Übergewicht und Adipositas sind seit Jahren ein großes gesundheitspolitisches Problem. Insbesondere Kinder und Jugendliche sind zunehmend davon betroffen. Neben Bewegungsmangel sind ungünstige Ernährungsmuster die Treiber dieser Entwicklung. Als ungünstige Ernährungsmuster werden Speisepläne voll mit besonders zucker-, fett- und salzhaltigen Lebensmitteln angesehen. Junk Food nennen wir diese Lebensmittel umgangssprachlich. In der Ernährungswissenschaft haben sie eine englische Abkürzung: HFSS (high fat, salt and sugar oder auf Deutsch hoher Fett-, Salz und/oder Zuckergehalt).
Werbeverbot für Junk Food in London
Als Bestandteil der Childhood Obesity Strategy (Maßnahmen zur Reduktion von Übergewicht bei Kindern) kündigte im November 2018 der Bürgermeister von London ein Werbeverbot für HFSS-Lebensmittel innerhalb des Wirkungsbereiches des Londoner Verkehrsverbundes (TfL – Transport for London) an. Der TfL ist der größte Verkehrsverbund in Westeuropa und für 40 % der Außenwerbung in London und für 20 % der Außenwerbung in Großbritannien verantwortlich. Bei Außenwerbung handelt es sich um jede Art der Werbung mit der VerbraucherInnen außerhalb ihres eigenen Haushaltes konfrontiert sind. 98 % der Bevölkerung sehen mindestens einmal pro Woche Außenwerbung, das heißt sie ist für jeden relevant, besonders aber für die junge, urbane Bevölkerung, die sich häufig im öffentlichen Raum bewegt. Die Außenwerbung beim TfL ist in den Fahrzeugen (U-Bahn, Zug, Bus, Schiffe), an den Fahrzeugen sowie in den Stationen als Plakat aber auch elektronisch zu finden. Mit 25. Februar 2019 wurde das Werbeverbot eingeführt. Seit diesem Zeitpunkt gibt es keine Werbung für HFSS-Lebensmittel im Wirkungsbereich des Londoner Verkehrsverbundes mehr.
Was sind HFSS?
Für HFSS gibt es international einige Definitionen, die sich inhaltlich wenig unterscheiden, sondern meist nur an die nationalen Ernährungsgewohnheiten angepasst sind. Basis sind Empfehlungen der WHO. Denn die WHO hat eine Liste erstellt, welche Lebensmittel nicht für Kinder beworben werden sollen. Die für Großbritannien adaptierte Liste hab ich euch verlinkt. In Österreich gibt es eine von der Nationalen Ernährungskommission. Sie hat den sperrigen Titel „Nährwertprofil zur Lenkung von Lebensmittelwerbung an Kinder in audiovisuellen Medien“. Im Grunde genommen identifizieren alle drei Listen zum Beispiel Limonaden, Süßigkeiten, Chips oder Pizza als Junk Food / HFSS Lebensmittel und sind somit hilfreich für die Durchsetzung von Werbeverboten.
Die Studie zum Werbeverbot
Zeitgleich mit der Implementierung des Werbeverbotes führte die London School of Hygiene & Tropical Medicine eine Studie durch, um abschätzen zu können, was derartige Verbote bringen. Die Studie lief von Juni 2018 bis Dezember 2019. Sie verglich die wöchentlichen Lebensmitteleinkäufe von Londoner Haushalten mit einer Kontrollgruppe (Haushalte in Nordengland, wo es dieses Werbeverbot nicht gab). Insgesamt wurden fast 2 Millionen Einkäufe von HFSS Lebensmitteln und Getränken ausgewertet. Das Ergebnis war eindeutig! Die Maßnahmen führten zu einer deutlichen Reduktion des Kaufes dieser Junk Food Produkte. Leider ist der Zeitraum etwas kurz - bedingt durch die COVID-19 Pandemie und der damit einhergehenden verminderten Nutzung des öffentlichen Verkehrs wurde die Studie frühzeitig abgebrochen und lief nicht, wie geplant, 12 Monate. Trotzdem liefert sie sehr interessante Ergebnisse.
385 kcal weniger pro Person und Woche
Das Werbeverbot führte zu einem Rückgang von rund 1.000 kcal an HFSS-Produkten pro Haushalt und Woche beim Einkauf in Supermärkten. Besonders deutlich war die Reduktion bei Schokolade und Süßwaren, sie wurden im Raum London zu gut 19 % weniger eingekauft. In Folge kam es auch zu einer geringeren Aufnahme an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Energie. Die so eingesparte Energiemenge entspricht 1,5 britischen Standardtafeln Milchschokolade (rund 72 Gramm).
Wichtig für die Politik
Solche Studienergebnisse halte ich für äußerst wichtig für politische Entscheidungen. Mit einem geringen öffentlichen Aufwand lassen sich so wirksame Interventionen machen. Es kann nicht sein, dass unsere Kinder und Jugendlichen ununterbrochen mit Werbung für ungesunde Lebensmittel und Getränke konfrontiert werden, wenn wir ein so massives Problem mit Übergewicht in unserer Gesellschaft haben. Der Grundstein für Überwicht wird meist in der Kindheit gelegt, ungesunde Ernährungsmuster verfestigen sich hier und können im Erwachsenenalter nur sehr schwer geändert werden. Übergewicht ist ein wesentlicher Treiber für die Gruppe der NCDs (Noncommunicable Diseases = nicht übertragbare Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Diabetes), die in Folge für 41 Millionen Tode pro Jahr weltweit verantwortlich sind.
Wiener Linien
Im Zuge meiner Recherchen habe ich telefonisch bei der Gewista (Werbeunternehmen, dass Außenwerbung in Österreich vertreibt) und in Folge bei den Wiener Linien nachgefragt, ob es schriftliche Richtlinien gibt, welche Werbung im Einflussbereich der Wiener Linien erlaubt ist und welche nicht. Schriftlich gäbe es nichts, wurde mir versichert, und auch nichts in Bezug auf Lebensmittel und Getränke (Ausnahme: alkoholische Getränke).
Also habe ich mich aufgemacht, bin mit U-Bahn, Straßenbahn und Bus in Wien gefahren und habe meine Augen offengehalten. Dabei ist mir aufgefallen, dass derzeit nur wenige unterschiedliche Werbeanzeigen zu finden sind – vieles ist von der Stadt Wien selbst und vieles wiederholt sich. Ich vermute aber, dass das noch die Folgen bzw. Ausläufer der Pandemie sind.
Trotzdem sind mir einige Werbungen aufgefallen, die HFSS Lebensmittel oder Junk Food abbilden. Ich habe euch hier mal die Fotos zusammengetragen. In all diesen Werbungen sind HFSS-Lebensmittel nach der Definition der Nationalen Ernährungskommission abgebildet. Im Gegensatz zu London ist die Bewerbung von HFSS-Lebensmittel in Österreich erlaubt.
Werbeverbot für Junkfood
ling, 27. September 2022, 13:09
Außerdem ist es doch wesentlich einfacher den Kindern frühmorgens Geld in die Hand zu drücken, um sich das Frühstück/Mittagessen bei McD oder BKing reinzuziehen. Kein Aufwand der Eltern für etwas, das den Kindern sowieso nicht so schmeckt wie die Produkte der genannten Anbieter. "Gemüse - ist doch sowas von uncool".