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Schattenarbeit: Kunde, do it yourself - Alle arbeiten mit

, aktualisiert am

Wir schrauben selbst Möbel zusammen, zahlen per Onlinebanking und drucken Gebrauchsanleitungen selbst aus. Arbeiten, die früher Unternehmen erbrachten, erledigt nun der Kunde. Unbezahlt.

Am Anfang war‘s noch cool. Möbel selbst heimtransportieren und mit Freunden zusammenbauen – das festigt Freundschaften und vertieft die Markentreue. Seit aber die ÖBB Fahrkartenautomaten einsetzen, helfen freundliche Bahnreisende geduldig Mitreisenden, die sich nicht auskennen; führen sie am Automaten durch das Menü, helfen beim Zahlen und ersetzen so ganz nebenbei den Mitarbeiter am ÖBB-Schalter. Ähnlich das Bild bei den Banken: Filialen zu, Mitarbeiter raus und Automaten rein. Wer als Kunde den Weg zum Automaten scheut, macht zu Hause Onlinebanking. - Lesen Sie auch
Selbstbedienungskassen im Supermarkt - Kunden äußern Pro und Kontra
Schattenarbeit: Do it ... - ... gefälligst yourself

Arbeiten, die früher das Unternehmen geleistet hat, erledigt nun der Kunde - gratis. Hier ein Beispiel von IKEA  (Bild: M.Tacha/VKI)

Arbeiten für Bank und Fast-Food-Kette

Noch gibt es keinen anerkannten Begriff für diesen Trend. Crowdsourcing, Crowdfunding sind freiwillig und treffen es nicht; Crowdworking passt schon eher, ist aber ungebräuchlich. Dieses neue Do-it-yourself sickert wie eine große, stille Flut in viele Lebensbereiche der Kunden. Egal ob Banken, Fast-Food-Ketten, Institutionen des Gesundheitswesens, Transport- und Reiseunternehmen – allerorten darf, soll, ja muss sich der Kunde an Automaten, Hotlines oder mit Video-Tutorials abmühen, sich durch FAQ ackern und in Foren informieren. Nicht zu vergessen die Selbsthilfegruppen im Gesundheitssystem. Er lernt: Mach es selbst, es hilft dir keiner. Oder er muss für Leistungen bezahlen, die früher inkludiert waren.

Schattenarbeit und Zeitfresser

Der amerikanische Autor Craig Lambert hat ein Buch verfasst mit dem Titel "“. Darin beschreibt er, wie in den USA zunehmend diverse Zusatzjobs dem Kunden die Freizeit verkürzen. Der Titel der deutschen Übersetzung ist noch schärfer formuliert: "Zeitfresser: Wie uns die Industrie zu ihren Sklaven macht." Es geht aber nicht allein um die Industrie; der Trend betrifft viele Wirtschaftsbereiche, Firmen und Organisationen.

Selbst-Check-In und Kassomat

Praktikanten und Kunden arbeiten

Sie alle müssen mehr Geld erwirtschaften bzw. effizienter arbeiten. Aber wie? Viele verlagern Arbeit an billigere Dienstleister, viele kündigen Mitarbeiter und verteilen deren Arbeit auf den Rest der Belegschaft, immer mehr ersetzen qualifiziertes Personal durch Praktikanten und Automaten. Und dann sind da auch noch jene, die Arbeit, Risiko und Kosten auf den Kunden überwälzen. Arbeit auf den Kunden zu übertragen ist weder neu noch zwingend schlecht. Einiges davon hat uns durchaus Vorteile und Freiheiten beschert – etwa Onlineshops und Supermärkte.

Kunde kassiert selbst

Supermärkte bieten neuerdings Check-out-Terminals, also Kassen ohne Personal: Am Ende des Einkaufs registriert der Kunde die Produkte und kassiert – bei sich selbst. Dann stellt er noch brav das Einkaufswagerl zurück. Vor Flügen erledigt er das Check-in selbst, und wenn er in einem ganz modernen Hotel ankommt, checkt er auch dort selbst ein. Er plant und organisiert seine Reisen zunehmend selbst online. Bei McDonald‘s oder Satire: Besuch bei Vapiano wartet man als Kunde oder Kundin in der Schlange, trägt Speisen und Getränke zum Tisch und und bringt sein Tablett danach zur Sammelstation.

