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Sturm hat Baum umgeworfen und er hängt über einen Zaun auf die Straße
Bild: gcpics/Shutterstock

Angstschnitte bei Bäumen: Wer haftet, wenns kracht?

Bäume, Äste, Efeu, Wilder Wein - Eigentümer müssen Nachbarn vor Gefahren und Belastungen bewahren. Aber was ist zumutbar und ortsüblich? 

Das Allgemeine Bürger­liche Gesetzbuch (ABGB) kennt keine eigene Bestimmung über die schaden­ersatzrechtliche Haftung für Bäume. Trotzdem ist die Rechtlage klar: Jeder Grundbesitzer hat alle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit von seinem Grundstück keine Gefahren ausgehen. 

Eigentümer müssen Gefahren abwehren

Die Rechtsprechung hat für solche Schadensereignisse analog die „Bauwerkehaftung“ (§ 1319 ABGB) herangezogen. Diese verpflichtet den Besitzer, alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt anzuwenden. Juristen sprechen hier von „Verkehrssicherungspflicht“. Darunter versteht man die Pflicht zur Absicherung von ­Gefahrenquellen. 

Gefahren beim Baum

Bei Bäumen liegt der Grund der verschärften Haftung nach § 1319 ABGB darin, dass die erhöhte Gefährlichkeit auf einem Mangel beruht. Eine mangelnde Beschaffenheit liegt dann vor, wenn von dem Baum eine besondere Gefahr ausgeht. Diese kann infolge einer mechanischen Verletzung des Baumes oder einer Krankheit bestehen.

Angstschnitte vermeiden

Geht es nach dem Regierungsprogramm, sollen künftig Bäume vor Angstschnitten geschützt werden. Eine geplante Gesetzes­änderung (ein neuer § 1319b ABGB) soll Haftungserleichterungen für Baumhalter – insbesondere auch bei der ­Beweislast – vorsehen. Denn oft werden Bäume vorsorglich gefällt, weil Eigentümer die Haftung für herabfallende Äste fürchten. 

Aber welche Sorgfalt ist anzuwenden?

Bei der Beur­teilung des jeweils erforderlichen ­Sorgfaltsmaßstabes spielen eine bedeutende Rolle:

  • die Größe der Gefahr, 
  • die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, aber auch 
  • die Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit .

Fichten stürzen auf Auto

Der Oberste ­Gerichtshof (OGH) befasste sich wiederholt mit Fällen, in denen es nach Ent­fernung des Windschutzes zum Um­stürzen von Bäumen kam: So wurde der ­Eigentümer einer kleinen Wald­fläche, die mit flachwurzelnden 70- bis 80-jährigen Fichten bestanden war, zum ­Schadenersatz verurteilt. Der Sturm hatte einen dieser Bäume durch einen Sturm entwurzelt, war auf die angrenzende Straße gestürzt und hatte einen PKW beschädigt. 

Fichten ohne Windschutz

Der Nachbar hatte vier Jahre zuvor seinen Waldbestand geschlägert und dadurch den Fichten des Beklagten den Windmantel genommen. Der OGH führte dazu aus, dass der Beklagte ­ohne Weiteres habe erkennen können, dass sein ungeschützter kleiner Waldbestand durch Windbruch eine Gefahr für den Straßenverkehr ­darstellen könne. Spätestens bei den Schlägerungsarbeiten des Nachbarn hätten ihm Bedenken kommen müssen, zumal er in einem weiteren Waldstück bereits leichte Windschäden beobachtet habe. 

Das könnte auch ein Laie erkennen

In einem anderen Fall wurde dem Klagebegehren eines durch einen rund 24 Meter hohen, bei starkem Westwind umstürzenden Baum schwer verletzten Fußgängers stattgegeben. Durch das Abtragen eines Gebäudes war der Baum seines Windschutzes beraubt und zudem sein Wurzelwerk bei Planierungs­arbeiten für einen Parkplatz beschädigt worden. 

Wurzeln beschädigt

Der OGH schloss daraus: Die äußeren Umstände – dass der umgestürzte Baum ein Flachwurzler war, ein Alter von 100 bis 120 Jahren erreicht hatte, eine beachtliche Höhe aufwies und zudem nach Schaffung einer freien Lage dem Wind ausgesetzt war – machten es selbst für Laien erkennbar, dass jede weitere Beeinträchtigung der natürlichen Verankerung des Wurzelwerks gefahrenerhöhend sein werde.

