Zum Inhalt

Menschen applaudieren einem Vortragenden bzw. Coach
Die Coaching-Szene gerät unter Druck: Ein Urteil und ein Bescheid stärken die Stellung der Konsument:innen Bild: Iuliia/Stock.adobe/KI

Coaching: Urteil und Bescheid - Vertrag nichtig. Geld zurück?

Viel zu viel Geld für fragwürdige Inhalte. Ein deutsches Urteil und ein deutscher Behördenbescheid zum Coaching können Verbesserungen für Konsument:innen bringen. Ein Zwischenbericht. 

Oben der Hammer der Behörde, unten der Amboss des Gerichts und mittendrin die Coaching-Szene. In Deutschland gibt es jetzt zwei Entscheidungen, die nach Österreich wirken. Das eine ist ein Urteil des Bundegerichtshof (BGH), das deutsche Höchstgericht. Das andere ist ein Bescheid des deutschen Umweltbundesamtes (UBA). 

Urteil fordert Zertifizierung

Am 12.Juni 2025 hat der BGH ein wichtiges Urteil erlassen: Wer digital im Fernunterricht Bildung anbietet, muss die Fernlehrgänge bei der staatlichen Stelle für Fernunterricht in Köln zertifizieren, also bestimmte Qualitätsstandards gesichert einhalten. Das trifft viele Anbieter in der Coaching-Szene ganz besonders; sie haben häufig keine Zertifizierung und müssen mit Honorar-Rückforderungen rechnen. Außerdem sagt das Urteil: Das deutsche Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) gilt nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Unternehmer. Auch das verbessert die rechtliche Lage von Konsument:innen.

Bescheid gegen Copecart: Nicht nach Österreich verkaufen

Nahezu zeitgleich mit diesem Urteil ist eine deutsche Behörde, das Umweltbundesamt, gegen unlautere Geschäftspraktiken der Verkaufsplattform Copecart vorgegangen. Mit Erfolg. Der Anstoß und viel Vorarbeit kamen von unserem Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ). Mit Bescheid vom 4. Juni 2025 hat die Behörde dem Unternehmen untersagt, gegenüber Verbraucher:innen aus Österreich Fernlehrgänge anzubieten, die nicht ordnungsgemäß zugelassen sind. 

Der Bescheid ist rechtskräftig. Verstößt Copecart dagegen, kann das, so das UBA, „ein Zwangsgeld von bis zu 250.000 Euro für jeden Einzelfall sowie möglicherweise weitere Geldbußen“ kosten.

Magnet zieht Menschen an
Hoffnungen erzeugt und viel versprochen Bild: Dilen/Shutterstock

Rückblick: viele fühlen sich betrogen

Seit Jahren erreichen uns Beschwerden von Konsument:innen. Sie alle haben viel Geld an Coaches verloren und fühlen sich betrogen. Wir haben berichtet, waren erfolgreich und wurden deswegen geklagt. Lesen Sie:

Über 1000 Beschwerden

Allein unserem EVZ liegen – Stand Oktober 2025 - eine Liste von 74 Coaching-Anbietern vor, die Betroffene an uns gemeldet haben. Die Zahl der Beschwerdefälle beträgt seit Anfang 2022 etwa 1100. In jedem einzelnen Fall geht es um viele Tausend Euro. Fast alle dieser Coaches sitzen im Ausland. Eine Vielzahl der Beschwerden betreffen die Plattform Copecart.

Dreiecksverhältnis wie in der Liebe

Es ist ein Dreiecksverhältnis und es ist wie in der Liebe: zwei kuscheln und einer weint. Da sind die Coaches – von sich überzeugte Persönlichkeiten, die Großes versprechen: Bei mir lernst du, wie du mit wenig Einsatz viel Geld verdienst! Du musst „dein Mindset ändern“ und du musst investieren! Ihnen engstens verbunden sind die Vermittlungsplattformen, allen voran Copecart und Digistore24. Sie verkaufen diese Coachings an die Endkunden und verdienen gut an der Provision. Die Dritten sind die Kund:innen. Sie zahlen viele Tausend Euro für diese Angebote, die oft das Geld nicht wert sind. – Wir haben mit Reinhold Schranz, Leiter des EVZ gesprochen.

"Warnmeldung an deutsche Behörde"

Portrait von Mag. Reinhold Schranz - Berater beim VKI
Mag. Reinhold Schranz ist Leiter des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ) Bild: Romsdorfer/VKI

Konsument.at: Wir kam es zu dem Bescheid des deutschen Umweltbundesamtes?

Reinhold Schranz: „Wir vom Europäischen Verbraucherzentrum Österreich sind eine externe Warnstelle im Netzwerk der Verbraucherbehörden – die Consumer Protection Cooperation (CPC). Wegen der vielen Beschwerden über die Plattform Copecart haben wir eine Warnmeldung an die zuständigen österreichischen Behörden übermittelt. 

Das sind der Bundeskartellanwalt und das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. Die wieder haben an die deutsche Behörde, das Umweltbundesamt (UBA), ein sogenanntes Durchsetzungsersuchen gestellt.“

Und wie ging es dann weiter?

