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VKI-Mitarbeiter Walter Hager und unterschiedliche Lebensmittel
Mission Preisvergleich: Walter Hager, seit Jahren für den VKI auf „Einkaufstour“ im Supermarkt. Bild: VKI/Konstantinoudi

Lebensmittel: "Billig war einmal"

Interview. Der tägliche Einkauf im Supermarkt ist einer der großen Inflationstreiber der vergangenen Monate. Gerade im Billig-Segment kam es zu geschmalzenen Preiserhöhungen. Nun hat dieser Trend auch Bio-Produkte erfasst. Wie VKI-Experte Walter Hager im Interview erklärt, könnte das mit einem "Trick" der Handelskonzerne zu tun haben.

Die Inflation in Österreich kommt nicht zur Ruhe, auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Im April betrug sie laut Schnellschätzung der Statistik Austria 9,8 Prozent, für das Gesamtjahr rechnet etwa die Nationalbank mit satten sieben Prozent. Ein wesentlicher Preistreiber sind Lebensmittel.

Sie erheben schon seit etlichen Jahren Preise in heimischen Supermärkten. Was konnten Sie zuletzt beobachten?

Walter Hager: Das vergangene Jahr hat eines sehr deutlich gezeigt: Billig war einmal. Im Billigsegment, in der Branche verniedlichend als Preiseinstiegs-Segment bezeichnet, spielte es sich gehörig ab. Die Preise explodierten. Insgesamt verteuerte sich das Billig-Segment, im Prinzip die Eigenmarken der Konzerne, um rund ein Viertel – verglichen mit unserer Erhebung im Jahr 2018. Der Verbraucherpreisindex stieg im Untersuchungszeitraum nur um 16 Prozent. Ganz anders das Bio-Segment.

Das Bio-Sortiment im Supermarkt war ein Garant für vergleichsweise stabile Preise. Und jetzt?

Ja, es stimmt, es war erfreulich, dass der Bio-Warenkorb bei Weitem nicht so stark gestiegen ist. Es gab auch nicht so viele Ausreißer nach oben, sondern eigentlich durchgehend moderate Preissteigerungen, die einer „normalen“ Inflation entsprechen. Der Hintergrund: Die Teuerung wurde vor allem durch die Preisexplosion bei den fossilen Energieträgern getrieben. Bioprodukte waren davon nicht so stark betroffen. Denn Bio kommt ohne synthetische Düngemittel aus. Also Düngemittel, die in der Herstellung sehr energieintensiv sind. Im Klartext: Erdgas teurer – Dünger teurer – Futtermittel teurer – Lebensmittel teurer. Inzwischen hat sich der Preistrend bei Bioprodukten etwas umgekehrt.

Bioprodukte werden auch immer teurer?

Sagen wir es so: Bio war in den vergangenen Wochen und Monaten stärker von Preiserhöhungen betroffen als Billig- oder Markenprodukte. Es stellt sich die Frage, ob die Preise künstlich angehoben werden, um die Billig- bzw. Eigenmarken zu „schützen“. Denn: Supermärkte und Discounter torpedieren ihr Preiseinstiegssegment, wenn sich die Preise der Billigschiene jenen der Bioprodukte annähern.

Folgen die Preiskapriolen im Supermarkt einer gewissen Logik? Einem Muster?

Teilweise sind die Preisanstiege durchaus erklärbar. Bei energieintensiven Produkten kann das schon einmal zu Preiskapriolen führen. Das wäre eines dieser Muster, welches aber im Gesamtsortiment so nicht zu erkennen ist. Es gibt aus meiner Sicht keine Logik dahinter. Die einzige Logik scheint Margen- oder besser gesagt Gewinnmaximierung zu sein und die Tatsache, dass sich die Preise immer mehr von der tatsächlichen Inflation entkoppeln. Es gibt so viele unerklärliche Phänomene, dass nur diese Schlussfolgerung übrig bleibt.

