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Wasserglas mit Trinkwasser steht auf Anrichte vor Spüle
Bild: Shutterstock/Mr Boiko Oleg

Wem gehört unser Trinkwasser?

Es ist bekannt für seine gute Qualität, seine Reserven sind reichlich: österreichisches Trinkwasser. Doch nicht nur die Bevölkerung profitiert davon. Unternehmen zapfen dieses Wasser gratis und verkaufen es. Wenig transparent ist, um wie viele Abfüller und um wie viel Wasser es sich in Summe dabei handelt.

„Ich wohne in Frankenmarkt, Oberösterreich, wo auch die Getränkeindustrie Starzinger ansässig ist, bekannt unter Markenbezeichnungen wie Frankenmarkter Mineralwasser, Schartner Bombe, Juvina“, schreibt ein Leser an die Redaktion des KONSUMENT, „und ebenso ‚Liquid Death‘, ein in Frankenmarkt in Aludosen abgefülltes Mineralwasser, welches in Amerika als ‚Sparkling Water from the Alps‘ vertrieben wird. Stutzig wurde ich, als ich den ­Medien entnommen habe, dass dieses Start-up aus den USA einen Firmenwert von 700 Mio. Euro aufweisen soll. 

Ich mache mir nicht nur Sorgen um den Ausverkauf des österreichischen Grundwassers durch private Unter­nehmen, sondern auch um das Grund­wasser in Frankenmarkt. Es ist nämlich vor Jahren während eines extrem trockenen Sommers schon vorgekommen, dass Brunnen versiegten und nachgebohrt werden mussten.“ Nun, die Dosen des Lifestyle-Produkts Liquid Death werden mittlerweile direkt in den USA befüllt und so Transportkosten gespart. 

Liquid Death in Dose in Weiß und Schwarz steht im US-amerikanischen Supermarkt in Regal
Bild: Shutterstock/Colleen Michaels

Doch der Handel mit Trinkwasser aus Österreich beunruhigt immer wieder die Gemüter und findet medialen Niederschlag, etwa wenn die Firma Alpine Water in Obertraun eine Trinkwasserabfüllanlage baut, basierend auf einem Pachtvertrag über 89 Jahre mit den ­Österreichischen Bundesforsten. Oder wenn eine geplante Betriebserweiterung der Firma Rauch in Vorarlberg heiß diskutiert und in einer Volksabstimmung auf Gemeindeebene abgelehnt wird. Rauch verfüllt mit Vorarlberger Grundwasser nicht nur Fruchtsäfte, sondern auch Red-Bull-Dosen, fast die Hälfte des Weltmarktbedarfs des ­Energydrinks.

Sturm im Wasserglas?

All diese Abfüller zapfen Trinkwasser in Österreich kostenlos. Findet hier ein Ausverkauf unseres Grundwassers statt, aus dem wir unseren Trinkwasserbedarf decken? Manfred Eisenhut, Leiter des Bereichs Wasser in der ÖVGW, dem Branchenverband der Wasserversorgungsunternehmen, beruhigt: „Die Studie Wasserschatz Österreich erhob 2021 den Bedarf für die Wasserversorgung der Haushalte in Österreich mit 753 Mio. m3 Grundwasser pro Jahr. Glaube ich der Homepage der Mineralwasserabfüller, so füllen die im Jahr 724.000 m3 in ­Flaschen ab – das ist nicht mal ein Promille.“ 

Auch Roman Neunteufel, Wasserexperte an der Universität für Boden­kultur in Wien und Autor der Wasserschatz-Studie, bestätigt: „Die Wasserentnahme in Form abgefüllter Flaschen ist in Summe marginal – im Vergleich zu den Mengen, die über Wasserleitungen entnommen werden.“ Also bloß ein Sturm im Wasserglas?

Dass die genannte Abfüllmenge der ­Mineralwasserabfüller als Vergleichsgröße wohl deutlich zu kurz greift, zeigt ein Blick nach Vorarlberg. Die Firma Rauch, einer der großen Wasserabfüller in Österreich, darf laut Bewilligung bis zu rund 190 Liter pro Sekunde bzw. 5 Mio. m3 im Jahr entnehmen. Das sei laut Amt der Vorarlberger Landesregierung im grundwasserreichen Walgau vertretbar, es könnten dort bis zu 2.830 Liter pro Sekunde zusätzlich entnommen werden, ohne die geltenden ökologischen Parameter zu gefährden. 

Wasserverbrauch in Österreich

Die Studie Wasserschatz Österreich ­ermittelte den trinkwasserrelevanten jährlichen Grundwasserbedarf in Österreich mit etwa 1,2 Mrd. m3. Davon ­entfallen, wie erwähnt, 753 Mio. m3 (61 Prozent) auf die Wasserversorgung der Bevölkerung, 353 Mio. m3 (29 Prozent) auf Industrie und Gewerbe und 118 Mio. m3 (10 Prozent) auf die Landwirtschaft. Aktuell wird kein Grund­wasserkörper in Österreich übernutzt. Die Studie prognostiziert aber, dass durch die Auswirkungen des Klima­wandels die verfügbaren Grundwasserressourcen in Österreich bis 2050 von derzeit 5,1 Mrd. m3 auf 3,9 Mrd. m3 ­abnehmen und sich gleichzeitig der Wasserbedarf durch Klimawandel und Bevölkerungszunahme um 11 bis 15 Prozent, in einigen Gemeinden sogar um bis zu 50 Prozent, erhöhen könnte. 