Selbst online informieren

Vor einem Einkauf oder jedweder sonstigen Entscheidung informiert der moderne Kunde sich vorab online, weil Unternehmen im Geschäft immer weniger Personal bereitstellen – und schon gar keines, das qualifiziert und anständig bezahlt ist.

Ihre Erfahrungen: Berichten Sie uns!

  • Berichten Sie uns über Ihre Erfahrungen und Beobachtungen (leserbriefe@konsument.at).
  • Was meinen Sie zu diesen Entwicklungen?
  • Wir sammeln dazu auch Zahlen, Daten, Fakten, Fotos; suchen Bücher, Studien, Websites und kompetente Gesprächspartner. Wenn Sie beruflich mit diesem Thema zu tun haben: Hinweise und Kontakte für weitere Recherchen sind uns willkommen.

Leserreaktionen

Schlechte Erfahrungen

Die Ablage ist für einen wirklichen Großeinkauf bei diversen Selbstbedienungskassen viel zu klein! Es gibt zwar Selbstbedienungskassen mit großzügigen Ablagen, jedoch sind diese meiner Erfahrung nach eher selten. Man muss scannen und ein/ausräumen, alles gleichzeitig. Irgendwann kommt man durcheinander. Zum Schluss muss man auch noch zahlen, wobei die Kassen bei Bargeldzahlung meist nur in Münzen zurückgeben, auch große Beträge. Alternativ könnte man auch mit Karte zahlen.

Ihrem Beitrag habe ich entnommen, dass es in Zukunft (von den Betreibern der Geschäfte gewollt) nur mehr Selbstbedienungsautomaten geben sollte. Da stellt sich mir die große Frage: Bekommt man überhaupt eine Einschulung? Was machen ältere Leute oder Personen mit einer Sehschwäche, bzw. wie gehen diese mit diesen Automaten um? Bei jedem Produkt muss man einzeln den Strichcode finden. Und das dauert (nach Agilität der Person), daher müssten z.B. Personen angestellt werden, die helfen. Und heutzutage macht das eben noch die Kassiererin.

Wer kann alle Kassen auf einmal überwachen und kontrollieren, dass nichts „schwarz“ mitgeht? Da die Betreiber sparen wollen, müssen sie wohl oder übel jemanden dafür einstellen, der vor Ort die Kassen bewacht. Kann der „Bewacher“ aber alle Kassen bei Hochbetreib gleichzeitig überwachen? Sicher nicht, und manche Menschen werden wohl ein paar Produkte unbezahlt mitnehmen. Schon schrumpft der Gewinn der Geschäfte, in weiterer Folge wird alles teurer, da das Minus abgefangen werden muss. Nicht gerade positiv für den Endverbraucher. Da werden wohl mehr Bewacher eingestellt ...

Ich vermute, dass eine Kassierin/ein Kassier langfristig dennoch „günstiger“ kommt und somit auch kein Arbeitsplatz verloren geht.

Sán Mitooler
E-Mail
(aus KONSUMENT 7/2016)

Heilloses Durcheinander

Zur Meinung Ihres Lesers ein aktueller Bericht, wie toll und zeitsparend Selbstbedienungskassen wirklich sind: Ebenso vor kurzem in London, machte ich, im Gegensatz zur Meinung des Lesers andere, wenig überzeugende Erfahrungen mit Selbstbedienungskassen in einem Lebensmittelladen der Kette „The co-operative food“, die in einem Londoner Laden vier Selbstbedienungslinien und zwei personalbetreute Kassen in Betrieb hat. An den vier Selbstbedienungskassen quälten sich drei andere Kunden und ich mit dem umständlichen Bedienvorgang herum.

