„Online-Coachings scheinen die neuen Gelddruckmaschinen zu sein. Sie versprechen den Schlüssel zum Erfolg – Online-Shops, passives Einkommen, Mindset ändern … Viele zahlen ein, wenige freuen sich. Wer zu uns kommt, ist frustriert, ärmer und berichtet: Coachings bestehen im Wesentlichen aus einer Sammlung von voraufgezeichneten Videos und Live-Calls plus Binsenweisheiten. Diese Angebote sind sauteuer und bringen nichts.“
Online-Coaches: "Nimms einfach in Dein Herz"
„Es ist nur noch ein Platz verfügbar. Du musst dich jetzt entscheiden.“ Online-Coaches verdienen viel an ihren Kund:innen. Sind die Methoden legal?
Frauen als neue Zielgruppe für Online-Coaches
Diese Zeilen veröffentlichten wir im März 2023 auf konsument.at. Lesen Sie den Artikel "Online-Coaching: wenig Arbeit, viel Geld". Wir sind wegen dieses Berichtes geklagt worden. Der Prozess läuft. Die Coaching-Geldwelle rollt aber weiter und die Sozialen Medien sind voll mit diesen Angeboten. Offenbar sind nun Frauen die neue Zielgruppe für Online-Coaches. Etwa Frau S.: Ihr wurden im Coaching, so berichtet sie, „Lichtcodes übertragen“. Gleichzeitig soll die Ausbildung sie befähigen, dass sie solche Lichtcodes an andere Menschen überträgt. Das sei der „Beruf der neuen Zeit“. Mit dem könne man fünf- und sechsstellig verdienen.
41.000 Euro für ein einjähriges Coaching
Oder Frau K.: Sie hat um 41.000 Euro ein einjähriges Coaching bei Kat Korch gebucht. Ursprünglich soll der Kurs 35.000 Euro kosten. Aber mit jedem Tag Zuwarten wird er um 1.000 Euro teurer. K.: „Ich hatte das Geld nicht. Sie hat es geschafft, es so zu pushen, dass ich bereit war, einen Kredit dafür aufzunehmen.“
Yachten, Reisen, Sportwägen
Mag. Reinhold Schranz leitet das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) und kennt die Menschen, die bei uns Hilfe suchen: „Problematisch ist“, sagt er, „dass die Coaches mit dem Image des Erfolgs werben. Als vermeintliche Millionäre – mit Fotos von Yachten, teuren Reisen, Sportwägen. Sie vermitteln: Ich habe es geschafft und du kannst es auch schaffen. Aber dazu benötigst du meine Business-Geheimnisse.“
Coaches werden zu Vorbildern
Konsumenten werden von deren Erfolg geblendet. Coaches werden zu Vorbildern, die man nachahmt und wo man mit wenig Aufwand viel Geld verdienen will. In Österreich muss man eine Berechtigung vorweisen, um sich Coach nennen zu dürfen. In anderen Ländern, etwa in Deutschland, gibt es dazu keine Regulierung.
"Dem Impuls sofort folgen"
In einem ATV-Interview berichtet Frau K. von ihren Erfahrungen beim Online-Coaching: „Es geht ums Springen. Man muss seinem Impuls sofort folgen.“ Die Botschaft lautet: Sobald wir dem Impuls nicht mehr folgen, schneiden wir uns ab: vom Erfolg, vom Geld, von der Weiblichkeit, von allem Möglichen. Also müssen wir das sofort machen.“
Springen, ohne zu denken
Springen bedeutet: Teilnehmerinnen sollen nicht nachdenken, ob sie sich den Folgekurs leisten können. Sie kosten 50.000, 100.000, 550.000 Euro. Einsteiger-Angebote sind etwas billiger. Ein Versprechen lautet: „Millionaire Mastery“: Experience the revolutionary feminine way of turning a $100.000 – $300.000 income into a million, in 3 month or less.“ Die eigentliche Leistung, etwa am Beispiel von Kat Korch, lässt sich schwer in Worte fassen.
