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Ledergebundene Buchrücken
Nachdrucke werden viel zu teuer verkauft Bild: AlexeyMaltsev/Shutterstock

Abzocke mit alten Büchern: Wertlose Wälzer

„Kaufen Sie hochwertige Nachbildungen von Druckwerken!“ – Keiler versprechen mit Faksimiles lukrative Wertanlagen. Wir sagen: Hände weg!

Ihre Zielgruppe finden die sogenannten Buchhändler vor allem bei älteren Personen aus den 1930er- und 1940er-Geburtsjahrgängen. Aber auch Jüngere fallen immer wieder auf den Nepp mit überteuerten ­Büchern herein. Das Geschäft läuft in Deutschland schon seit mehr als 15 Jahren. Dabei ist es wie mit den Kühen auf der Weide: Ist die eine Wiese abgegrast, muss die nächste her. Die Anbieter klopfen inzwischen auch in Österreich, in der Schweiz und in Belgien an die Tür. Etwa 15 deutsche Firmen stehen auf der Liste der Rechts­anwaltskanzlei SDK (Bielefeld), welche rund 2.500 Geschädigte vor deutschen Gerichten vertritt. Der Schaden beträgt wohl einen dreistelligen Millionenbetrag. Auch das Schweizer Konsumentenmagazin K-Tipp berichtet über Fälle der Firma WK Wertkontor.

„Gute Wertanlage“

Manche Vertreter stehen vor der Tür, manche rufen vorher an. Die ­Werber behaupten, dass beispielsweise die Bertelsmann-Lexika nun Weltkulturerbe der UNESCO seien. Das wirkt. Viele der ­Angerufenen laden die Verkäufer daraufhin in die Wohnung ein. Egal ob Lexikon, Buchsammlung oder antike Bibel: Versprochen wird immer die angeblich gute Wertanlage in Form der Druckwerke, eine bedeutende Wertsteigerung und ein garantierter Wiederverkaufswert („Sammler!“). Viele kaufen nicht aus Liebe zu alten Büchern, es geht ihnen um den Gewinn.

Alte Bücher sind nur dann eine gute Wertanlage, wenn man genau weiß, was man tut. Bei gefragten Exemplaren können die Wertzuwachsraten im stabilen zweistelligen Bereich liegen. Dennoch gilt es auch beim Verkauf echter Buch-Raritäten aufzupassen. Fachauktionshäuser für alte Bücher lassen sich den Weiterverkauf zu deftigen Konditionen bezahlen. 60 Prozent des Buchwertes und mehr werden nach einer erfolgreichen Versteigerung als Kommission einbehalten.

Tarnen, lügen, täuschen

Die Vertreter, die in die Wohnung kommen, behaupten manchmal, im Auftrag eines ­renommierten Verlags zu reisen, zum Beispiel von Brockhaus. Die Buchklubs dieser Verlage hatten in den 1980er- und 90er-­Jahren mehrere Millionen Mitglieder. Seit 2014 gibt es sie nicht mehr und die alten Kundendatenbanken sind offenbar in die falschen Hände geraten. Mit diesen Listen in der Hand finden Verkäufer leicht ihre Kunden.

Sammlung „vervollständigen“

Trick Nr. 1. Die Vertreter bieten an, die ­Lexikon- oder Buchsammlung für einen ­lukrativen Weiterverkauf zu begutachten. Einmal in die gute Stube eingelassen, raten sie dann zum Kauf von Exemplaren, die in der Sammlung fehlen würden. Nur durch den Zukauf werde die Büchersammlung wirklich an Wert gewinnen. 

Durch die frei zugänglichen Wissensportale im Internet erleben gedruckte Lexika einen dramatischen Wertverfall, egal wie prachtvoll sie aussehen mögen.

Robert K. berichtet

„Leider sind meine Eltern (Pensionisten um die 80 Jahre) auch auf den Trick reingefallen und wir bräuchten Hilfe.“

Digitales Buchregister

Trick Nr. 2. Der Vertreter bietet die Aufnahme der Bücher des Kunden in eine ­Online-Datenbank an. Dadurch werde diese Sammlung, so das Argument, für Käufer einfacher einsehbar und somit wertvoller. „Echtheitszertifikat“, repräsentative Plakette und Erfassung der Bücher kosten ­zwischen 1.500 und 3.000 Euro.

Franz T. berichtet

„Bücher vom Verlagsservice Domi - Entsprechen die Bücher dem Wert, was bezahlt wurde?“

„Nachlass verwalten“

Trick 3: Vor allem greise Kunden sollen die eigene Bibliothek durch den Vertreter erfassen lassen, um sie den Erben nach dem Ableben in ihrer Gesamtheit zu vermachen. Das Unternehmen verrechnet für die Auf­nahme in eine eigene Plattform und die ­etwaige Verkaufsabwicklung eine Gebühr. Die Aufnahme in die Plattform steigert ­jedoch nicht den Verkaufswert, auch nicht für die Erben.

Frau Marianne K. berichtet

Mein Ehemann hat sich vor etwa 2 ½ Jahren über ein Haustürgeschäft Lexika der Firma Domi Verlagsservice Wien aufschwatzen lassen. Angeblich wertvolle Bücher, was ich aber bezweifle. Wie und wann das passiert ist, weiß ich nicht. Wir leben seit knapp drei Jahren in verschiedenen Wohnungen, sind aber weiterhin verheiratet.

