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Pinkwashing: Regenbogenflagge vor rosa Wolken
Bild: Shutterstock/Maxim Studio

Pinkwashing: Die dunkle Seite des Regenbogens

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Wenn Unternehmen mit Farbenfrohheit und vermeint­licher Toleranz die queere Gemeinschaft feiern, sind das Ziel oft ­Umsatzsteigerung und Imageaufbesserung. Wie man Pinkwashing durchschaut und die rosarote Brille der Firmen loswird.

Aufmerksamen Leser:innen des KON­SUMENT-Magazins ist Greenwashing schon seit Jahren ein Begriff. Im Rahmen unseres Greenwashing-Checks durchleuchten wir scheinbar nachhaltige Initiativen von Firmen und sind dabei schon auf viele leere grüne Versprechen ge­stoßen – ein paar davon konnten wir sogar gerichtlich einen Riegel vorschieben. 

Doch Unternehmen haben nicht nur das bei Konsument:innen gerade angesagte Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt. Auch mit scheinbarer Toleranz gegenüber marginalisierten Gruppen lässt sich Marketing machen. Das fällt ganz besonders im Pride Month Juni auf. In diesem Monat machen sich Menschen auf der ganzen Welt für die Rechte, Gleichbehandlung und Sichtbarkeit der LGBTQ+-Gemeinschaft stark. Gesellschaft und Politik sollen besonders im Juni für die Probleme von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender und queeren Menschen sensibilisiert werden. Denn jede:r soll unabhängig von seiner oder ihrer sexuellen Orientierung oder Identität ein Leben ohne Diskriminierung und Hass führen können.

Und der Pride Month wird immer ­populärer: Im Vorjahr machten 300.000 Teilnehmende die Wiener Regenbogenparade zur größten Demonstration ­Österreichs. Auch Firmen sind mit bunt geschmückten Wägen bei der Parade vertreten. Absolut, Barilla, Post, Henkel und Coca Cola sind nur ein paar der Sponsoren der Vienna Pride. 

Pride Parade in Wien
Bei der Regenbogenparade in Wien sind auch Firmen mit bunt geschmückten Wägen vertreten Bild: Shutterstock/Jonas Wiesinger

Wie Pinkwashing erkennen?

Aber wie schaffen es Verbraucher:innen nun, Pinkwashing zu erkennen? Die deutsche Blu Mediengruppe achtet bei ihren Pinkwashing-Checks darauf, ob Unternehmen nur auf einen queeren Trend aufspringen und ob es eine verantwortungsbewusste Produktion entlang der gesamten Lieferkette gibt; ob das Engagement nur saisonal stattfindet, ob queere Menschen bei der Gestaltung der Kampagnen oder Produkte mit einbezogen werden und ein Teil des Erlöses gespendet wird

Auch fraglich ist, ob Firmen nur ein Zeichen nach außen setzen oder ebenso intern für Diversität stehen – etwa bei der Auswahl der Mitarbeitenden oder eben der Wahl der Lieferketten. „Wenn der Grund rein gewinnorientiert ist, dann ist es Pinkwashing“, sagt Sascha Alavi, Lehrstuhlinhaber für Marketing und Innovation an der Universität Oldenburg in einem Interview. Wenn es hin­gegen eine wertorientierte Motivation gebe, dass Diversität auch gefördert werde, dann sei es kein Pinkwashing. Wobei es auch Mischformen gebe. 

­Wolfgang Wilhelm, Leiter der Wiener Antidiskriminierungsstelle, rät dazu, sich Infomaterial und Homepages von Unternehmen genauer anzusehen, sich über Kooperationen von seriösen queeren Vereinen mit Firmen zu erkundigen und vor allem mit Leuten zu sprechen, die eventuell bei Betrieben arbeiten, die auf ein farbenfrohes Image setzen. Diese können auch hinter die Kulissen blicken. Interessante Einblicke gibt auch der ­Pride Index, der die LGBTQ+-Freundlichkeit von Unternehmen und Organisa­tionen im DACH-Raum skalierbar macht. Von den teilnehmenden 71 Unternehmen erreichten 2023 etwa Allianz, Bayer, Henkel und L’Oréal über 90 Prozent.

Wiener Linien Logo in Regenbogenfarbe auf einer Stofftasche
Auch die Wiener Linien tauchen ihr Logo in Regenbogenfarben Bild: Wiener Linien/Alexandra Gritsevskaja

Pinkwashing schadet mehr, als es nützt

Bei einem sind sich die Expert:innen ­einig: Fliegt Pinkwashing auf, schadet das den Unternehmen mehr, als es nutzt. Die Firmen wirken unglaubwürdig. Wie kritisch per se Konsument:innen dem Thema gegenüberstehen, zeigt eine Umfrage des US-amerikanischen Unternehmens Morning Consult aus dem Jahr 2021. 31 Prozent der befragten Ver­braucher:innen gaben an, dass Unternehmen, die sich zum Pride Month ­äußern, in erster Linie damit Werbung machen möchten. Was die Umfrage noch zeigt: Je älter die Befragten waren, desto kritischer stehen sie den bunten Kampagnen gegenüber.

Sinnvoller als Pinkwashing seien laut ­Expert:innen Spenden an LGBTQ+- Gruppierungen oder Aufklärungskampagnen, mit denen Firmen den Verbraucher:innen ihre Diversitätsbemühungen zeigen können. Kunterbunte Kampagnen mit Pride-Bezug sollten die Marketing­abteilungen erst starten, wenn Diver­sität im gesamten Unternehmen ver­ankert ist und gelebt wird – auch den Mitarbeitenden gegenüber. Denn damit Toleranz nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, braucht es mehr als Regen­bogen-Kapitalismus in einem Monat des Jahres.

Julia Gschmeidler - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft
Mag.ª Julia Gschmeidler, BSc - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen, die bewegen, aufgezeigt gehören, die gesellschaftspolitisch wichtig sind. Und ich möchte konstruktive Vorschläge liefern, wie man selbst aktiv werden kann.

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