Gut, jetzt könnte man sagen, ich bin ein Greenhorn und mit der Bedienung heillos überfordert, nur waren die anderen Verzweifelten heimische Konsumenten. Ein Mitarbeiter des Ladens wieselte dienstbeflissen zwischen den einzelnen Selbstbedienungskassen hin und her und versuchte dem heillosen Durcheinander eine gewisse funktionierende Struktur einzuhauchen. Das kostete natürlich Zeit und die Warteschlange wurde nicht kürzer. Neidvoll blickte ich auf die mit Personal bedienten Kassen. Mit Zähneknirschen beobachtete ich dort den flotten Überhol-Durchmarsch der Kunden. Gerne hätte ich auch dorthin gewechselt, aber Kolonnenhopping wollte ich in Britannien, wo sowas als uncool gilt, nicht riskieren.

Wo hier die Ersparnis ist, bleibt mir nach diesem Erlebnis ein Rätsel.

Ing. Arpad Harasztosi
Klosterneuburg
(aus KONSUMENT 5/2016)

Lesen Sie mehr dazu unter Schattenarbeit: Leser berichten 5/2016.

Die Redaktion

Was ist mit den Arbeitsplätzen?

In der Ausgabe 4/2016 schreibt ein Leser, dass er sich mehr Kassen ohne Personal wünscht. Leider denken viele Menschen nur an den eigenen Vorteil. Sie vergessen, dass mit jeder Selbstbedienungskasse ein Arbeitsplatz verloren geht.

Es gibt schon zu viele Automaten die Arbeitskräfte einsparen. In einigen Jahrzehnten wird es mehr Arbeitslose geben als Menschen mit Beschäftigung. Die Autoindustrie möchte selbstfahrende Fahrzeuge, man braucht keine Taxilenker mehr. Die Autos werden jetzt schon zu 80 Prozent von Automaten gebaut. In den Banken stehen jetzt schon viele Automaten. Bald wird es keine Bankangestellten mehr geben, keine Filialen mehr. In vielen Bereichen werden immer mehr Automaten eingesetzt, und immer mehr Personal wird entlassen. Das ist keine gute Aussicht für die Zukunft.

J. Smalek
E-Mail
(aus KONSUMENT 5/2016)

A1-Rechnung

Bei A 1 schenken sie mir 500 Mobilpoints, damit ich mir meine Rechnungen selbst ausdrucke und sie sparen sich 12 Postsendungen im Jahr. Super Vergleich!

User "156469"
(aus KONSUMENT 4/2016)

Kassen ohne Personal – bitte mehr davon

Das System von Kassen ohne Personal kenne ich aus England. In Österreich habe ich es erst in einem Spar in Klagenfurt entdeckt, aber ich bin sehr begeistert davon. Als Expresskassa konzipiert, geht es tatsächlich sehr schnell und unkompliziert. Der geringere Platzbedarf gestattet auch das Aufstellen von mehreren Terminals im Kassenbereich, was ein langes Anstellen meist verhindert.

Als Kunde empfinde ich es nicht als Zumutung, den Kassiervorgang selbst zu übernehmen (schließlich suche ich mir die Waren ja auch selbst im Geschäft aus und transportiere diese auch selbst durch den Supermarkt). Das Kassieren stellt sicher keinen wertschöpfenden Bestandteil eines Einkaufs dar. Wenn dadurch Personal eingespart werden kann, so kommt das letztendlich allen Käufern zugute.