So, wie ich es einschätze, liegt der Preis dieser „Schätze“ im höheren fünfstelligen Bereich. Genaueres traut sich mein Mann nicht anzugeben. Aber ich habe recherchiert. Mein Mann ist erwerbsunfähig und bekommt viel weniger Rente als damals Gehalt. Die Kreditraten müssen ca. 1200 Euro betragen und ein Ende des Kredits ist nicht abzusehen. 

Ihm wurde vorgegaukelt, dass die Bücher wieder verkauft werden können, es scheinbar Interessenten dafür gibt und man angeblich ein weiteres höheres Entgelt dafür erhalten kann. Aber seit Monaten wird er vertröstet. Sein Konto ist fast leer. Früher hatte er etliche Tausend Euro gespart, die nun für solchen Schund draufgegangen sind. 

Psychische Stabilität ist bei ihm nicht ständig gegeben. Ich nehme an, dass er sich in einer dieser Phasen hat überrumpeln lassen, dieses Abo abzuschließen. Es kann nicht sein, dass jemand dadurch in die Pleite rutscht. Von der Firma erhielt er nur die Antwort, es sei sein Problem, sie wären keine Bank. 

Die Bücher sind in Kartons verpackt und stehen ungeöffnet herum. Ich habe ihm einen Anwalt empfohlen; dieser konnte und wollte auch keine Versprechungen machen. Ich kann ihn nur hin und wieder unterstützen. Wie kann man aus so einem Vertrag rauskommen? Es muss doch möglich sein, diese zurückzugeben. Gibt es da eine rechtliche Handhabe? Man kann dem doch nicht hilflos ausgeliefert sein?

Faksimiles, die keine sind

Trick Nr. 4. Gerne verkauft werden auch Faksimiles. Faksimiles sind Nachbildungen historischer Werke - etwa antike Bibeln, Atlanten, Partituren etc.. Vom Kauf von Faksimiles kann man nicht pauschal abraten. Der Preis muss angemessen sein.

In diesem Fall nehmen sich die Keiler vor allem ältere und kranke Menschen vor und versprechen Geldanlage und Wertsteigerung. Oft bieten sie Prachtexemplare antiker Bibeln an. Sie erzählen von glücklichen Erben und vom Papst, der diese Bücher in Händen hielt. Dabei gehen sie mit einer Unverfrorenheit vor, die ihresgleichen sucht. Manche Verkäufer demütigen ihre Kunden vor laufender Kamera. 

5.000, 10.000 Euro keine Seltenheit

Preise von 5.000, 10.000 Euro sind keine Seltenheit. Dabei liegen die Herstellungskosten in einem Billiglohnland bei fünf bis zehn Euro. In vielen Fällen sind Lebensersparnisse weg. Die Keiler hingegen protzen mit ihrem neuen Reichtum. Das zeigt eine Dokumentation von Spiegel-TV vom August 2023. Einschlägige Unternehmen sind in diesem Zusammenhang Media Exclusiv, Kasi Vertrieb, Wertkontor und Domi Exclusiv

Einige der Händler sind nach Vertragsabschluss nicht mehr erreichbar. Andere wieder tauchen nach ein paar Monaten wieder auf und versuchen neuerlich Faksimiles zu verkaufen. Uns liegen Fälle vor, wo Geschädigte um die 10.000 Euro für Faksimiles zahlten, die laut Experten maximal wenige Hundert Euro wert sind. Oft sind Teilzahlungspläne oder ein Kredit Teil des Vertrags. Im schlimmsten Fall können sie existenzbedrohend sein.

Wir empfehlen: nicht kaufen

Kaufen Sie derartige Faksimile nicht. Sie sind keine Wertanlagen. Sollten Sie dennoch bereits solche Bücher erworben haben: Lassen Sie sich von einer Konsumentenschutzeinrichtung wie dem Verein für Konsumenteninformation/Europäischen Verbraucherzentrum (0043 1/588 77 0) rechtlich beraten - siehe unten. 

Anzeige bei der Polizei 

Zusätzlich ist es auch wichtig, stets Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Wir raten: Wenden Sie sich, wenn Sie betroffen sind, auch an ihre Bank, und lassen sie Zahlungen rückbuchen. Hilfreich ist auch ein Gutachten von einem gerichtlich zertifizierten Sachverständigen einzuholen.

 

Großer Schaden, große Scham

Egal ob Nachbildung antiker Exemplare, Ergänzung fehlender Lexika oder Verwaltung der eigenen Buchsammlung: Es gibt keine Wertzuwächse. Sobald das Geschäft abgeschlossen ist, bleiben die Vertreter die versprochene Unterstützung schuldig. Wer auf diese Weise Tausende Euro verliert oder alle Ersparnisse, fühlt sich oft beschämt. Oft wenden sich nicht die Opfer, sondern deren Verwandte an unsere Beratung.

Haustürgeschäft: Widerrufs- und Rücktrittsrecht

Bei Haustürgeschäften, die Sie bereuen, haben Sie zwei Wochen Zeit, vom Kauf zurückzu­treten. Oft informieren Verkäufer Kunden nicht gesetzeskonform über deren Widerrufs- bzw. Rücktrittsrecht. In diesem Fall verlängert sich die Widerrufsfrist um 12 Monate. Es ist in diesem Fall dann also möglich, dass Sie auch noch Monate später vom Vertrag zurücktreten können. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, sich von einer Konsumentenschutzeinrichtung wie dem Verein für Konsumenteninformation/Europäischen Verbraucherzentrum rechtlich beraten zu lassen. 

Rufen Sie unsere VKI-Beratung an: 01/588 77-81 (Di, Do, 9–13 Uhr).

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Bild: ECC-net

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