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Kind liegt abends im Bett und schaut in sein Smartphone
Merge County: „Ich möchte“, schreibt uns die Mutter von Petra, „den Teil des Geldes zurückfordern, den meine Tochter während ihrer Minderjährigkeit ausgegeben hat.“ Bild: Suzi-Media/stock.adobe

Apple Store: Merge County - 5400 Euro für In-App-Käufe

In-App-Käufe: Eine Schülerin steckt all ihr Geld in Merge County und Merge Fables. Wie konnten helfen. 

„Meine Tochter, Petra, geb. 2005, hat zwischen Juni 2021 und April 2024 über 5400 Euro in die zwei Computerspiele Merge County und Merge Fables von Microfun investiert.“ So berichtet uns Frau Greisenegger. Ihre Tochter war zu der Zeit zwischen 16 und 19. Die Spiele hatte sie vom Apple App Store auf ihr iPhone heruntergeladen – und zwar, so Frau Greisennegger, „ohne Wissen oder Zustimmung von uns Eltern.“

Was sind Merge-Spiele?

Bei Merge-Spielen geht es darum, Objekte derselben Art zu etwas Neuem zu kombinieren. Man sammelt zwei Äpfel, die fügt man zu einem Obstkorb zusammen. Zwei Obstkörbe wiederum ergeben dann einen guten Apfelkuchen. Durch das Spiel führt die sympathische Esther mit den großen, schönen, schrägen Augen und dem blonden Wuschelkopf. Da ist ihr Garten. Da ist die Natur. Pflanzen, Tiere, Kuchen. Das alte, langweilige Haus und das ganze Dorf der Kindheit soll schöner werden. 

Willst du, dass es schneller geht?"

Da sind die beiden Freunde (Esther: „Ah, you guys are the sweetest!“). Der eine, Chris, steht auf sie und hilft ihr gern. Da sind die vielen Aufgaben, die sich rasch abwechseln, damit keine Langeweile aufkommt. Und wenn Merge County fragt: „Willst du, dass die Sache schneller läuft? Kostet nur ein Herzerl!“ Wer sagt da schon „nein“? Man muss halt zahlen, wenn man im Spiel vorankommen will.

Screenshot zeigt die Startseite von Merge County im Apple Shop
Merge County: Sympathisch, harmlos, teuer Bild: Screenshot/apps.apple.com

Mehrfach das Konto überzogen

Tochter Petra will vorankommen und zahlt mittels Paypal von ihrem Jugendkonto. Sie investiert ihr Taschengeld, sie investiert ihr Erspartes sowie sämtliche Einkünfte aus ihren Ferialjobs. Sie ist noch Schülerin und hat kein regelmäßiges Einkommen. Ihre Spielsucht hält sie vor den Eltern geheim. Ein Beispiel: Allein am 22.8.2022 überweist sie sechs Beträge (1,99, 7,99, 0,99, 7,99, 4,99, 2,99 Euro). Am 27.8. sind es neun Käufe. Siehe auch die Liste der Abbuchungen auf dem Bild unten.

Die Bank fragt nach

Erst eine Nachfrage der Bank im April 2024 bringt die Sache ans Licht. Das Mädchen hat mehrfach sein Konto überzogen. Die Zahlungen an Apple/Microfun haben es in sich: 2021 – da ist sie noch minderjährig - sind es 471 Euro, 2022 2496 Euro und bis zum ihrem 18. Geburtstag 2023 kommt sie auf 282 Euro. Danach spielt sie zwar weiter und gibt weiter für das Spiel Geld aus, aber wer volljährig ist, darf sein Geld verjubeln.

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Bild zeigt den Ausschnitt einer sehr langen Liste von In-App-Käufen des beschreibenen Falles
Die vielen kleinen Ausgaben für Merge County und Merge Fables von Microfun addierten sich auf über 5000 Euro, hier ein Ausschnitt | Bild: Screenshot/VKI

Apple zahlt zurück - einen Teil

„Ich möchte“, schreibt uns die Mutter von Petra, „den Teil des Geldes zurückfordern, den meine Tochter während ihrer Minderjährigkeit ausgegeben hat.“ Dr. Jakob Zarari hat als Jurist den Fall betreut (siehe auch Interview unten): „Solche Ausgaben überschreiten den Rahmen der Geschäftsfähigkeit von mündigen Minderjährigen. Sie gefährden, das ist rechtlich ganz wichtig, die Befriedigung der Lebensbedürfnisse.“ Apple sei daher verpflichtet über 3000 Euro zurückzuzahlen.

2905 Euro zurück

Apple hat seine Europa-Zentrale in Irland. Wir haben über das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren (EVZ) das EVZ-Irland kontaktiert. Die Kolleg:innen haben dem Konzern mitgeteilt, dass Apple verantwortlich ist Minderjährigen solche Ausgaben zurückzuzahlen. Apple hat schließlich zugesagt 2905 Euro zu überweisen. 

Körberlgeld behalten

Wir machen immer wieder folgende Erfahrung: Unternehmen halten die Gesetze nicht ein. Wir machen Druck. Sie zahlen zwar zurück, aber nicht alles. Lesen Sie unseren Bericht über den Fahrradhersteller Canyon. Im Fall Merge County müsste im Grunde die betroffene junge Frau Apple wegen der ausstehenden Summe klagen.

Interview: „Jede Woche solche Fälle“

Jakob Zarari - Jurist: für grenzüberschreitende Konsumentenprobleme
Zarari: "Eine mündige Minderjährige kann selbstverständlich solche Dinge kaufen oder Verträge eingehen, sofern die – und das ist wichtig - ihre Lebensbedürfnisse nicht gefährden." Bild: VKI

Gespräch mit Dr. Jakob Zarari. Er hat im Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) als Jurist den Fall betreut.

