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Wursttheke beim Billa in der Linken Wienzeile in Wien
Wursttheke beim Billa in der Linken Wienzeile in Wien Bild: Fink/VKI

Der Cabanossigang

BLOG

Ein so ein Kas? Plastikfrei an der Wursttheke! Mein erster plastikfreier Einkauf an der Wursttheke eines Supermarkts im Burgenland. Eine Glosse.

I want to break free

Meine Kollegin Verena hat in ihrem jüngsten Blogbeitrag umfassend über ihren (heldenhaften oder aussichtslosen?) Versuch berichtet, plastikfrei in einem gewöhnlichen Supermarkt einzukaufen. Dabei schrieb sie über ihre Erfahrung an der Wurst- und Käsetheke: 

"Mein Vorschlag, man könnte ja den Käse/aufschnitt ohne Folienpapier in eine mitgebrachte Jausenbox verpacken, wird hier nicht angenommen. Man informiert mich über Hygiene-Vorschriften und verweist darauf, dass derzeit nur in 22 Filialen in Österreich testweise mitgebrachte Mehrwegboxen mit Wurst, Käse, Antipasti, etc. befüllt werden."

Oje, dachte ich beim Lesen, da war sie für ihren Versuch wohl sichtlich nicht bei SPAR, denn der zweitgrößte österreichische Lebensmitteleinzelhändler hat vor kurzem in einer Aussendung bekanntgegeben, dass man nun österreichweit in allen Filialen an der Wurst- und Käsetheke seine eigenen Behältnisse mitbringen könne. Selten noch, dass eine APA/OTS-Meldung so viel innerlichen Jubel in mir entfacht hat. 

Bikostl
Mein Biokistl Bild: Fink/VKI

Das musste ich daher als Gschaftlhuber im Nachhaltigkeitsbereich natürlich gleich persönlich testen. Schließlich habe ich meinen Verpackungsmüll zuhause um ein gutes Drittel dadurch reduziert, dass ich möglichst viel Lebensmittel über mein Biokistl bestelle. Da kommen Obst und Gemüse standardmäßig unverpackt daher. Da fühlt man sich automatisch als Weltverbesserer: Supermarkt gemieden, Bauern direkt unterstützt, regional-saisonale Bioware gekauft, Müll vermieden. (Anmerkung: Die Haltbarkeit der Produkte des Biokistls ist übrigens auch ohne Schrumpffolien und Plastikummantelung formidabel - das sei nur für jene angemerkt, die dem ewigen Killerargument des Lebensmitteleinzelhandels Glauben schenken, dass es infolge verminderter Produkthaltbarkeit nicht möglich wäre, Verpackungen zu reduzieren. Das ist in vielen (aber nicht allen!) Fällen Humbug und ich habe in einem anderen Blogbeitrag zum Thema Kunststoff bereits darauf verwiesen, dass dahinter womöglich auch (aber nicht nur!) etwas anderes steckt - banal ausgedrückt nämlich einfach Profitgier der Verpackungsindustrie). 

Der Gang nach Cabanossi

Einkauf bei Spar, Wursttheke
Die Wursttheke bei Spar Bild: Fink/VKI

Vergangenen Freitag war es endlich soweit: Ich habe die erste Hürde gemeistert und endlich einmal nicht, wie die Wochen zuvor, darauf vergessen meine Mehrwegboxen für den Einkauf zum Supermarkt auch mitzunehmen. Asche auf mein Haupt. Aber Schritt 1, notwendige Voraussetzung für den verpackungsfreien Wurstkauf, war somit geschafft. Wie? Indem ich bereits am Vorabend die dafür auserkorenen Jausenboxen auf die Kiste mit den leeren Pfandglasflaschen gelegt habe - auf die vergesse ich nie. Allerdings drangen kurz danach wilde Rufe meiner Frau aus dem Keller, was ihre Plastikdosen denn bitteschön dort zu suchen hätten. Uff. Aber mein Wille zur Nachhaltigkeit ist unbändig. Und nach kurzer Erklärung wurde mir denn auch die Absolution für mein Vorhaben ausgesprochen.