Schranz: „Das UBA hat gegen Copecart einen Bescheid erlassen. Der untersagt Copecart Coachings an österreichische Verbraucher zu verkaufen, wenn diese Fernlehrgänge nicht bei der der staatlichen Stelle für Fernunterricht in Deutschland zugelassen sind. Das hat bahnbrechende Wirkung. Es ist davon auszugehen, dass viele Coaches Fernlehrgänge online verkaufen, die nicht ordnungsgemäß zugelassen sind. Fehlt die Zulassung, sind die Coachingverträge nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) ungültig.“

Mann tippt am Notebook. Im Vordergrund eine Checklist und das Wort "Zertifikat"
Anbieter von Fernlehrgängen müssen zertifiziert sein. Viele dubiose Coaches sind es nicht Bild: Moeen/stock.adobe/KI

Coaches schwer unter Druck

Die Coaches sind zusätzlich durch das deutsche Höchstgericht schwer unter Druck geraten. Das Urteil des BGH in Kurzfassung: Der Kunde bucht das Programm „9-Monats-Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness“. Preis: 47.000 Euro. In dem Mentoring-Programm sollte sich der Teilnehmer "unternehmerische Fähigkeiten aneignen". Nach einigen Wochen kündigt der Teilnehmer „wegen arglistiger Täuschung“. Es geht ums Geld. Das Höchstgericht urteilt für den Kunden. Der Fernlehrgang habe keine Zulassung. Der Vertrag sei nichtig. Geld zurück.

„Wirtschaftsfreundliche Reform“

Mit diesem Urteil im Rücken werben zunehmend deutsche Anwälte auf YouTube und TikTok. Sie wollen für Betroffene Geld zurückholen. Da nun das einträgliche Coaching-Geschäft bedroht ist, formiert sich die Branche zum Widerstand. Digistore24 versucht in einem Newsletter vom 30.7.2025 die Coaching-Branche gegen den Einkommensverlust zu mobilisieren: Es drohen, heißt es darin, „teure Zertifizierungsprozesse, potenziell unwirksame Kaufverträge, drohende Rückforderungen“ und weiter: „Mit einem Brandbrief fordern wir von der Politik eine schnelle und wirtschaftsfreundliche Reform des FernUSG.“ Hier der Link zum "Brandbrief".

Unübersichtliche Situation

Für österreichische Coaching-Opfer war und ist die Situation weiterhin unübersichtlich. Gilt deutsches oder österreichisches Recht? Sind die Betroffenen Unternehmer:innen oder Konsument:innen? Wir haben Dr. Jakob Zarari zu den Hintergründen befragt.

Richtungsweisendes Urteil

Jakob Zarari - Jurist: für grenzüberschreitende Konsumentenprobleme
Dr. Jakob Zarari - Jurist: für grenzüberschreitende Konsumentenprobleme Bild: VKI

Konsument.at: Es gab kürzlich dieses richtungsweisende Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes zur Coaching-Szene. Worum geht es da?

Dr. Jakob Zarari: "Will ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland online Fernunterricht anbieten, dann muss dieser Fernlehrgang bei der der staatlichen Stelle für Fernunterricht in Deutschland zugelassen werden. Das bestimmt das deutsche Fernunterrichtsschutzgesetz. 

Bei den Beschwerden, die wir erhalten haben, ist davon auszugehen, dass die Fernlehrgänge nicht ordnungsgemäß zugelassen sind. Fehlt die Zulassung, sind die Coachingverträge nach dem Gesetz ungültig. Das ist wie eine Gewerbeberechtigung in Österreich. Wenn man die nicht hat, dann darf man dieses Geschäft nicht anbieten. Wenn ich als Konsument mit einem Nichtberechtigten einen Vertrag abschließe, ist dieser unwirksam. Ähnlich ist es in Deutschland."

Es handelt sich um ein deutsches Urteil. Wie ist die Rechtslage in Österreich?

"Wenn ich so ein Coaching abschließe, um später z.B. ein Business zu gründen, dann bin ich immer noch Konsument. Das ist ein sogenanntes Vorbereitungsgeschäft. Ich möchte zum Beispiel eine Bäckerei eröffnen, ein Lokal mieten, eine Einrichtung kaufen …  wenn ich dieses Geschäft vorbereite, dann falle ich noch unter den Schutz des Verbraucherrechtes. Das gilt aber nur nach österreichischem Recht.

Die deutschen Coaches und Plattformen vertraten bis jetzt hingegen die Auffassung, dass Kunden, die ein Coaching abschließen, Unternehmer seien. Das Fernunterrichtschutzgesetz sei nicht anwendbar. Jetzt aber hat der deutsche BGH festgestellt: Das Fernunterrichtsgesetz gilt auch im B2B-, also im Business-to-business-Bereich."

EU-Logo mit Schrift finanziell unterstützt durch die Europäische Union
Bild: ECC-net

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Dropshipping: Frust & Ärger

Dropshipping: Frust & Ärger

Der Direktversand von Herstellern und Marktplätzen boomt – mit schweren Nachteilen für die, die kaufen.

Klarna-Probleme: Mahnung trotz Zahlung

Klarna-Probleme: Mahnung trotz Zahlung

Wir haben sehr viele Beschwerden zu Klarna. Die Arbeiterkammer hat den Zahlungsdienstleister erfolgreich geklagt. Enttäuschte Kund:innen schäumen in Onlinekommentaren.

Kommentieren

Sie können den Text nach dem Abschicken nicht nachträglich bearbeiten, Länge: maximal 3000 Zeichen. Bitte beachten Sie auch unsere Netiquette-Regeln.

Neue Kommentare können nur von angemeldeten Benutzern veröffentlicht werden.

Anmelden

0 Kommentare

Keine Kommentare verfügbar.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang