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Viagogo: teure Ticketplattform - Karten-Nepp

Eine große Ticketplattform zieht den Interessenten für begehrte Veranstaltungskarten trickreich das Geld aus der Tasche.

Die Rolling Stones  noch einmal live auf der Bühne sehen? Bei der Abschiedstour von Elton John dabei sein? Einmal die Stadionatmosphäre bei einer Fußball-WM vor Ort genießen?  Wenn Sie über Google eine Recherche für Tickets starten, ist die Chance groß, dass Sie bei Viagogo landen. Doch dort buchen Sie besser nicht. Das legen jene Erfahrungen nahe, die uns Kunden der Plattform immer wieder berichten. Ärgerlich: Wir können den Betroffenen kaum helfen. Was bleibt, ist vor dem Unternehmen mit Firmensitz in der Schweiz ausdrücklich zu warnen.

Tickets für alles

Auf den ersten Blick kommt die Website vielversprechend daher. Sie erweckt den Eindruck, dass es kein Ereignis gäbe, für das man nicht noch Karten erwerben könnte. Es gibt Tickets in den Kategorien Konzerte/Sport/Theater und Festivals, suchen kann man nach Event, Veranstaltungsort und Stadt. Man erfährt, dass man  sich auf dem „weltweit größten Sekundärmarktplatz für Tickets für Live-Events“ befände.  Selbst Bruce Springsteen in New York oder Sumo-Ringen in Tokio sind im Angebot. Etwas kryptisch heißt es  „Die Preise werden von den Verkäufern festgelegt und können unter oder über dem ursprünglichen Kaufwert liegen“. Und dann gibt es noch einen beruhigenden Satz: „Alle Tickets sind vollständig von unserer Garantie abgedeckt.“

Keine Karten

Fragt sich, was so eine „Garantie“ wert ist? Eine Antwort darauf haben zwei Fußballfans aus Wien: Sie hatten über Viagogo Tickets für ein Heimspiel des US Palermo geordert. Der Preis war hoch, aber in diesem Fall nebensächlich, da ein Geschenk zu einem besonderen Geburtstag.  Die Tickets waren bezahlt und sollten per Mail kurzfristig zugestellt werden. Die beiden Fans des italienischen Fußballs waren bereits in Palermo als sich Viagogo meldete: Der Fußballklub würde die Tickets nicht ausstellen, man bedauere. Das Geld für die Tickets gab es zurück, auf den nicht unbeträchtlichen Reisekosten blieben die beiden sitzen. 

Schnell und teuer buchen

Wer sich in den Buchungsprozess begibt,  erlebt vor allem zwei Dinge: Es wird großes Interesse an den gewählten Karten suggeriert und die tatsächlichen Kosten bleiben bis zuletzt unklar bzw. werden bis hin zur Buchung immer höher. So erging es etwa Beyonce-Fan  Therea L.: „Auf Viagogo wurden die Tickets laufend weniger, sodass ich total unter Druck stand... Ich wählte dann (als ich und eine Freundin uns fest dazu entschlossen) zwei Tickets um je 161€ aus, es stand dabei, dass dieser Preis ohne Lieferkosten und ohne Mehrwertsteuer sei. Kurz vor dem letzten Schritt, wurden diese Kosten noch zusätzlich verrechnet und der Gesamtpreis war nun auf einmal 451,76€. Nebenbei lief ein  Ticker auf Viagogo, sobald dieser ablief,  wären die Tickets weg.“

Horrende Aufpreise

Ganz ähnlich die Erfahrung von DI  Andreas W. „Ich habe  über die Plattform www.viagogo.at zwei Konzertkarten als Geburtstagsgeschenk für meine Tochter für das Sunrise Avenue Konzert auf der Burg Clam erworben. Zu Beginn der Buchung wurde ein Ticketpreis von je € 86,- (ohne Liefergebühr, MwSt. und Buchungsgebühr) angezeigt. Erst nach Bezahlung mit Kreditkarte musste ich allerdings feststellen, dass zu diesem Preis ein „Nennwert“ von je € 61,- hinzugerechnet wurde“

Horrende Aufpreise

Auch Lucas L. hat mit den Praktiken von Viagogo Bekanntschaft gemacht. 189 Euro sollte zunächst ein Ticket für ein Ringo Star-Konzert kosten, im Lauf des Bezahlprozesses verteuerte sich der Endpreis für zwei Tickets schließlich auf insgesamt 550 Euro. Die Höhe der Mehrkosten blieb bis zuletzt intransparent. Auch eine Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen brachte keine Klarheit in die Angelegenheit. Mag. Maria Ecker, Leiterin des VKI-Beratungszentrums, sind solche Schilderungen wohlbekannt. „Die an uns herangetragenen Fälle ähneln einander sehr, Viagogo reagiert auch auf unsere Anfragen üblicherweise nicht.“ 

Ärger am Hahnenkamm 

Auch Veranstalter haben mit der Ticket-Plattform anscheinend ihre liebe Not. Der Anwalt des Kitzbüheler Skiclubs, Ausrichter der legendären Hahnenkammrennen, berichtet von großem Unmut von Gästen, die über Viagogo Tickets erworben haben und sich letztlich beim Veranstalter über von Viagogo nicht eingehaltene Zusagen („uneingeschränkte Sicht“, „inklusive VIP-Pass“, „Restaurant-Paket“) und überzogene Preise beschweren. Der Kitzbüheler Skiclub hat die Ticket-Plattform aufgefordert, unrichtige Tatsachen von der Website zu entfernen und irreführende Geschäftspraktiken künftig zu unterlassen. Auf eine Reaktion warten die Kitzbüheler bis heute.

Bayern München auf Distanz

Der deutsche Fußball-Rekordmeister FC Bayern München – bis 2013 noch in einer Sponsor-Partnerschaft -  geht ebenfalls auf Distanz zur Viagogo.  Die Zusammenarbeit wurde beendet. Klipp und klar teilt uns die Pressestelle mit: „ Wir stehen in keinem Kooperationsverhältnis mit Viagogo.“ Letzte Zweifel räumt die Antwort auf die Frage aus, ob Bayern Fans über Viagogo Tickets kaufen sollten. „Nein, wir raten klar davon ab.“

Künstler gegen Schwarzmarkt

Auch vom Kartennepp betroffene Künstler setzen sich mittlerweile zur Wehr. Das Kabarettistenduo Viktor Gernot und Monika Gruber hat Klage gegen Viagogo eingebracht.  "Der zentrale Vorwurf ist, dass Viagogo im Internet einen Dienst bereitstellt, wo registrierte User den Schwarzmarkt mit Karten bedienen und Viagogo eine hohe Provisionsgebühr dafür erhält", fasst deren Anwalt den Vorwurf zusammen. Auf Viagogo.at würde bis zum Fünffachen des normalen Kartenpreises verlangt. Der Anwalt vertritt die Künstleragentur Agentur Stage, die beiden Künstler und den Wettbewerbschutzverband. 

Konsumentschützer warnen

Im Umgang mit Klagen und negativer Berichterstattung hat die Ticketplattform schon Routine: Die Praktiken von Viagogo sind Konsumentenorganisationen in mehreren Ländern ein Dorn im Auge. Deutsche Verbraucherzentralen, die Stiftung Warentest, die britischen Konsumentenschützer von „Which?“ und die australische Konsumentenorganisation haben Viagogo im Visier. Gemeinsamer Nenner: Finger weg von Viagogo.
 