MMag. Robert Werktanzl
Deutsch Wagram
(aus KONSUMENT 4/2016)

„Vogel friss, oder stirb“

Diesem Artikel kann ich nur voll und ganz zustimmen. Was mich schon lange ärgert: Es gibt beim Kauf elektronischer Artikel kein Handbuch mehr dazu. Ich habe im August 2015 zu meinem Geburtstag einen Tolino eReader Vision2 bekommen. Das Handbuch ist auf dem Gerät installiert, was für den Gebrauch sehr mühsam ist. Wenn ich mich bei einem Gerät nicht auskenne bzw. es kennenlernen will, möchte ich ein Handbuch zur Seite haben und die einzelnen Schritte daraus ablesen können. Was nützt mir ein Handbuch im Gerät, wenn ich dann nicht weiß, wie ich zu den einzelnen Seiten komme, vielmehr wie ich wieder zu der Seite zurückkomme, bei der ich gerade war. Das Handbuch umfasst 48 Seiten, beim besten Willen kann ich mir die alle nicht gleich auswendig merken. Ist es denn zu viel verlangt, ein Handbuch mitzuliefern?

Noch ein Fall: Ich habe schon viele Jahre das Onlinebanking, was ja wirklich sehr praktisch ist. Nur der Kontakt zu meiner Bank findet nicht mehr statt. Im August 2014 habe ich einen größeren Geldbetrag bar bekommen. Ich ging zu meiner Bank und wollte diesen auf mein Konto einzahlen. Die Bankangestellte war sehr freundlich und klärte mich auf, dass sie von mir 2,50 Euro Bearbeitungsgebühr verlangen muss, außer ich zahle das Geld beim Automaten im Foyer selbst ein, dann kostet es nichts. Nachdem ich, wie schon erwähnt, mit meiner Bank nur mehr selten Kontakt habe, wusste ich von diesem Automaten gar nichts. Sie war dann so freundlich und erklärte mir das Gerät. Ich frage mich jetzt nur, wozu ich überhaupt noch vierteljährlich Spesen bezahle, wenn ich eh alles selbst mache und wozu sind diese Bankangestellten noch da? Was haben die denn früher getan? Wo es noch keinen Computer gab?

Ich bin Jahrgang 1952 und bin durch meine Bürotätigkeit langsam in die Computerwelt eingetaucht, aber ich fürchte mich vor der Zukunft und was uns noch alles auf elektronischem Gebiet einfach aufdiktiert wird, so unter dem Motto: „Vogel friss, oder stirb.“

Elisabeth Luttinger
E-Mail
(aus KONSUMENT 4/2016)

Amazon-Rechnung

Ganz besonders stört mich, dass ich bei Online-Bestellungen (Stichwort Amazon) seit rund einem Jahr keine Rechnung mehr bei der Lieferung finde – nein, auf Nachfrage beim Kundendienst kam nur: Ich soll die bitte selbst ausdrucken, gibt ja einen Knopf bei der Rechnungsübersicht ...

Wieso soll/darf ich das jetzt tun? Was, wenn ich mein Amazon-Konto auflösen möchte und somit gar nicht mehr an die Rechnungen rankomme? Und was ist mit den Druckkosten, die ja für mich auch extra anfallen? Nichts dagegen, manches selbst in die Hand zu nehmen, aber alles hat Grenzen.

User "Nicky"
(aus KONSUMENT 3/2016)

Basis unseres Wohlstandes

Durch das Selbermachen tragen wir zu den niedrigen Preisen und damit zu mehr Kaufkraft und Wohlstand bei. Als Vergleich fällt mir immer der Preis für ein kg Schweinsschnitzel mit 100 Schilling – beim Fleischhauer frisch aufgeschnitten – vor 35 Jahren ein. Heute kostet es im Angebot aus der Kühlvitrine weniger als sechs Euro – mehr als einen Euro weniger!

Das gleiche bei den Möbeln. Früher richtete man sich ein- bis zweimal im Leben neu ein. Heute alle zehn Jahre, was bei den derzeitigen Preisen im "Do it yourself“ auch für viele möglich ist. Durch das "immer billiger“ vom Haushalt über die Bank bis zum Urlaub haben wir aber auch Arbeitsplätze vernichtet und das Lohnniveau gedrückt. Dadurch sind viele Menschen auf das "Do it yourself“ angewiesen. Und was ist mit jenen die es nicht beherrschen?

Franz Tatzber
E-Mail
(aus KONSUMENT 3/2016)

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