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Kläranlage Sha Tin Hongkong Luftaufnahme
Abwasser gewinnt als alternative Quelle der Wasserversorgung immer mehr an Bedeutung. Bild: leungchopan / Shutterstock.com

Abwasser: Eine vernachlässigte Ressource

Der Süßwasserbedarf wächst weltweit, damit fallen auch immer größere Abwassermengen an – und diese werden zu mehr als 80 Prozent unbehandelt abgeleitet. Doch das Bewusstsein für Abwasser als wertvolle Ressource steigt – auch in Österreich.

Abwasser als Ressource

Die begrenzten Trinkwasservorkommen stehen durch übermäßige Entnahme, Verschmutzung und Klimawandel zunehmend unter Druck. Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben heute in Regionen, die mindestens einen Monat pro Jahr von Wasserknappheit betroffen sind. Etwa 500 Millionen Menschen ­leben in Gebieten, in denen der Wasserverbrauch die Menge der lokal verfügbaren erneuerbaren Wasserressourcen um das Doppelte übersteigt.

Abwasser gewinnt daher als alternative Quelle der Wasserversorgung immer mehr an Bedeutung. Abwasser ist längst nicht mehr bloß ein Entsorgungsproblem, sondern wird als Ressource zur Wasserrückgewinnung, für Energie, Nährstoffe sowie für die Ernährungs- und Energiesicherheit und den Klimaschutz erkannt.

Nachhaltige Entwicklung

Abwasser ist ein kritischer Teil des ­Wasserbewirtschaftungskreislaufs. Im Jahr 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen die ambitionierte „Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung“ mit 17 Nachhaltigkeitszielen. Darin wird Abwasser als wesentliches Gesellschafts- und Umweltproblem benannt, um die Ziele dieser Agenda 2030 zu ­erreichen.

Das Nachhaltigkeitsziel 6.3 lautet: „Bis 2030 die Wasser­qualität durch Verringerung der Verschmutzung, Beendigung des Einbringens und Minimierung der Freisetzung gefähr­licher Chemikalien und Stoffe, Hal­bierung des Anteils unbehandelten ­Abwassers und eine beträchtliche Steigerung der Wiederaufbereitung und gefahrlosen Wiederverwendung weltweit verbessern.“

Dieses Ziel ist von zentraler Bedeutung für die gesamte Agenda. Die Erreichung dieses Ziels entscheidet sich vor allem in den ärmeren Ländern.

Abwasser als Lösung

Weltweit wird der Großteil des kommunalen und industriellen Abwassers derzeit ohne nennenswerte Behandlung direkt in die Umwelt abgeleitet, insgesamt mehr als 80 Prozent des globalen Abwassers. Das schädigt die menschliche Gesundheit, die Wirtschaftskraft, die Qualität der natürlichen Süßwasservorkommen und die Ökosysteme.

UN-Wasserbericht

Der UN-Wasserbericht „Abwasser. Die ungenützte Ressource“ legte 2017 dar, dass Abwasser eine einfach verfügbare und wertvolle Ressource einer Kreislaufwirtschaft ist, die Wirtschaftsentwicklung mit dem Schutz natürlicher Ressourcen und mit ökologischer Nachhaltigkeit verknüpft.

Die zentrale Botschaft dieses UN-Weltwasserberichts ist die Notwendigkeit eines grundsätzlichen Paradigmenwechsels - Abwasser dürfe nicht länger als notwendiges Übel, sondern müsse als Teil der Lösung betrachtet werden.

Einfach verfügbare und wertvolle Ressource

So ist das Potenzial von Abwasser und Klärschlamm etwa für die Rückgewinnung von Stickstoff und Phosphor als wichtige Nährstoffe für das Pflanzenwachstum groß. Das kann auch neue Einnahmequellen für die Abwasserbehandlung erschließen und die Kostendeckung der Abwasserbehandlung erhöhen. Vor allem in armen Ländern, wo bisher wenig Abwasserbewirtschaftung stattfindet, ist das ­ungenutzte Potenzial hoch.

Die Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser in der Landwirtschaft stützt die Nahrungsmittelsicherheit und die Gesundheit von Mensch und Umwelt. In einigen Weltgegenden, wie etwa im Nahen Osten, in Nordafrika, in Australien, im Mittelmeerraum, in China, Mexiko und den USA, ist die Nutzung kommunalen Abwassers bereits weit verbreitet.

Anreize schaffen

Mithilfe finanzieller oder rechtlicher Anreize können die Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser und die Wertstoffrückgewinnung aus Abwasser attraktiver gemacht werden. Ein Beispiel wäre die verpflichtende Beimischung rückgewonnener Phosphate in Kunstdünger.

