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Magnet zieht Menschen an
Hoffnungen erzeugt und viel versprochen Bild: Dilen/Shutterstock

Walter Temmer: Domainhandel mit Copecart GmbH

, aktualisiert am

Viel Geld in kurzer Zeit: „Du musst schon ein Trottel sein, wenn du dir monatlich nicht 4000 Euro dazu verdienst.“ Mitgemacht, reingefallen, ausgestiegen - wir konnten helfen.

Corona macht vielen Angst. Behalte ich meinen Job? Wie bezahle ich meine Rechnungen? Dann die andere Welt: Heisse Autos, edler Lifestyle, Erfolg trotz Widrigkeiten. Karl Reichart lernt Walter Temmer auf YouTube kennen. In einem Werbespot erzählte Temmer über seinen Werdegang – vom schlechtesten Schüler zum Millionär. Reichart hingegen wurde durch Covid19 arbeitslos. Was tun? - Domains handeln, ein einfaches Geschäft.

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AKTUALISIERUNG: Walter Temmer hat inzwischen das Geschäftsmodell des Coachings für den Domainhandel eingestellt. Unsere Rechtsabteilung hat gegen Copecart ein Europäisches Mahnverfahren für einen geschädigten Temmer-Kunden aus Österreich beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien eingebracht. Copecart hat dem Geschädigten 3.848 Euro plus Zinsen zurückgezahlt. Die Arbeiterkammer Steiermark führt Prozesse gegen Copecart. Sie sind aber noch nicht abgeschlossen.

Die Abzocke durch Online-Coachings geht weiter. Lesen Sie Online-Coaching: „wenig Arbeit, viel Geld“ (3/2023)

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Bewerbungsgespräch für Masterclass

Reichart absolviert im September 2021 eine Art Bewerbungsgespräch mit Frau Jaqueline. „Die Zugänge zur Masterclass sind begrenzt“, sagt sie. „Es kann nicht jeder so eine Chance bekommen, um diese wertvollen Informationen zum Domainhandel zu erhalten.“ Reichert besteht das Bewerbungsgespräch und wird weitergereicht, diesmal zu Roland, einem sogenannten Closer (ein Verkaufsagent). 

Domainhandel - ein einfaches Geschäft

Roland informiert, dass der Domainhandel ein sehr einfaches Geschäft sei. Reichart könne nebenberuflich eine hohe Summe dazuverdienen, müsse sich aber entscheiden, da noch weitere Kunden warten würden. Es gibt keine Bedenkzeit.

Zustimmung unter Zeitdruck

Reichart stimmt unter Zeitdruck zu, erhält vom Closer einen Link der zur Bestellmaske für die Dienstleistung „Masterclass – Geld verdienen mit Domains“ (3497 Euro) führt. Sie füllen die Bestellmaske gemeinsam aus. Enter-Taste drücken, abschließen, starten.

Neuer Tag, neue Videos

Reichart stellt fest, dass noch mehr Kosten auf ihn zukommen, von denen nicht die Rede war. Er erhält Videos und Tipps. Aber die Videos haben keinen Mehrwert. Es läuft darauf hinaus, in Google Maps einen Ort auszuwählen und in die Suche eine Berufsbezeichnung einzugeben. Ist die Zahl der Treffer in diesem Ort groß genug, nachsehen, wie viele Unternehmer dieser Berufsgruppe auch eine Homepage haben und im Impressum nachsehen, wer der Firmeninhaber oder Geschäftsführer ist. Dann Briefe schreiben, abschicken.

„Du musst schon“, hatte es geheißen, „ein Trottel sein, wenn du dir monatlich nicht 4000 Euro dazuverdienst.“

Vertrag widerrufen

Reichart widerruft den Vertrag. Vertragspartner ist die Firma Copecart GmbH, die für die Vertrags- und Zahlungsabwicklung zuständig ist. Copecart verweigerte den Widerruf, denn der Kunde habe auf das Widerrufsrecht bei der Anmeldung verzichtet. Die Commerz Inkasso fordert 4070,13 Euro.

Wir bekommen Hunderte Beschwerden

Wir verzeichnen – Stand April 2022 - etwa 300 einschlägige Anfragen und verfolgen 80 Interventionen. Von denen, die sich bei uns melden, hat keiner die versprochenen Beträge erzielt.

Rechtlich sehen wir:

  • falsche Infos über den Widerruf
  • kein dauerhafter Datenträger
  • keine doppelte Bestätigung
  • Irreführung
  • Wucher

Wir sagen: Der Vertrag ist ungültig.