Am nächsten Morgen hieve ich die Kiste Mineral mit den beiden Behältnissen in meinen Lastenanhänger und radle zum Supermarkt meines Vertrauens (...dem einzigen, den es in meinem burgenländischen Dorf gibt...). Mit entschlossenem Schritt und kurzem Zwischenstopp bei der Leergutretourgabe pilgere ich schnurstracks zur Wurst- und Käsetheke.

Die Gefühlsregung, mit der ich dort auftrete respektive mit meiner Jausenbox in der Hand erscheine, kann ich nur als ein Gefühl des Triumphes bezeichnen. Mit seligem Blick lege ich meine Kunststoffbox auf die Vitrine. 

- Guten Morgen, zehn Deka Bio-Pariser bitte, gleich in die Box bitte.

Die Augen der mir unbekannten Verkäuferin sind weit aufgerissen, ihr Blick auf die gelbgiftig leuchtende Box gerichtet. Frohlockend fühle ich mich verpflichtet, sie aufzuklären: Ich habe letzte Woche gefragt, ob das hier auch geht, mit der eigenen Box zu kommen und mir wurde gesagt: ja.

- Aha. Tendenz ihrer Mundwinkel und Stirn: abwärts. Ihr ganzes Gesicht befindet sich auf Talfahrt. Im Sturzflug eigentlich. Händeringend sucht sie ihre Kollegin.

Die klärt sie auf, dass das nun wirklich möglich sei, dass man tatsächlich mit der eigenen Box kommen könne. Gerade, dass sie nicht sagt: antanzen. Mit diesen Worten zieht sie aus einer Lade ein Edelstahltablett mit zwei daran befestigten Griffen hervor (siehe Bild).

Sie erklärt ihr: "Der Kunde muss sein Schüsserl auf das Tablett stellen, du darfst es unter keinen Umständen berühren. Dann nimmst du das Tablett an den Griffen, stellst es auf die Waage, drückst auf Tara, stellst die Waage auf Null, schneidest die Wurst und legst sie mit der Gabel!, mit der Gabel hörst Du!, nicht mit den Händen!, in die Box des Kunden. Du darfst die Box niemals, NIEMALS! berühren! Nach dem Wiegen stellst du ihm das Tablett retour auf die Vitrine. Der Kunde muss sich die Box selber nehmen, sie selber verschließen. Dann gibst du ihm den Bon. Den pickt er selbst auf den Deckel."

Glückselig wohne ich dieser Erweckung bei. Seit Ende Juni ist es möglich mit der Box zu kommen, aber ich gehöre sichtlich zu den ersten, die diese Möglichkeit in dieser Filiale wahrnehmen. Ich fühle mich als Pionier. Als hätte ich einen Berg bezwungen. Und das im Burgenland. 

Die Verkäuferin entschuldigt sich bei mir, dass das so kompliziert sei und murmelt etwas von Hygieneregeln. Auf meinem Gesicht ist nur Wohlwollen zu sehen - auch wenn ich innerlich über die Hygieneregeln die Stirn runzle. Als wäre meine Box eine biochemische Waffe. Als würden die Verkäuferinnen nicht ohnehin andauernd die Wurst mit ihren bloßen Händen angreifen. Aber so ist das nunmal. Heutzutage. Ich denke an meine Kindheit in den frühen Neunzigern, wo es diese Regeln nicht gegeben hat und sich in Österreich die Zahl der Kindersterblichkeit und vorzeitigen Todesfälle infolge letaler Durchfall- und Infektionserkrankungen nach einem Einkauf meines Wissens nach auch ziemlich in Maßen gehalten hat. Aber sei's drum. Ich bin dreißig und das ist definitiv zu jung, um in "Früher war alles besser!"-Denkweisen zu verfallen. 

Eine österreichische Lösung?

