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Freizeitkrankheit: Strandutensilien und Medikamente aus einer Tasche
Bild: Shutterstock/Victoria 1

Freizeitkrankheit: Krankenstand statt Sandstrand

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Wer genau dann krank wird, wenn der lang geplante Urlaub ansteht, denkt vielleicht an einen unglücklichen Zufall. Tatsächlich kann ein psychosomatisches Phänomen hinter der Freizeitkrankheit dahinterstecken.

Die Koffer sind gepackt, die Haustiere versorgt, die Pflanzen gegossen. Eigentlich steht der Abreise in den lang ersehnten Urlaub nichts mehr im Weg. Bis auf das plötzlich aufkeimende Krankheits­gefühl. Halsweh, eine verstopfte Nase, Kopf- und Gliederschmerzen. Pure Erschöpfung. Ausgerechnet jetzt, wo doch Erholung und Entspannung am Programm stehen. Das muss kein Zufall sein.

Freizeitkrankheit – was ist das? 

Die niederländischen Psycholog:innen Ad Vingerhoets und Maaike van Huijgevoort haben 2001 erstmals das Konzept der Leisure Sickness – also der Freizeitkrankheit – beschrieben. Dabei handelt es sich um ein psychosomatisches Phänomen, bei dem sich Menschen vorwiegend krank fühlen, wenn sie nach einer intensiven Arbeitsperiode in den Freizeitmodus wechseln. 

Symptome der Freizeitkrankheit

Erkältungssymptome und Erschöpfung können eine Antwort des Körpers auf Stress sein. Denn wer längere Zeit gestresst ist – egal ob aus beruflichen oder privaten Gründen –, schüttet vermehrt die Hormone Cortisol und Adrenalin aus. Folgt auf eine Stressphase keine Entspannungsphase, steht der Körper unter kontinuierlichem Einfluss dieser beiden Hormone, das ­Immunsystem arbeitet auf Hochtouren. Sinkt nun plötzlich das Stresslevel am beginnenden Urlaub, fährt der Körper die Produktion der Abwehrzellen abrupt nach unten. 

Die Folge: Krankheitserreger können sich ungestört Zutritt verschaffen. Aber auch plötzliche Veränderungen anderer Lebensstilfaktoren können ihren Beitrag zur Freizeitkrankheit leisten, wenn sich etwa Ess- und Schlafgewohnheiten oder der Alkoholkonsum von einen auf den anderen Tag ändern.

Open Window Syndrome

Einen ähnlichen ­Effekt gibt es auch im Leistungssport. Der Open-Window-Effekt besagt, dass Viren und Bakterien nach einer inten­siven Sporteinheit besonders einfach in den Organismus eindringen können, weil dieser noch damit beschäftigt ist, belastungsbedingte Schäden, wie etwa Risse in den Mikrostrukturen des Muskelgewebes, zu reparieren. Bis sich die Abwehrkräfte nach der enormen Belastung wieder vollständig erholt haben, kann es mehrere Stunden bis Tage ­dauern. 

Mann läuft auf offener Straße einen Marathon
Viren und Bakterien können nach einer inten­siven Sporteinheit besonders einfach in den Organismus eindringen Bild: Shutterstock/dotshock

Durch dieses „offene Fenster“ können Viren und Bakterien einfacher eindringen und Infektionen auslösen. Studien zeigen jedoch, dass mäßiges Training nur zu leichten Immunveränderungen führe, im Gegensatz dazu würde intensives Training von 90 Minuten oder mehr zu einem Rückgang der Immunüberwachung führen, was die Wahrscheinlichkeit für Infektionen der oberen Atemwege erhöhe.

