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Ein Tiny House auf einer Bergwiese
Platz ist in der kleinsten Hütte ... Bild: inrainbows/Shutterstock

Tiny House Reportage: Kosten, Erfahrungen & Nachhaltigkeit

Tiny House oder das Wohnen auf sehr kleinem Raum, nur mit den nötigsten Dingen – das ist der Traum vieler Menschen. Das Tiny House Movement ist beliebter denn je. Doch auf dem Weg dorthin gibt es einige Fragen zu klären: von den Kosten über die Praktikabilität bis hin zum Baurecht. In diesem Artikel begleiten wir Nina und Norbert auf ihrem Weg zum Traumhaus und sprechen mit Expert:innen über die wichtigsten Aspekte des Themas.

Was ist ein Tiny House?

Ein Tiny House ist ein sehr kleines (15 – 45m² Nutzfläche), aber dennoch vollwertiges Wohnhaus, bei dem alle notwendigen Einrichtungen wie Küche, Bad und Schlafgelegenheit vorhanden sind. Manche der Tiny-Häuser sind stationär, also fest mit dem Boden verbunden, manche stehen auf Rädern und können als Anhänger umgestellt werden.

Viele haben auch einen Anschluss an die öffentliche Ver- und Entsorgung mit Strom, Wasser und Abwasser.

Der Bundesverband Mikrohaus definiert den Begriff Mikrohaus wie folgt:

"Die Kleinstwohnform „Mikrohaus“ sind vollwertige Gebäude der Gebäudeklasse I und dienen zum temporären oder dauerhaften Wohnen."

Warum gerade ein Tiny House?

Klar, Minimalismus ist im Trend, aber warum will man auf so wenigen Quadratmetern wohnen? Was begeistert die Menschen daran? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, haben wir Nina und Norbert besucht. Die beiden wohnen derzeit noch in einer 90m²-Stadtwohnung in Wien, lassen aber schon ein Tiny House nach Ihren Wünschen anfertigen. Das neue Traumhaus wird knapp 3 x 10 m lang sein und auf Rädern stehen. Ein Downgrade von etwa 60m². Warum sollte man so etwas wollen? Nina meint dazu:

„Uns hat der Gedanke gefallen, mobil zu sein und vielleicht auch einmal unseren Standort zu wechseln.“

Das Häuschen von Nina und Norbert kann also bewegt werden – wenn auch nur mit einem Tieflader oder Traktor, der mindestens 300 PS hat. Damit ist es deutlich schwieriger zu bewegen als ein ausgebauter Van oder ein Wohnmobil, bietet aber auch mehr Platz und mehr Annehmlichkeiten. Weitere Motive, die für Nina und Norbert bei der Entscheidung zum Tiny House den Ausschlag gegeben haben, waren die Sehnsucht nach der Natur und nach einem reduzierten Lebensstil.

Generell kann man die Vorteile von Tiny Houses in drei Worten zusammenfassen: kostengünstig, (potenziell) umweltfreundlich und mobil. Sie eignen sich nicht nur als Hauptwohnsitz für Singles und Paare, sondern auch als Wochenend- oder Ferienhaus.

Die steigende Beliebtheit von Tiny Houses hat auch mit den steigenden Immobilienpreisen zu tun, denn es wird immer schwieriger, ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung zu finanzieren.

Nachteile eines Tiny House

Natürlich hat ein Tiny House nicht nur Vorteile. Einer der offensichtlichsten Nachteile ist die begrenzte Wohnfläche. Aber auch der passende Stellplatz, sanitäre Lösungen und Privatsphäre können in einem Tiny House eine Herausforderung darstellen.

Wohnfläche

Wie der Name schon sagt: Ein Tiny House ist sehr klein. Das klingt im ersten Moment zwar kuschelig - die eigene Bibliothek, das Klavier und der große Kleiderschrank gehen sich aber nicht aus. Man muss Abstriche machen. Nina wird ihren wunderschönen Flügel gegen ein E-Piano eintauschen und Norbert hat schon abgezählt, wie viele Bücher er mitnehmen wird – genau 5 Stück.

