Die Inflation in Österreich kommt nicht zur Ruhe, auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Im April betrug sie laut Schnellschätzung der Statistik Austria 9,8 Prozent, für das Gesamtjahr rechnet etwa die Nationalbank mit satten sieben Prozent. Ein wesentlicher Preistreiber sind Lebensmittel.
Sie erheben schon seit etlichen Jahren Preise in heimischen Supermärkten. Was konnten Sie zuletzt beobachten?
Walter Hager: Das vergangene Jahr hat eines sehr deutlich gezeigt: Billig war einmal. Im Billigsegment, in der Branche verniedlichend als Preiseinstiegs-Segment bezeichnet, spielte es sich gehörig ab. Die Preise explodierten. Insgesamt verteuerte sich das Billig-Segment, im Prinzip die Eigenmarken der Konzerne, um rund ein Viertel – verglichen mit unserer Erhebung im Jahr 2018. Der Verbraucherpreisindex stieg im Untersuchungszeitraum nur um 16 Prozent. Ganz anders das Bio-Segment.
Das Bio-Sortiment im Supermarkt war ein Garant für vergleichsweise stabile Preise. Und jetzt?
Ja, es stimmt, es war erfreulich, dass der Bio-Warenkorb bei Weitem nicht so stark gestiegen ist. Es gab auch nicht so viele Ausreißer nach oben, sondern eigentlich durchgehend moderate Preissteigerungen, die einer „normalen“ Inflation entsprechen. Der Hintergrund: Die Teuerung wurde vor allem durch die Preisexplosion bei den fossilen Energieträgern getrieben. Bioprodukte waren davon nicht so stark betroffen. Denn Bio kommt ohne synthetische Düngemittel aus. Also Düngemittel, die in der Herstellung sehr energieintensiv sind. Im Klartext: Erdgas teurer – Dünger teurer – Futtermittel teurer – Lebensmittel teurer. Inzwischen hat sich der Preistrend bei Bioprodukten etwas umgekehrt.
Bioprodukte werden auch immer teurer?
Sagen wir es so: Bio war in den vergangenen Wochen und Monaten stärker von Preiserhöhungen betroffen als Billig- oder Markenprodukte. Es stellt sich die Frage, ob die Preise künstlich angehoben werden, um die Billig- bzw. Eigenmarken zu „schützen“. Denn: Supermärkte und Discounter torpedieren ihr Preiseinstiegssegment, wenn sich die Preise der Billigschiene jenen der Bioprodukte annähern.
Folgen die Preiskapriolen im Supermarkt einer gewissen Logik? Einem Muster?
Teilweise sind die Preisanstiege durchaus erklärbar. Bei energieintensiven Produkten kann das schon einmal zu Preiskapriolen führen. Das wäre eines dieser Muster, welches aber im Gesamtsortiment so nicht zu erkennen ist. Es gibt aus meiner Sicht keine Logik dahinter. Die einzige Logik scheint Margen- oder besser gesagt Gewinnmaximierung zu sein und die Tatsache, dass sich die Preise immer mehr von der tatsächlichen Inflation entkoppeln. Es gibt so viele unerklärliche Phänomene, dass nur diese Schlussfolgerung übrig bleibt.
Können Sie Beispiele nennen?
Spannend ist das Thema Mehl und Brot: Während glattes Weizenmehl seit 2018 um bis zu 120 Prozent teurer wurde, waren diverse Brotsorten, auch Toastbrot, bei Weitem nicht derart stark von diesen Preissprüngen betroffen– obwohl Brotbacken wohl kaum ohne Energie möglich ist. Auch die Tendenz bei Milchprodukten ist so ein Beispiel. Milch, Sauerrahm, Schlagobers wurden im April im Vergleich zum Vormonat um sieben Prozent billiger – der Unterschied zu 2018 beträgt aber immer noch im Durchschnitt 40 Prozent plus. Warum es sich hingegen bei Eiern und Butter, sowohl billig als auch Bio, komplett anders verhält, ist wieder so ein Rätsel. Hier gab es in den vergangenen Jahren keine gravierenden Steigerungen. Butter ist aktuell sogar billiger als 2018.
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