Investitionsvorteile der Abwasserwiederverwendung ergeben sich auch im Vergleich zu anderen Methoden, mit denen die Ver­fügbarkeit von Wasser erhöht wird, wie dem Bau von Staudämmen, Entsalzungsanlagen oder Leitungssystemen zwischen verschiedenen Wassereinzugsgebieten.

Mehr Aufklärungskampagnen, um Vertrauen zu schaffen

Wichtig ist bei wieder nutzbar gemachtem Abwasser, auch die gesellschaft­liche Akzeptanz und ihre Dynamik zu berücksichtigen. So sollte etwa durch zielgruppenspezifische Aufklärungskampagnen Vertrauen in die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Nutzung von gereinigtem Abwasser geschaffen werden. Bewusstseinsförderung und Bildung können soziale und kulturelle Barrieren abbauen und die Konsument:innen überzeugen. Um die öffentliche Akzeptanz zu erhöhen, sollte behandeltes Abwasser auch zu günstigeren Konditionen angeboten werden als Trinkwasser.

Insbesondere die Länder des Globalen Südens müssen in diesem Zusammenhang von den wohlhabenden Ländern des Nordens noch stärker in ihren Anstrengungen unterstützt werden, mehr Abwasser aufzubereiten und wieder­zuverwenden. Insbesondere kleine, ­dezentral organisierte Aufbereitungssysteme, die für die Bedürfnisse großstädtischer Slumsiedlungen und abgelegener ländlicher Regionen besonders geeignet sind, werden bisher noch viel zu selten eingesetzt.

Phosphorgewinnung

Von den weltweit abgebauten 190 Millionen Tonnen Roh-Phosphor pro Jahr werden 80 Prozent zu Dünger verar­beitet. Die mineralischen Phosphor­ressourcen als Basis für Pflanzendünger werden laut Prognosen in den nächsten Jahrzehnten knapp werden. Vor allem der hohe Fleischkonsum in den wohlhabenden Staaten treibt die Nachfrage nach Dünger für Futtermittel in die ­Höhe. Seit der Jahrtausendwende hat sich der Phosphorpreis pro Tonne auf 120 US-Dollar in etwa verdreifacht.

Die Phosphorvorkommen konzentrieren sich auf wenige Länder wie Brasilien, China, Marokko und Russland. Dies ­bedeutet auch unsichere Rahmenbedingungen, besonders für Europa. Die EU hat daher Rohphosphat im Jahr 2014 in die Liste der 20 „kritischen“ Rohstoffe aufgenommen. Hier bietet die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser eine realistische und wertvolle Alternative.

Nutzung in Österreich

Auch in hochentwickelten Ländern, die ihre Abwässer bereits weitgehend über Kläranlagen reinigen, wird Abwasser bzw. Klärschlamm noch kaum als Ressource genutzt. Etwa 1,8 Gramm Phosphor scheidet jeder Mensch pro Tag aus. Über die Toilette gelangt dieser in die Kläranlagen. Alle 632 Siedlungs­gebiete mit mindestens 2.000 Menschen in Österreich sind an eine Klär­anlage angeschlossen. In diesen wird der Phosphor, wie viele andere Stoffe, aus dem Abwasser herausgeholt und endet im Klärschlamm, der meist verbrannt und deponiert wird - mitsamt den kostbaren Nährstoffen.

In den kommunalen Kläranlagen, die diese Abwässer reinigen, ergibt sich österreichweit derzeit - bezogen auf den Zulauf - ein Entfernungsgrad von etwa 81 Prozent für Stickstoff und circa 91 Prozent für Phosphor. Doch eine Kreislaufwirtschaft, zum Beispiel in Form von Rückgewinnung von Phosphor, findet derzeit kaum statt. Dabei könnten bis zu 50 Prozent des in Österreich verwendeten ­mine­ra­lischen Phosphordüngers durch Phosphor aus Klärschlämmen ersetzt werden, wie im Lagebericht 2022 „Kommunales Abwasser“ zu lesen ist.

Rückgewinnung von Phosphor in Planung

Doch dieses Potenzial soll in den ­nächsten Jahren zunehmend genutzt werden. Gemäß dem Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2023 soll künftig verstärkt eine Verbrennung des kommu­nalen Klärschlamms und eine Rückgewinnung des Phosphors aus der Verbrennungsasche durchgeführt werden.

In Linz wurde im Jahr 2021 ein Großversuch mit mehreren hundert Tonnen Klärschlamm-Asche erfolgreich durchgeführt. Die Stadt Wien beschäftigt sich seit dem Jahr 2014 mit Verfahren für die Verwertung der Wiener Klärschlamm-Asche zur Rückgewinnung des darin enthaltenen Phosphors und anderer Wertstoffe. Diese soll für Phosphor in der Bundeshauptstadt bald in großem Stil umgesetzt werden.

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