Aber nicht nur für die Bewohner:innen selbst ist der Raum begrenzt – Gäste zu empfangen wird in einem derart kleinen Haus schwierig. Gerade bei Schlechtwetter, wenn man auf den Innenraum angewiesen ist, kann die ausschweifende Geburtstagsfeier, auf die man sich schon so gefreut hat, sogar unmöglich werden.

Sanitäranlage

Je nach Ausstattung kann es auch vorkommen, dass das Tiny House nicht an das öffentliche Wasser und Abwassernetz angeschlossen ist. Dann wird es notwendig, öffentliche Anlagen zu nutzen, etwa auf einem Campingplatz oder es müssen alternative Sanitäranlagen angeschafft werden.

Für manche ist die Entsorgung von Abfällen und Fäkalien kein Problem – für andere eine zusätzliche Belastung und ein zusätzlicher zeitlicher Aufwand, der nicht unterschätzt werden sollte.

Privatsphäre

Privatsphäre ist ein rares Gut im Tiny House. Vorhänge und Trennwände können hier ein wenig Abhilfe schaffen – zu 100 Prozent allein ist man aber nie. Außer natürlich man wohnt alleine im Tiny House. Auf die Frage, wie Nina und Norbert mit dem Wunsch nach Rückzug umgehen, schmunzelt Nina und sagt: „Dann gehe ich eine Runde spazieren oder ins Kaffeehaus.“

Was kostet ein Tiny House?

Der Preis für ein Tiny House kann stark variieren, je nach Größe, Ausstattung und Baumaterialien. In der Regel liegen die Kosten zwischen 20.000 und 150.000 Euro. Autarke Tiny Houses sind aber deutlich teurer.

Nina und Norbert verzichten auf Autarkie – sie haben sich bereits einen Stellplatz auf einem Campingplatz mit Ökostrom-Versorgung gesichert. Neben den Kosten für das Tiny House an sich sollte man nicht vergessen, dass zusätzliche Kosten für Land, Strom, Wasser, Abwasser, Bauplan, etc. anfallen können.

Wer baut in Österreich Tiny Häuser?

Inzwischen gibt es in Österreich einige Anbieter, die Tiny Häuser bauen. Darunter z. B. die Cube Manufaktur, Lagom Haus, WM-Bau, Koda Haus oder auch der Verein Akademie Lebensraum, von dem auch Nina und Norbert einen der „Wohlfühlwagen“ bekommen werden.

Der niederösterreichische Gründer des Vereins Emil, Hannes Pable hat sich das Ziel gesetzt, nachhaltige Lebensräume zu schaffen. Neben Tiny Houses sind das auch Permakulturgärten oder Jurten. „Wir entwickeln die Lebensräume gemeinsam mit den zukünftigen Nutzern“, erklärt Pable. „Es geht uns darum, Freiräume zu schaffen und zugleich mit unserem Know-how zu unterstützen.“

Wenn man sich noch nicht sicher ist, kann auch das Probewohnen in einem der Wohnwagons eine gute Idee sein. Auch Nina und Norbert sind diesen Weg gegangen und haben sich in die „Frieda“ und das simple Leben im Tiny House verliebt.

Wie wird ein Tiny House gebaut?

Wenn es um den Bau von Tiny Houses geht, sind Fertighäuser aus Holz eine beliebte Option. Diese Häuser werden in der Regel in Modulbauweise hergestellt und können schnell und einfach aufgebaut werden. Dabei können die Module individuell angepasst und kombiniert werden, um die gewünschte Wohnfläche zu erreichen.