Efeu und Wilder Wein auf der Mauer

Gemäß § 364 Abs. 2 ABGB können sogenannte unmittelbare Zu­leitungen unter allen Umständen vom Nachbarn abgewehrt werden, wenn dafür kein besonderer Rechtstitel vorliegt. Die unmittelbare Zuleitung ist als ­Gegensatz zum mittelbaren Eindringen von Immissionen zu verstehen: Soweit der Eingriff unmittelbar – wie z. B. das auf das Nachbargrundstück gerichtete Regenabflussrohr – oder grobkörperlich ist, besteht keinerlei Duldungspflicht, weil dabei der Eigentümer das Nachbargrundstück quasi wie sein eigenes benutzt. Aus einem bloßen Naturwirken kann durch (bewusstes) Aufrechterhalten dieses Zustands eine unmittelbare Zuleitung werden. 

Wilden Wein und Efeu entfernen

Der OGH hat in den Fällen des Emporrankens einer Kletterpflanze an einer im Eigentum des Nachbarn stehenden Grenzmauer den Beseitigungsanspruch bejaht. Der Eigentümer der Mauer ist nicht nur befugt, den Störer von der Benutzung der Mauer auszuschließen und unberechtigte Eingriffe in sein ­Eigentumsrecht mit Klage geltend zu machen. Er ist auch befugt, vom Störer die ­Entfernung der Pflanze, von der der ­Bewuchs ausgeht, zu verlangen. Die Benutzung der Mauer durch das Emporranken der Kletterpflanze wertet das Gericht als eine unmittelbare Zuleitung im Sinne des § 364 Abs. 2 ABGB.

Äste ragen auf das Nachbargrundstück

Ähnlich der Streit wegen mehreren Laubbäumen, die mit ihrer Krone einige Meter auf das Grundstück der Klägerin ragten. 

Ast fällt in Nachbargrundstück

Von einer Stieleiche brach ein etwa 15 m langer Starkast ab und fiel auf das Grundstück der Klägerin. Dabei wurde eine Holzbetonziegelmauer zerstört. Ursache für den Astbruch war die Fäule des Baums. Aus Sicherheitsgründen wären dringende baumpflegerische Maßnahmen zu setzen gewesen, da von einigen Bäumen erhebliche Gefahr (Tot­holz) ausging. Der OGH dazu: „Wenn im vorliegenden Fall Äste (darunter auch Starkäste) von den auf den Grundstücken der Beklagten wachsenden Bäumen meterweit in das Grundstück der Klägerin hineinragen und dadurch eine Gefährdung für Personen und Sachen begründet wird, kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich ­dabei um unmittelbare Zuleitungen im Sinne der genannten Gesetzesstelle handelt, welche die Klägerin nicht zu dulden braucht.“ 

Verursacher tragen Kosten

Und: Einem durch Äste einer auf dem Nachbargrund stehenden Pflanze im Luftraum über seiner Liegenschaft gestörten Eigentümer sind Unterlassungsansprüche zur Behebung eines seine Güter konkret gefährdenden und deshalb rechtswidrigen Zustands nach § 364 ABGB – unter Überwälzung der gesamten notwendigen Kosten – zu ­gewähren. 

Selbsthilfe

Die Möglichkeit zur eigenmächtigen Beseitigung eines Überhangs (§ 422 ABGB) lässt den Anspruch auf Unterlassung unzulässiger negativer und positiver Immissionen durch Pflanzen auf dem Nachbargrund nach § 364 ABGB unberührt, wenn die Ausübung des Selbsthilferechts nicht leicht und einfach zu bewerkstelligen ist.

Wann ist es unzumutbar?

Grundsätzlich kann ein Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen (§ 364 ABGB). 

Neue Nachbarn müssen es dulden

Anderes gilt aber für neu hinzugekommene Nachbarn. Diese müssen sich mit der im Gebiet vorherrschenden Situation abfinden und können sich nicht gegen die Beschattung ihres seit jeher im Wald liegenden Bauwerks wehren. 

Wald um die Burg

Dazu folgender Fall: Die Klägerin hatte 2014 eine mittelalterliche Burganlage mitten im Wald erworben. Der Wald war zu diesem Zeitpunkt bereits jahrzehntelang teils bis an die Burgmauern heran­gewachsen. Die umstehenden Bäume waren schon beim Ankauf zwanzig Meter und mehr hoch. 

Hier gilt: Wer ein Grundstück samt Gebäude mitten im Wald ­erworben hat, kann nicht – gestützt auf § 364 ABGB – die Beseitigung des ­Waldes fordern. Der OGH erteilte auch der Ansicht der Burgherrin eine Absage, wonach sie nicht mit „unbegrenztem Wachstum“ der Bäume bis zur „maximalen Wuchshöhe“ habe rechnen müssen.

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