Ermutigung, Ritual, Atemübung, Energetik
Wir haben eine Live-Videokonferenz angesehen. Dieser „ Abundance Intensive Call 1“ (abundance bedeutet „Fülle“) ist eine Mischung aus Ermutigung, Ritual, Atemübung, Energetik, esoterisch-spiritueller Öffnung, ist Business-Lyrik in altchristlicher Gebetshaltung – also Hände in Höhe des Kopfes, Handflächen nach oben, Augen nach innen.
Seelendownload
Kat Korch bietet darin einen „Seelendownload“: „Die nächste Million hatte ich, weil ich diesem Impuls gefolgt bin. (…) Ihr müsst den Impulsen sofort folgen. Sofort. Frauen in meinen Kursen haben ihre Million in sechs Wochen, in vier Wochen. (…) 800.000. Direktzahlung. In zwölf Wochen. Nimm’s einfach in dein Herz.“
Oder: „Ich habe noch eine große Goddess. Sie hat 29 Frauen in ihrer großen Mastermind. Tank das mal – im Premium-Programm. Mit und durch diese Mastery Tools. Durch die Seele. (Hände knapp über dem Kopf. – ausatmen, hörbar) Jaaa, seeeehr gut. Euer Programm downloaded sich. Ich spür‘s.“
"Volle Verantwortung für ihren eigenen Erfolg“
Wer sich darauf nicht einschwingt, schwingt bald wieder raus. Funktioniert das Coaching nicht, liegt es an den Teilnehmer:innen. Kat Korch‘ Seminarvertrag hält fest: „Sie übernehmen volle Verantwortung für ihren eigenen Erfolg.“
Keine Veränderung gezeigt
Frau S.: Bei mir hat sich keine Veränderung gezeigt. Ich möge weitere Sessions buchen. „Das hat natürlich alles Geld gekostet. Wenn jemand Bedenken zu den ganzen Techniken geäußert hat, dann wurden diese Menschen sofort live in der Facebook-Gruppe bloßgestellt und beschimpft.“ Schranz: „Da wird versucht, ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen. Und dann geht es meines Erachtens fast schon in sektenähnliches Verhalten.“
„Klick hier, steh auf, komm rein!“
Die Coaches sind jung, smart, vital. Die Sprüche hart, kurz, deftig. Männer machen auf Macho, Frauen auf edle Business-Lady. Meist läuft die alte Platte „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ und die Keiler beschimpfen die Normalbevölkerung als Low-Performer, also Leute, die wenig leisten. Fast immer geht es „einfach“ oder „easy“. Und der Aufwand? „Wenig Zeit, wenig Arbeit, viel Geld“. Man muss nur das „Mindset ändern“ oder in die Gruppe kommen – am besten beides.
Vertrag mit Digistore oder Copecart
„Klick hier, steh auf, komm rein!“ Wer klickt, schließt den Vertrag meist mit Digistore oder Copecart ab. Im Verkaufsgespräch erfährt man, dass man den Preis später wieder reinbekommt. „Du musst dich JETZT entscheiden. Ich habe vier Leute in der Leitung!“ Hat man abgeschlossen, ist es schwer, aus solchen Verträgen wieder raus- und sein Geld zurückzubekommen.
Stephy Beck und Digistore24
März 2022: Eine Facebook-Anzeige macht Franziska S. (Name geändert, Red.) auf Stephy Beck aufmerksam. Beck bewirbt ein Coaching zum Aufbau eines eigenen Business: Innerhalb weniger Wochen soll man 5.000 bis 10.000 Euro pro Monat verdienen. Franziska telefoniert mit einer Assistentin, erhält einen Buchungslink und kauft das Programm „Becoming Millionär Circle“ über die Digistore24 GmbH. Preis: 1.111 Euro. Der wöchentliche Zoom-Call mit Stephy Beck findet unregelmäßig statt.