Freizeitkrankheit weit verbreitet

Doch zurück zur ­Freizeitkrankheit. Die bereits genannten niederländischen Wissenschafter:innen haben 2002 an der Universität Tilburg bei einer Studie herausgefunden, dass sich zwischen drei und vier Prozent der Befragten bei der Beschreibung des ­Wochenend- bzw. des Urlaubssyndroms wiedererkennen. Die am häufigsten berichteten Symptome waren Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskelschmerzen und Übelkeit, auch über Virusinfektionen im Zusammenhang mit Urlauben wurde häufig berichtet. 

Die Befragten führten ihren Zustand darauf zurück, dass sie Schwierigkeiten beim Übergang von der Arbeit in die Freizeit hätten. Als Risikofaktoren attestierten sie eine hohe Arbeitsbelastung und die eigene Unfähigkeit, sich an die arbeitsfreie Situation anzupassen sowie ein hohes Verantwortungsbewusstsein im Job. Nicht nein­sagen können, E-Mails auch in der Freizeit lesen, das Diensthandy in den Urlaub mitnehmen – all dies ist typisch für die „Risikogruppe“ der Freizeitkrankheit.

Büromitarbeiter sitzt vor einem Stapel Dokumente
Eine hohe Arbeitsbelastung kann ein Risikofaktor für die Freizeitkrankheit sein Bild: Shutterstock/nampix

Eine gemeinsame Studie der Tiroler ­Privatuniversität und der IUBH Interna­tionalen Hochschule hat zudem zwei Gruppen identifiziert, die besonders häufig von der Urlaubskrankheit betroffen sind: Die „Arbeitstiere“, die für ihren Job brennen und außerberufliche Aktivitäten wegen Erschöpfung meist links liegen lassen. Und die „Inaktiven“, die am meisten Energie für Freizeit und ­Aktivitäten haben, jedoch wenig Struktur und Verbindlichkeiten in der Freizeitgestaltung aufweisen. Laut Studien­autor:innen führen also wenig Sozialkontakte und Struktur zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, von der Freizeitkrankheit betroffen zu sein.

Tipps gegen Freizeitkrankheit

  • Achtsamkeitsübungen oder Entspannungstechniken: Oft ist die letzte Arbeitswoche vor dem Urlaub besonders zeitintensiv: noch alle E-Mails abarbeiten, offene Aufgaben erledigen, vielleicht sogar schon vorarbeiten. Dabei sollte man es ruhig angehen oder zumindest regelmäßig Erholungsphasen in den Berufsalltag einbauen. Achtsamkeitsübungen oder Entspannungstechniken können hierbei hilfreich ein. 
  • Puffer einbauen: Eine Lösung kann zudem sein, nicht direkt vom Schreibtisch aus in den Urlaub zu starten, sondern ein paar Tage Puffer einzuplanen, wie auch das Deutsche Ärzteblatt empfiehlt. 
  • Kein neuer Stress: Wichtig ist auch, nicht gleich neuen (Freizeit-)Stress aufzubauen. Die Wohnung muss vor Urlaubsbeginn nicht komplett zusammengeräumt, die Wäsche nicht gewaschen und die Fenster nicht geputzt sein. Die Haushaltsaufgaben können auch gut erholt nach Rückkehr erledigt werden. 
  • Erholung im Urlaub wichtig: Die eigentliche Ruhephase sollte nicht mit einem Rund-um-die-Uhr-Programm durchgetaktet sein, um Körper und Geist auch Möglichkeiten für eine Auszeit zu schaffen.
  • Präventive Maßnahmen: Um die Freizeitkrankheit zu vermeiden, kann es auch sinnvoll sein, vorab das Immunsystem zu stärken – etwa durch gesunde Ernährung und moderate Bewegung. So kann der Körper besser auf Stresssituationen reagieren und Krankheitserreger abwehren.

Julia Gschmeidler - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft
Mag.ª Julia Gschmeidler, BSc - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen, die bewegen, aufgezeigt gehören, die gesellschaftspolitisch wichtig sind. Und ich möchte konstruktive Vorschläge liefern, wie man selbst aktiv werden kann.

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