Ein großer Vorteil von Fertighäusern ist, dass sie in der Regel deutlich kostengünstiger sind als herkömmliche Häuser. Zudem sind sie oft sehr energieeffizient und nachhaltig gebaut. Auch die Mobilität spielt eine wichtige Rolle, da viele Tiny Houses auf Rädern gebaut sind und somit einfach an einen neuen Standort gebracht werden können.

Ein weiterer Trend im Bereich Tiny Houses sind sogenannte Containerhäuser. Diese Häuser werden aus alten Schiffscontainern gebaut und bieten ebenfalls eine schnelle und kostengünstige Möglichkeit, ein Tiny House zu errichten. Die Container können individuell gestaltet und ausgebaut werden, um den Bedürfnissen der Bewohner:innen gerecht zu werden.

Wo darf man ein Tiny House bauen?

In Österreich gibt es derzeit keine spezifischen Gesetze, die den Bau von Tiny Houses regeln. Es gelten jedoch die allgemeinen Bestimmungen für den Bau von Häusern und der Verwendung von Land. Wenn man ein Tiny House bauen möchte, muss man sicherstellen, dass man über das entsprechende Baurecht verfügt. In der Regel darf man ein Tiny House auf Land bauen, das als Wohngebiet ausgewiesen ist. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass es in einigen Gemeinden Einschränkungen hinsichtlich der Größe und des Designs von Tiny Houses geben kann.

Einen Standort zu finden, kann für Tiny-House-Besitzer durchaus zur Herausforderung werden. „Auch wenn es klein ist und Räder hat, darf man ein Tiny House nicht überall aufstellen“, weiß Theresa Mai, Geschäftsführerin von WW Wohnwagon. Aus baurechtlicher Sicht gibt es für autarkes, mobiles Wohnen noch keine genauen Regelungen – zu neu ist dieses Konzept. WW Wohnwagon ist einer der größten Anbieter von Tiny Houses in Österreich. „Da Wohnen immer teurer wird und Grundstücke knapp sind, bietet sich dieses Konzept als Alternative an“, sagt Mai, die sich intensiv mit der baurechtlichen Lage beschäftigt hat.

„Bei stationären Tiny Houses handelt es sich um normale Wohngebäude, die von der Baubehörde genehmigt werden müssen. Mobile Wohnprojekte auf Anhängern oder Wägen und das mobile Tiny House können temporär auch ohne Baugenehmigung abgestellt werden, da das Fundament nicht mit dem Erdboden verbunden ist.“ Soll das Tiny House aber länger auf einem Stellplatz stehen oder wird es sogar als Hauptwohnsitz genutzt, unterliegt es wiederum dem Baurecht. „Wir bei WW Wohnwagon suchen um eine normale Baugenehmigung wie für ein Haus an und halten uns an die kompletten Bauvorschriften wie z. B. Raumhöhe oder Dämmschutz“, so Mai.

Eine Möglichkeit sei, nicht genutzte Bauflächen als Stellplatz zu verwenden; in Niederösterreich etwa stünden 30 Prozent des gewidmeten Baulands leer. „Statt an den Rändern der Gemeinden riesige Einfamilienhäuser zu bauen und Flächen zu versiegeln, wäre es besser, diese vorhandenen Grundstücke besser zu nutzen.“ Die Bürgermeister:innen der jeweiligen Gemeinden müssen jedenfalls ihr Einverständnis geben. „Es gibt auch sehr individuelle Lösungen, wie jene einer Familie in Vorarlberg, die ihren Wohnwagon auf dem Grundstück eines Landwirtes aufstellte und auf dem Hof mithilft“, ergänzt die Unternehmerin.

Wie nachhaltig ist ein Tiny House?