Ein Kunde, zwei Partner
Juli 2022: Franziska bewirbt sich für das Programm „Certified Femenergy Coach Ausbildung“. Das Bewerbungsgespräch kostet 33 Euro. Sie erhält den Link zum Kauf der Ausbildung (3.960 Euro). Wieder läuft der Abschluss über Digistore24 (checkout-ds24.com). Stephy Beck gewinnt also die Kundinnen und mit Digistore schließt man den Vertrag ab.
Aus Facebook-Gruppe gesperrt
Werden die versprochenen Leistungen erbracht – etwa bei der Unterstützung zum Aufbau des eigenen Business? Die Teilnehmerin erhält einen Fragebogen, aber keine konkrete Hilfe von Stephy Beck & Team. Die Veranstaltung „Fem Energy Ladies Night“ zur Kundengewinnung wird zugesagt, aber nach einigen Monaten nicht mehr abgehalten. Die Verbraucherin kontaktiert ihre Rechtschutzversicherung. Die sendet ein Interventionsschreiben. Daraufhin wird Franziska aus der Facebook-Gruppe gesperrt. Sie hat, so berichtet sie uns, für Leistungen bezahlt, ohne sie zu erhalten. Wir intervenieren. Digistore lehnt die Rückzahlung ab. Rücktritt sei nicht möglich.
Dark Patterns: künstliche Rabatte, keine Bedenkzeit
Drei Fälle, zwei Anbieter, eine Branche. – Reinhold Schranz: „Wir sehen hier immer wieder manipulative Praktiken, sogenannte Dark Patterns. Da sind künstliche Rabatte, keine Bedenkzeit, vorgetäuschte Limitierung. ,Es ist nur noch ein Platz verfügbar. Du musst dich jetzt entscheiden.’“ Analysieren wir die Fälle von Coaching- Geschädigten, dann orten wir wiederholt Irreführung und Täuschung. In einzelnen Fällen sehen wir Wucher und Sittenwidrigkeit.
Wichtig sind die Teilnehmer, die man rekrutiert
Der Inhalt der Coaching-Leistung ist eher zweitrangig und meist nicht sehr wertvoll. Ganz wichtig ist aber die Zahl der Teilnehmer, die man rekrutiert. Über sie verdient man das große Geld. Insofern gibt es Hinweise auf ein unzulässiges Schneeball- oder Pyramidensystem. Im Fall von Kat Korch – es gilt die Unschuldsvermutung – sehen wir auch den Verdacht auf schweren Betrug.
"41.000 Euro sind angemessen"
Der Anwalt von Kat Korch widerspricht: „Unsere Mandantin hat Frau K. zu keinem Zeitpunkt über den Vertragsinhalt und die Leistungen getäuscht. Auch wurde sie weder zum Vertragsabschluss gedrängt noch in sonstiger Weise manipuliert.“ „Es wurden weder manipulative ‚Closing-Techniken‘ angewandt noch sonstige Manipulationen vorgenommen.“ 41.000 Euro seien angemessen und kein Wucher. Frau K., so schreibt der Anwalt, unterliege auch nicht dem Schutz des Konsumentenrechts, weil sie Unternehmerin sei.
Und am Ende des Anwaltsbriefes erscheinen drohend die dunklen Reiter mit dem Flammenschwert: „Rufschädigung“, „üble Nachrede“, „Verleumdung“, „versuchte Erpressung“.
Wir sehen die Rechtslage anders. Laufend kontaktieren uns neue Coaching-Geschädigte.
„Bekommen Sie auf Ihre Fragen Antwort?“
Mag.a Nadya Böhsner arbeitet in unserer Rechtsabteilung, kennt Fälle und unsere Klagen gegen Copecart und Digistore. Sie rät: „Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Bekommen Sie auf Ihre Fragen seriöse Antworten? Weicht Ihr Gegenüber aus, dann Vorsicht. - Wir klären anhand von Musterprozessen die rechtliche Zulässigkeit.“
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