Droht eine Privatisierung?

Internationale Beispiele zeigen, welch verheerende Wirkung eine Privatisierung der Wasserversorgung für die Bevölkerung haben kann, wenn private Gewinninteressen ins Spiel kommen. Nicht zuletzt deshalb beschloss der ­österreichische Nationalrat 2019 in einem Bundesverfassungsgesetz: „Die Republik Österreich (Bund, Länder und ­Gemeinden) bekennt sich zur Wasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge und zu ihrer Verantwortung für die ­Sicherung deren Erbringung und Qualität, insbesondere dazu, das öffentliche Eigentum an der Trinkwasserversorgung und die Verfügungsgewalt darüber im Interesse von Wohl und Gesundheit der Bevölkerung in öffentlicher Hand zu erhalten.“

Wem es gehört

Laut österreichischem Wasserrechts­gesetz ist Oberflächenwasser wie in Seen und Flüssen meist sogenanntes öffentliches Gut. Grundwasser hingegen gehört den Eigentümer:innen des Grundstücks darüber und darf von diesen für den Eigenbedarf bewilligungsfrei genutzt werden. Möchte jemand das Grundwasser darüber hinaus nutzen, etwa für die Wasserversorgung der Bevölkerung, für Zwecke der Industrie oder Landwirtschaft, braucht es eine Bewilligung durch die Wasserrechtsbehörde. 

Das ist die Bezirksverwaltungsbehörde und bei größeren Wasserentnahmen der Landeshauptmann/die Landeshauptfrau. In dem Bewilligungsverfahren wird geprüft, ob die beantragte Wasserentnahme weder öffentlichen Interessen widerspricht noch die notwendige Wasserversorgung gefährdet. Ist das der Fall, ist die Bewilligung – befristet – zu erteilen. 

Wasserschlauch bei Blumenwiese, daneben ein Paragraphen-Symbol
Bild: Shutterstock/DesignRage

Laut Roman Neunteufel werden Wasserrechte heute typischerweise auf 25 Jahre erteilt, außer hohe Investitionskosten, wie etwa bei Kraftwerken, legen längere Befristungen nahe – dann sind bis zu 90 Jahre möglich. Bewilligte ­Wasserrechte werden ins öffentliche Wasserbuch eingetragen: mit Art des Wasserrechtes, der maximalen Ent­nahmemenge, der Dauer der Bewilligung etc. Das Wasserbuch jedes Bundeslandes enthält zigtausend Wasserrechte, von Grundwasserwärmepumpen, landwirtschaftlichen Brunnen, kommunaler Trinkwasserversorgung, Wasserkraftwerken und gewerblichen Abfüllbewilligungen. 

„Die Wasserrechtsbehörde schreibt heute in Bewilligungen auch schon rein, dass die Wasserent­nahme zugunsten der Trinkwasserversorgung eingestellt werden kann, also den Vorrang der Grundwassernutzung für das Trinkwasser“, berichtet Manfred Eisenhut. Sind öffentliche Interessen nicht hinreichend geschützt, so die Information des zuständigen Ministeriums, bestehe auch die Möglichkeit einer Bewilligungsabänderung (§ 21a WRG). 

Nicht nur eine Ressource

Wasser ist nicht nur eine Ressource, sondern vor allem auch Lebensraum – wie auch der Boden, erinnert Christoph Aigner von der Initiative Ludesch in ­Vorarlberg, die die Volksabstimmung gegen die Expansion der Firma Rauch initiierte. Es brauche in Österreich ein höheres Bewusstsein für Wasserpolitik, ähnlich wie es für Bodenpolitik und Bodenversiegelung bereits erreicht wurde.

Die Firma Rauch füllt in Vorarlberg und auch im nahen Widnau in der Schweiz ab. Aufgrund der Rechtslage kostet in Österreich das entnommene Wasser keinen Cent, in der Schweiz zahle Rauch dafür etwa eine Million Franken pro Jahr, so Christoph Aigner. Es sei nicht einzusehen, warum private Haushalte für Wasser bezahlen, während Indus­trieunternehmen mit Gratiswasser Geld verdienen. In anderen Ländern werde oft eine Kleinstgebühr pro Kubikmeter kassiert, bestätigt Roman Neunteufel. 

Manfred Eisenhut warnt: „Besteuern wir die Wasserentnahme, dann zahlen nicht nur private Wasserabfüllunternehmen, sondern auch kommunale Wasserversorger, landwirtschaftliche Betriebe und die Industrie – sonst ­würde das dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen. Und wir müssen damit rechnen, dass der Wasserpreis steigt.“ Eine öffentlich-rechtliche Gebührenordnung im Sinne von Art. 9 EU-Wasserrahmenrichtlinie könne sozial gerecht ausgestaltet werden, ist hingegen Christoph Aigner überzeugt, es bestehe auch ein grundlegender Unterschied zwischen industrieller Inwertsetzung von Grundwasser und privatem Verbrauch. 

Es erstaunt, dass es kein zentrales Verzeichnis abfüllender Betriebe und deren gratis entnommener Grundwassermengen gibt. Das Wasserbuch leistet das nicht – während hingegen jeder Haushalt per Wasserzähler seinen Wasserverbrauch penibel und transparent abrechnet und dafür auch bezahlt.

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Bild: Sergey Zaykov/Shutterstock.com

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