Mag. Maria Ecker: Lassen Sie sich nicht drängen. Sie können vom Kauf nicht zurücktreten (Foto: A.Thörisch)

Maria Ecker: "Für die meisten Onlinegeschäfte gibt es nach dem FAGG (Fern-und Auswärtsgeschäftegesetz) zwar ein Rücktrittsrecht. Doch Freizeitdienstleistungen, wie der Kauf von Veranstaltungskarten sind vom Rücktrittrecht ausgenommen. Mein Tipp: Lassen Sie sich nicht drängen. Eine Rückgabe der Karten ist nicht möglich. Eintrittskarten am besten beim jeweiligen Veranstalter kaufen. Bei Kauf über einen Kartenvermittler allenfalls vorher Preisvergleiche anstellen, da Vermittler für Ihre Tätigkeit Bearbeitungsgebühren in Rechnung stellen."

Bei Problemen wenden Sie sich bitte an: VKI-Beratung

Ticket-Tipps: So tricksen Sie unseriöse Anbieter aus

  • Direkt buchen: Besteht die Möglichkeit, direkt beim Veranstalter zu buchen? Überprüfen Sie auf dessen offizieller Homepage, ob es ein eigenes Vertriebssystem oder einen Link zu einem Vertragspartner gibt. Sollten Veranstaltungen ausverkauft sein, fragen Sie direkt beim Veranstalter nach, ob bzw. wo es noch Karten gibt.
  • Wer ist Ihr Vertragspartner? Überprüfen Sie, ob ein Impressum mit vollständiger Postanschrift und Kontaktdaten sowie die AGB angeführt sind. Lesen Sie im Internet nach, was andere Konsumenten über den Shop schreiben. 
  • Preise vergleichen: Eine KONSUMENT-Erhebung aus 2017 zeigt: Manche Anbieter verlangen doppelt oder dreimal so viel wie der Veranstalter selbst. Nachzulesen in Ausgabe 12/2017 bzw. auf www.konsument.at, Suchbegriff „Ticketkauf online“.
  • Mit Screenshots dokumentieren: Drucken Sie alles rund um den Bestellvorgang aus und machen Sie Screenshots von Seiten, speziell von Pop-ups, die sich nicht ausdrucken lassen.

Leserreaktionen

Reinfall

Leider habe ich mich erst im Nachhinein informiert. Ich bin auch reingefallen und habe für 2 Konzertkarten zum Preis von je 79,90 € insgesamt 292,00 € bezahlt. Da es ein „Geschenk in letzter Minute“ war, habe ich mich auch drängeln lassen mit der Aussage, dass die Karten so gut wie ausverkauft wären (stimmte überhaupt nicht!). Leider kann man auch überhaupt nicht Kontakt mit dieser Firma aufnehmen, die ja ihren Sitz weiß Gott wo hat und für die nirgends eine Kontaktmöglichkeit vorhanden ist. Nur, als ich diese ganzen Rezensionen gelesen hatte und die Beschwerden, war ich letztendlich froh, dass ich die Karten überhaupt bekommen habe.

Ich kann gar nicht verstehen, warum dieser Firma nicht das Handwerk gelegt werden kann. Erstaunlich ist auch, dass diese Firma als erste erscheint, wenn man im Netz auf Kartensuche geht. Mir ist schon klar, dass in meinen Fall nichts mehr zu retten ist, aber vielleicht wird es mehr publik gemacht und kann andere davor bewahren.

Brigitte Swoboda
Linz
(aus KONSUMENT 6/2019)

Unsere Erfahrungen mit Viagogo: Es handelt sich um eine Ticket-Plattform, die in Suchmaschinen besonders gut platziert ist und mit fragwürdigen Geschäftsmethoden Kundenfang betreibt. Konsumentenschützer gehen weltweit gegen diese Praktiken vor, bislang ohne nennenswerte Erfolge. Auch Veranstaltern und Künstlern ist Viagogo ein Dorn im Auge. Wir können nicht empfehlen, sich mit Viagogo einzulassen. Mehr Informationen (auch über den Online-Ticketkauf generell) finden Sie auf konsument.at, Suchbegriff „Viagogo“.

Die Redaktion

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