Gemeinsam mit dem Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland intervenierten wir. Das Unternehmen verzichtete in Reicharts Fall auf die Forderung und hat das Inkassoverfahren eingestellt.

Unsere rechtliche Einschätzung

Wir haben die bei uns eingehenden Beschwerden geprüft und sind der Ansicht, dass Konsumenten diese Online-Coaching-Verträge aus folgenden Gründen anfechten können:

Off-buyer-link: Der Vertrag wurde per Videocall und einen Off-buyer-link abgeschlossen „Off buyer link“ bedeutet, dass nicht der Konsument selbst auf die Webseite von Copecart geht und das Produkt „Masterclass Domainhandel“ in den Warenkorb gibt. Der Vertragsabschluss erfolgt über einen Verkaufsagenten per Videokonferenz, der dann einen eigenen Link für den Konsumenten über Copecart generiert. Nur über diesen Link kann dann die Masterclass gekauft werden. In der Regel füllt auch der Agent für den Konsumenten die Bestellmaske aus und klickt auf „Bestellen“.

Dauerhafter Datenträger: Gemäß § 9 Abs. 2 des Fern- und Auswärtsgeschäftegesetzes muss der Verkäufer in diesem Fall dem Konsumenten das Vertragsangebot auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung stellen (z.B. E-Mail). Dieses Vertragsangebot muss mit dem Angebot in der Videokonferenz ident sein. Damit der Vertrag gültig ist, muss der Konsument dem Angebot auf einem dauerhaften Datenträger per E-Mail zustimmen; das ist die sogenannt Doppelbestätigungspflicht. Der österreichische und europäische Gesetzgeber hat diese Pflicht eingeführt, um Konsumenten vor Überrumpelung zu schützen. Kundinnen und Kunden sollen Bedenkzeit bekommen, um dem Angebot überlegt zustimmen zu können.

Widerrufsrecht: Weiters hielt die Copecart GmbH die Vorgaben zum Erlöschen des Widerrufsrechts bei einer digitalen Dienstleistung nicht ein. Der Vertrag enthielt auch Zugang zu einer Facebook-Gruppe, laufende Live- und Gruppencoachings. Bei solchen Verträgen über Dienstleistungen kann das gesetzliche Rücktrittsrecht erst am Ende der Dienstleistung erlöschen. Wenn aber ein Vertrag über ein 12-Monats-Coaching geschlossen wurde, kann der Kunde in den Monaten davor zurücktreten.

Preis/Wucher: Auch der Preis war viel zu hoch. Wir gehen auch – so der juristische Fachbegriff - von einer Verkürzung über die Hälfte des Wertes (§ 934 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch - ABGB) und von  Wucher (gemäß § 879 Abs. 2/4 ABGB) aus. Der objektive Wert der Domain-Masterclass entspricht bei weitem nicht dem bezahlten Kaufpreis.

Irreführung: Wir gehen auch von einer Irreführung (§ 871 ABGB) aus. Dieser wesentliche Geschäftsirrtum wird vor allem von den Coaches veranlasst. Sie versprechen Konsumenten hohe monatliche Nebeneinkünfte - O-Ton eines Coaches: „Du musst schon ein Trottel sein, wenn du dir monatlich nicht 4000 Euro dazu verdienst.“ Uns liegen unzählige Beschwerdefällen vor, die alle bestätigen, dass solche Einkünfte nachweislich nicht erzielt wurden. Konsumenten werden hier mit unlauteren Methoden zu Vertragsabschlüssen gedrängt. Die Methode wirkt nicht, und die versprochenen Einnahmen bleiben aus.

Zitate: Walter und Susi Temmer im Interview

In einem TV-Interview vom 31.8.2021 auf YouTube heißt es:

"Viele schämen sich, wenn sie viel Geld haben. Wir nicht."

"Wir zeigen jenen, die wegen Corona Angst haben in Kurzarbeit gehen zu müssen, wie sie ein seriöses, langfristiges, sicheres zweites Standbein aufbauen können."

"Wenn man sich´s erarbeitet, also nicht gestohlen hat, nicht auf Kosten anderer oder unseriös verdient hat, darf man sich auch an dem erfreuen, was man hat."

"Es geht drum Domains ganz günstig ein- und dann zu verkaufen. Das funktioniert für viele sehr gut."

Betreut hat den Fall

Portrait von Mag. Reinhold Schranz - Berater beim VKI
Mag. Reinhold Schranz - Berater beim VKI Bild: Romsdorfer/VKI

... unser Berater Mag. Reinhold Schranz.

Sollten Sie ein vergleichbares Problem haben, wenden Sie sich bitte an unsere VKI-Beratung.

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