Die ganze Prozedur hat in etwa drei Mal länger als sonst gedauert, doch erstens war das der Einschulung der Mitarbeiterin geschuldet und zweitens habe ich ja Zeit - schließlich geht es um nichts weniger Epochales als die Rettung des Planeten. Drittens lese ich während der Wartezeit einen Artikel über die Gletscherschmelze am Dachstein und denke mir: nur nicht hochmütig werden, es gibt noch genug zu tun, es ist nicht für die Fisch', für die Katz' oder wurscht, was wir tun oder nicht tun. Ganz im Gegenteil. Auch wenn Konsum die Probleme eher verursacht als löst, bin ich in diesem nur erhaben zu nennenden Moment des Wurstkaufs ein glücklicher Mensch und denke: Augenblick verweile doch, du bist so schön!

- Dann bis nächsten Freitag, sage ich und lächle. Der Blick der Verkäuferin: not amused.

Im Gehen bemerke ich, dass die Verkäuferin das Tablett in einen rückwärtigen Raum bringt. Ich frage mich entsetzt: Wird das jetzt jedes Mal gewaschen? Mit Desinfektionsspray besprüht und Einweg-Tüchern abgewischt? 

Ich ahne das Schlimmste: eine österreichische Lösung. Vorne Verpackung sparen, hinten Wischtücher verschwenden und ätzende Reinigungsmittel verwenden. Aber die Frage, was mit dem Tablett passiert, hebe ich mir für den nächsten Besuch auf. Die Damen von der Theke sollen sich ja schließlich an mich erinnern - und einen nachhaltigen Eindruck von mir haben!

Übrigens: Wir beim VKI haben uns die Plastikverpackungen in Supermärkten auch mal genauer angesehen. Für unseren Test erhoben wir den verpackten Anteil der Angebote von Äpfeln, Gurken, Karotten, Paprika und Tomaten in 58 Supermärkten.

Update 20.8.2019: Stellungnahme SPAR

Ich habe SPAR mit folgenden Fragen konfrontiert:

  1. Wie wird mit dem Tablett, auf das die mitgebrachte Box gestellt wird, nach abgeschlossenem Wurstverkauf verfahren? Wird dieses gewaschen, desinfiziert etc? Wie sieht diese Reinigung konkret aus?
  2. Besteht eine Möglichkeit das Papier, das teils zum Überbrücken des Weges von der Schneidmaschine zum auf der Waage stehenden Tablett verwendet wird, zu vermeiden - etwa indem das Tablett mit der Box direkt neben die Schneidmaschine gestellt wird

Die Antworten von SPAR im Auszug:

  •  das Tablett wird - genauso wie alle anderen Arbeitsmaterialien (Messer, Greifzangen, Schneidemaschine etc.) - zu Geschäftsschluss gereinigt - und bei Bedarf natürlich auch während des Betriebes, wenn das Tablett z.B. verunreinigt werden sollte
  • aus hygienischen Gründen gibt es keine andere Lösung für die Handhabung an der Schneidemaschine
  • der landesweiten Einführung der Merhwegboxen an der Theke wurden mehrmonatige Tests in ausgesuchten Filialen durchgeführt sowie Gespräche zu den strengen Hygienevorschriften mit den Ämtern geführt
  • der Arbeitsablauf wird in Zukunft - natürlich immer abgestimmt mit dem Marktämtern und immer im Hinblick auf die Einhaltung der hygienischen Vorgaben - weiter optimiert
  • es wird bei Mitnahme einer Mehrwegbox zumindest immer die Umverpackung bei Wurst,- Käse- und Fleisch eingespart
  • Papierbedarf besteht nur, wenn die Kundschaft Ware frisch aufgeschnitten haben möchte - vorgeschnittene Ware kann direkt in den Behälter gegeben werden, somit besteht auch kein Papierverbrauch
  • die Rückmeldungen aus den Kommentaren der User werden an die zuständige Abteilung weitergeleitet, damit diese in zukünftige Überlegungen mit einbezogen wird

Raphael Fink - Experte: Umweltzeichen
Mag. Raphael Fink - Experte: Umweltzeichen Bild: VKI

Im VKI-Blog schreibe ich über verschiedene Themen rund um Nachhaltigkeit. Außerdem betreue ich das Österreichische Umweltzeichen und bin Projektleiter des VKI Greenwashing-Checks. 

Raphael Fink, Nachhaltigkeitsexperte

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