Können Sie Beispiele nennen?

Spannend ist das Thema Mehl und Brot: Während glattes Weizenmehl seit 2018 um bis zu 120 Prozent teurer wurde, waren diverse Brotsorten, auch Toastbrot, bei Weitem nicht derart stark von diesen Preissprüngen betroffen– obwohl Brotbacken wohl kaum ohne Energie möglich ist. Auch die Tendenz bei Milchprodukten ist so ein Beispiel. Milch, Sauerrahm, Schlagobers wurden im April im Vergleich zum Vormonat um sieben Prozent billiger – der Unterschied zu 2018 beträgt aber immer noch im Durchschnitt 40 Prozent plus. Warum es sich hingegen bei Eiern und Butter, sowohl billig als auch Bio, komplett anders verhält, ist wieder so ein Rätsel. Hier gab es in den vergangenen Jahren keine gravierenden Steigerungen. Butter ist aktuell sogar billiger als 2018.

Frau prüft Lebensmittel-Rechnung und hält einen Einkaufswagen im Supermarkt
Die Lebensmittelpreise steigen. Wir haben verglichen Bild: Stokkete/Shutterstock

Viele Produkte des täglichen Bedarfs, zum Beispiel Milchprodukte oder Brot, kennzeichnen sich u. a. dadurch, dass sie praktisch überall exakt gleich viel kosten. Das ist doch total intransparent, oder?

Nein, eigentlich im Gegenteil. Die Preise von Produkten, die vielen Käufer:innen bekannt sind, wie etwa Milchprodukte oder Brot, gelten als transparent. Da wird es dann schon schwierig mit der Gewinnmaximierung. Aktuell zeigt sich: Diese Produkte sind seit einigen Wochen nicht mehr von Preiserhöhungen betroffen, im Gegenteil: Die Preise sind zum Beispiel von Anfang März dieses Jahres bis Mitte April teilweise sogar gesunken.

Bei welchen Produkten sind die Preise dann intransparent?

Intransparent ist zum Beispiel saisonale Ware, etwa rund um Weihnachten oder Ostern: Durch unterschiedlichste Ausprägungen, Packungsgrößen, kaum erkennbare Qualitätsunterschiede etc. Auch nur kurz erhältliche Waren sind preislich sehr intransparent. Ziel der Branche ist ja immer der „optimale Preis“, d. h. der Preis mit den besten Aussichten auf Marge und Umsatz. Dabei gilt: Je schwieriger der Preisvergleich, desto höher der Preis. Intransparenz bzw. die Verunmöglichung von Preisvergleichen wird einerseits durch ein möglichst breites Angebot und vor allem in Österreich durch Aktionitis, Rabattitis und Kundenkartenschmähs geschaffen. In Summe führt das wohl dazu, dass die Preise vieler Produkte derzeit von der tatsächlichen Teuerung entkoppelt sind und mittlerweile der Preistreiber Nr. 1 sind, nicht mehr Energie & Co. Weiterer Faktor der Intransparenz: Mogelpackungen haben in jüngster Zeit stark zugenommen, Stichwort Shrinkflation.

Spar-Vorstand Markus Kaser sprach im Vorjahr von „maßlos überzogenen Preisforderungen von manchen Lebensmittelherstellern“ und ging dabei auf Multis wie Danone, Nestlé, Unilever & Co los.

Ja, einer dieser Anbieter hätte die Einstandspreise für Milchprodukte um 27 Prozent erhöhen wollen – Spar hat selbst nachgerechnet und ist auf eine Erhöhung der Produktionskosten um vier Prozent gekommen. Warum dann die Milchprodukte für Konsument:innen im Zeitraum 2018 bis März 2023 im Durchschnitt um mehr als 50 Prozent teurer geworden sind, dazu gibt es wiederum keine Aussage.

Der österreichische Lebensmitteleinzelhandel ist – auch international gesehen – sehr stark konzentriert. Herrscht genug Wettbewerb in Österreich?