Tiny Houses können eine nachhaltige Alternative zu traditionellen Häusern sein, da sie oft aus recycelten oder nachhaltigen Materialien gebaut werden und weniger Energie verbrauchen. Wenn man ein Tiny House baut, sollte man jedoch sicherstellen, dass es auf eine umweltfreundliche Art und Weise gebaut und betrieben wird. Dazu gehören die Verwendung von recyceltem Baumaterial, der Einbau von Solarenergie und die Nutzung von wassersparenden Geräten. Es ist auch wichtig zu berücksichtigen, dass ein kleiner Wohnraum dazu führen kann, dass man weniger Dinge besitzt und somit weniger Ressourcen verbraucht.

Autarkie

Ein weiterer Faktor ist die Autarkie, die in vielen Tiny Houses gelebt wird. Durch den Einsatz von Solarpaneelen, Bio-Toiletten und Regenwasserauffangsystemen können die Bewohner:innen unabhängiger von öffentlichen Versorgungsnetzen leben und ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren.

Pable, der auch das Tiny House von Nina und Norbert herstellt, legt bei den Materialien Wert auf Nachhaltigkeit: Ein Wohlfühlwagen besteht fast zur Gänze aus heimischem Mondphasenholz – Holz, das bei abnehmendem Mond geerntet wurde und dadurch stabiler und widerstandsfähiger sein soll. Die Dämmung wird aus biologischer Schaf- und Holzwolle hergestellt.

„Ein Tiny House ist nicht per se eine ökologische und nachhaltige Form des Wohnens, weil es pro Person oder pro Quadratmeter Nutzfläche einen hohen Bedarf an Material, Grundfläche sowie Heizenergie hat“, weiß Christian Handwerk, Experte für Bauen und Wohnen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Wenn ich dieses Haus auf einem Grundstück aufstelle, so beansprucht eine kleine Gebäudenutzfläche die gesamte Grundstücksfläche. In klassischen Gebäuden teilen sich dagegen mehrere Menschen wertvolle Grundstücksfläche.“

Nebenwohnsitz

Auch wenn ein Tiny House nur als Nebenwohnsitz genutzt wird, verschlechtert das den ökologischen Fußabdruck. „30 Prozent unserer Kunden geben Teilnutzung oder auch Vermietung für Gäste als Nutzungsgrund an“, sagt Theresa Mai, Geschäftsführerin von WW Wohnwagon. „70 Prozent nutzen ihren Wohnwagon als Hauptwohnsitz.“

Zusammenfassend können Tiny Houses eine großartige Option für Menschen sein, die ein minimalistisches und nachhaltiges Leben führen möchten. Es ist jedoch wichtig, die Vor- und Nachteile von Tiny Houses zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass man die richtige Wahl für seinen Lebensstil und seine Bedürfnisse trifft.

 

Bildergalerie

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ganz kleines Haus: Innenansicht des Almwagen-Fanni
Innenansicht des Almwagen-Fanni | Bild: Wohnwagon
Wohnwagen Frieda und Fani von außen
Haus oder Wohnwagen? Beides. Wohnwagen Frieda und Fani von außen | Bild: Wohnwagon
Steuerung und Fernwartung am Tablet
Außen Holz, innen Technik | Bild: Wohnwagon
Innenansicht mit Ofen, Spüle und sehr kleinem Bad
Alles auf engstem Raum | Bild: Wohnwagon
2 Wohnwagon-Modelle von außen
2 Wohnwagon-Modelle von außen | Bild: S. Wolf
ganz kleines Haus: Innenansicht des Almwagen-Fanni
Innenansicht des Almwagen-Fanni | Bild: Wohnwagon
Wohnwagen Frieda und Fani von außen
Haus oder Wohnwagen? Beides. Wohnwagen Frieda und Fani von außen | Bild: Wohnwagon
Steuerung und Fernwartung am Tablet
Außen Holz, innen Technik | Bild: Wohnwagon
Innenansicht mit Ofen, Spüle und sehr kleinem Bad
Alles auf engstem Raum | Bild: Wohnwagon
2 Wohnwagon-Modelle von außen
2 Wohnwagon-Modelle von außen | Bild: S. Wolf

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