagenrichtlinie mussten die EU-Mitgliedstaaten eine echte Sammelklage einführen. Drückte früher ein Unternehmen eine illegale Preiserhöhung durch oder schädigte es die Gesundheit von vielen Kund:innen (PIP, Brustimplantate), war es enorm schwierig, etwas dagegen zu tun. Mit der neuen Sammelklage können sich nun Verbraucher:innen mit unserer Hilfe besser gemeinsam gegen Unternehmen wehren, die gegen das Recht verstoßen.
Die neue Sammelklage ist nicht perfekt. Sie erleichtert aber Gruppen-Klagen u.a. auf
- Schadenersatz
- Reparatur
- Preisminderung
- Vertragsauflösung oder - ganz wichtig! -
- Rückzahlung.
Außerdem können wir mehr Rechtsbrüche angreifen, etwa Telekommunikation, Produktsicherheit oder Datenschutz.
Bankkonto: eines für alle
Basiskonto. Mit dem Recht auf ein Girokonto für alle (sogenanntes Basiskonto) hat die EU dafür gesorgt, dass auch Verbraucher:innen, die in Schwierigkeiten sind, am modernen Leben teilhaben können.
Erneuerbare Energie
Eigener Strom. Dank der EU-Vorschriften zum Energiemarkt haben Verbraucher:innen das Recht, ihre eigene Energie zu produzieren, zu verbrauchen, zu speichern und zu verkaufen. Das soll ihre Stromrechnung senken.
Recht auf Reparatur: mehr Nachhaltigkeit
USB-C. Mit dem Recht auf Reparatur (Ersatzteile, Anleitungen, Reparatur auch durch nicht-autorisierte Werkstätten, …) stärkt die EU Rechte der Verbraucher:innen. Das einheitliche USB-C-Ladekabel für Handys, Laptops und Digitalkameras sowie Vorgaben für nachhaltige und austauschbare Akkus schonen Ressourcen (Ende der Wegwerfgesellschaft) und sind ein Schritt zu mehr Innovation.
Umweltschutz im Mittelpunkt
Greenwashing. Von neun Belastungsgrenzen des Planeten sind sechs überschritten. Nun basieren über drei Viertel aller nationalen Umweltschutzgesetze auf EU-Regeln (bei der Chemie sind es über 90 Prozent). Die Ziele sind sauberes Trink- und Badewasser, sauberere Luft. Außerdem Förderung der Kreislaufwirtschaft, weniger Abfall und mehr Recycling sowie energieeffizientere Gebäude und Produkte, Vorschriften zur Reparierbarkeit und gegen Obsoleszenz, Maßnahmen gegen Greenwashing.
Infrastruktur für Strom, Wasserstoff und Flüssigerdgas
Ladesäule: Die EU-Verordnung über die alternative Kraftstoffinfrastruktur hat das Ziel, eine einheitliche Infrastruktur für Strom, Wasserstoff und Flüssigerdgas (LNG) aufzubauen. So muss für alle, die mit dem Elektroauto unterwegs sind, überall in Europa auf Hauptverkehrswegen bis 2026 mindestens alle 60 Kilometer eine Schnellladesäule stehen. Die Verordnung bestimmt auch, dass Ladepreise in Kilowattstunden anzugeben sind und Kund:innen mit Debit- und Kreditkarte zahlen können.
Sparsame Haushaltsgeräte
Ökodesign: Dank der EU-Ökodesign-Regeln sind zahlreiche Geräte (z.B. Waschmaschinen, elektrische Heizgeräte, Kühlschränke) energieeffizienter geworden. Diese Einsparungen an Strom und CO2 sind sehr hoch. In der neuen Ökodesign-Verordnung geht es aber um viel mehr; es sollen alle Produkte Zug um Zug bearbeitet werden.
Ab 2026 soll ein Vernichtungsverbot von neuen Textilien und Schuhen (Retouren im Online-Handel) kommen.
Ökologisch produzierte Lebensmittel
Bio: Umweltfreundliche und ökologisch produzierte Lebensmittel und Produkte sind für Verbraucher:innen einfacher zu erkennen. Alle vorverpackten Bio-Lebensmittel aus einem EU-Mitgliedstaat tragen seit 2012 das EU-Bio-Siegel. Das EU-weite Umweltzeichen EU-Ecolabel gewährleistet, dass Verbraucher:innen leicht erkennen können, welche Produkte und Dienstleistungen umweltfreundlicher sind als andere. Die Zertifizierungsverfahren sind anspruchsvoll und teuer und nicht in allen Kategorien gelten strenge Anforderungen.
Austausch, Reparatur, Geld zurück
Gewährleistung: Egal ob online oder im stationären Handel gekauft, gilt innerhalb der EU Gewährleistung: Wenn das neue Fahrrad bald kaputt geht, können Verbraucher:innen bei Mängeln (die innerhalb von zwei Jahren auftauchen) verlangen, dass es gegen ein neues ausgetauscht oder der Fehler repariert wird. Die Frist, in der das einfach geht, hat die EU von sechs auf 12 Monate ausgedehnt. Sind Austausch oder Reparatur nicht möglich, kann man eine Rückzahlung des Kaufpreises fordern. Mehr dazu: konsument.at/gewaehrleistung
Wettbewerb bei Strom, Gas oder Telekom
Mehr Auswahl: Der Binnenmarkt sorgt für mehr Wettbewerb - etwa bei Strom, Gas oder Telekommunikation. Konsument:innen sollten dadurch - theoretisch - mehr Auswahl haben und von niedrigeren Preisen profitieren. - In der österreichischen Praxis sind die Vorteile nicht so deutlich.
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