Konsument.at: Wer ist denn hier verantwortlich? 

Zarari: Einerseits ist die App oder der Spiel-Entwickler in der Pflicht, aber gleichzeitig auch der App Store, im konkreten Fall der Apple Store. 

Zarari weiter: Das Besondere an unserem Fall war: Eine 14, 15, 16jährige darf einkaufen. Jeder einzelne dieser Käufe war unproblematisch. Eine mündige Minderjährige kann selbstverständlich solche Dinge kaufen oder Verträge eingehen, sofern die – und das ist wichtig - ihre Lebensbedürfnisse nicht gefährden. Genau das ist aber der Fall, wenn sie ihre gesamten Ersparnisse oder Einkünfte ausgibt. Käufe über 3000 Euro, die insgesamt das ganze Konto leerräumen oder die, wie die Mutter schildert, das Konto überziehen, gefährden in ihrer Gesamtheit die Lebensbedürfnisse. - Daher sind diese Käufe nicht wirksam nach den Schutzvorschriften des Zivilrechts.

Ist auch die Bank verantwortlich? 

Da laste ich der Bank kein Fehlverhalten an. Da hat die Bank sich nicht einzumischen, außer es ist mit den Eltern im Bankvertrag Gegenteiliges vereinbart. Die Bank hat sich gemeldet, als das Mädchen das Konto regelmäßig überzogen hat.

Gibt es solche Probleme mit In-App-Käufen oft?

Mit genau dieser Konstellation hatte ich noch keinen anderen Fall. Sonst immer wieder. Also wöchentlich einen Fall, der mit In-App-Käufen Probleme hat. Aber generell, nicht nur mir Jugendlichen.

Das berichten Spieler

Man kann Merge County unter anderem im Google Play Store herunterladen. Die User-Kommentare zu dem Spiel dort pendeln zwischen Begeisterung und großem Ärger. 

Hier Kommentare von Nutzern, die nur einen Stern, also eine schlechte Bewertung, vergeben haben:

A.K. - Temu-Quatsch: Neuerdings gibt es in diesem Spiel zwei Werbeblöcke statt nur einem ... vor allem diesen Temu-Quatsch kann ich nicht mehr sehen. Da in diesem Spiel auch die Abwechslung fehlt und man die Events nicht schaffen kann, ohne Energie dazu zu kaufen, steh ich kurz davor, es zu deinstallieren.

U.X.: Nervige Musik und grauenhafte Grammatik. Sofort wieder gelöscht.

K.K. - personalisierte Werbung: Das Spiel war super. Nur jetzt wollen sie personalisierte Werbung. Man muss zustimmen, um weiterspielen zu können. Geht's noch? Wenn die das nicht ändern: Deinstallation!

L.K. - Geld zurück: Es war bis jetzt gut, aber als ich was kaufen wollte, das war ungefähr 4.89 Euro oder so, hat es 6 Euro genommen und mir nicht meine Energie und Coins gegeben. Ich will mein Geld zurück.

L.F. - schönes Spiel: Eigentlich ein schönes Spiel zum Zeitvertreib. Aber man darf nicht glauben, dass es bei diesem Spiel Erfolgsergebnisse gibt. Ist eher ein Spiel, das dir hilft, mit ständigen Niederlagen klarzukommen. Die Zusatzaufgaben sind nicht zu meistern. Man hat wenig Zeit und die fängt sogar nachts an. Habe bis jetzt noch nie eine gewonnen. Für jemanden, der auf Leben und Schlaf verzichtet und zusätzlich Geld reinpumpt, wäre es vielleicht machbar. Schade.

S.K. - kein Spaß: Es ist sehr ärgerlich, wenn man die Aufgabe erfüllt hat, das Spiel aber hängt und den Bonus nicht ausgibt. So viele Münzen und Energie umsonst verbraucht. Das ist mir jetzt schon so oft passiert. 🤬 So macht es keinen Spaß. Obwohl ich das Spiel ganz toll finde, überlege ich mir ernsthaft es zu löschen.

Hier Kommentare mit 5 Sternen:

S.G.: Das Spiel macht Spaß, aber beim Kauf des Starterpakets wurde nur das Geld abgebucht und ich hab nichts bekommen. Der Versuch zu schreiben, scheitert am Screenshot. Wird nicht angenommen. Es wäre schön, wenn es doch klappt. - Hallo, das Geld wurde mir wieder gutgeschrieben. Alles in Ordnung 👍👍

T.M. -  begeistert: Das Spiel ist sehr abwechslungsreich und sicherlich braucht man für manches etwas länger. Das Gute ist, man muss kein reales Geld investieren. Bin begeistert.

R.R. - nie langweilig: Das Spiel hat eine tolle Graphik, ist spannend und wird nie langweilig. Die arktische Kältesteppe regt zum Weiterspielen an, weil man seinen Zoo möglichst schnell erweitern möchte. Die Events sind zwar kurz, aber dadurch gibt es ständig etwas Neues zu entdecken. Sehr zu empfehlen. Seit dem neuesten Update verpasst man nach einer bestimmten Zeit die Bonusenergie. Als arbeitender Mensch hat man so kaum noch eine Chance diesen Bonus zu bekommen.

Serie: Lootboxen in Videospielen

Wir haben haben auf konsument.at zwischen 2022 und 2024 eine Serie über Videospiele veröffentlicht. Es geht um Tricks und Fallen, die die Spieler:innen bei der Stange halten und den Geldbeutel leeren. Finden Sie hier alle Artikel zu "Videospiele und Lootboxen: Zahlen, um mitzuhalten"

 

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Bild: ECC-net

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