Bevor sich Supermärkte und Lebensmittelmultis einen Klassenkampf liefern, sollten die „Nahversorger“ lieber für faire Preise sorgen. Und zwar für Konsument:innen und Produzent:innen. Doch leider scheinen immer noch die Gewinnmaximierung und vor allem der Kampf um Marktanteile im Vordergrund zu stehen. Es ist davon auszugehen, dass die Bilanzen im Jahr 2022 wieder hohe Gewinne im Lebensmittelhandel zeigen werden. Nimmt man die Bautätigkeit und die Filialdichte als Maßstab, scheint es der Branche gar nicht so schlecht zu gehen. Auch wenn Jammern auf hohem Niveau zum guten Ton gehört – immer wieder wird betont, dass die Gewinnmargen mit ein bis drei Prozent vom Umsatz sehr niedrig sind – bei einem Gesamtumsatz von knapp 24 Milliarden Euro im Jahr 2020, wohlgemerkt.

In der Inflationsdebatte wird viel darüber gesprochen, dass ein Gutteil der Teuerung in Österreich hausgemacht ist. Wie sieht es diesbezüglich im Lebensmittelbereich aus? Gibt es deutliche Unterschiede zu unseren Nachbarländern?

Eine Kurzrecherche in der Region Udine hat ergeben, dass idente Produkte dort zum Teil erheblich billiger angeboten werden – wenn auch nicht alle. Pasta ist immer um 25 bis fast 60 Prozent günstiger zu haben. Auch Olivenöl, Reis, Mehl, Zucker oder verarbeitete Tomatenprodukte sind durchgehend billiger, wobei die Spanne von „nur“ 14 Prozent bis über 100 Prozent reicht. Weniger überraschend: Eine Dose des italienischen Getränks LemonSoda kostet in der Region um fast 70 Prozent weniger als hierzulande. Das hängt ebenfalls mit der hohen Marktkonzentration in Österreich zusammen und zeigt sich auch im Vergleich zu Deutschland. Die geringe Anzahl an Marktteilnehmern sorgt für weniger Wettbewerb und für ein gegenseitiges Aufschaukeln des Preisniveaus.

Ist im Laufe des Jahres mit einer Entspannung bei den Lebensmittelpreisen zu rechnen?

Auch wenn’s Kaffeesudleserei gleichkommt: Eigentlich sollte es so sein, denn die Preise sind im Vorjahr recht sprunghaft gestiegen, d. h. es gab keinen kontinuierlichen Preisanstieg übers Jahr. Da die Inflation immer im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat dargestellt wird, ist eine gewisse Entspannung zu erwarten. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits in einigen Segmenten, etwa bei Milchprodukten. Aber: Wie die Vergangenheit gezeigt hat, ist die Eindämmung der Inflation nicht so einfach, wie man sich das vorstellt. Ist eine Preisspirale einmal in Gang gesetzt, wird es schwierig, wieder auf ein „normales“ Niveau zu kommen.

Was können Konsument:innen tun, um dem Preisauftrieb bei Lebensmitteln zumindest etwas zu entkommen?

Gute Vorbereitung ist wichtig. Was soll gekocht werden? Was muss eingekauft werden? Das sollte bereits vorher feststehen. Der berühmte Einkaufszettel hilft dabei, nur das einzukaufen, was wirklich benötigt wird. Und er hat noch einen großen Vorteil: Wer weniger kauft, läuft weniger Gefahr, viel wegzuwerfen. Wenn möglich, Grundpreise vergleichen – und nicht jedem vermeintlichen Schnäppchen nachjagen. Nur weil „Aktion“ draufsteht, muss nicht billiger drin stecken. Und Vorsicht: Kundenkarten suggerieren nur, dass man immer billig einkauft – das ist nicht der Fall. Rabattpickerl verleiten dazu, teure Produkte zu kaufen. Immer hinterfragen: Brauche ich das wirklich?

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