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Death Cleaning: Bilderrahmen, Koffer, Bücher und Kassetten stehen vom Ausmisten am Boden
Bild: Shutterstock/candy candy

Death Cleaning: Die schwedische Kunst des Loslassens

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Dieser skandina­vische Entrümpelungstrend hört sich morbide an, soll aber positive Auswirkungen auf uns und unsere Nachkommen haben. Was dahintersteckt und wie es funktioniert.

Es ist noch gar nicht allzu lange her, dass die japanische Aufräumexpertin Marie Kondo mit ihrer KonMari-Methode für mehr Ordnung in den weltweiten Haushalten gesorgt hat – Millionen ihrer ­Bücher gingen über den Ladentisch, auf Netflix bekam sie eine eigene Serie

Was man laut Kondo tun soll? Besitztümer hinterfragen und nur die aufheben, die am meisten Freude bereiten. Diese dafür dann aber an einem Ort aufheben, der leicht zugänglich und sichtbar ist. Alles soll seinen Platz haben. Doch dies ist nur der Anfang, geht es nach der Schwedin Margareta Magnusson. Bei ihrer Methode schafft man nicht nur Ordnung für das eigene Leben, sondern sogar über dieses hinaus.

Und dann kam Frau Magnusson

Im 2018 erschienenen Buch „Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen“ geht es um die Frage, was mit dem Krempel, Klumpert und ­Unrat passiert, wenn man morgen sterben würde. Um den Keller voller alter Möbel, die Kästen voller Kleidung, die Küchenregale voller Zierteller und Plastik-Aufbewahrungsboxen. Denn irgendjemand müsste sich um die vielen Dinge kümmern. „Wenn du eines Tages nicht mehr da bist, muss sich deine Familie um all diese Dinge kümmern, und ich finde das nicht wirklich fair“, sagt die Schwedin in einem Interview. 

Also hat sich Magnusson, die laut eigenen Angaben zwischen 80 und 100 Jahre alt ist, etwas überlegt: „Döstädning“ – eine Wort­kreation aus den beiden schwedischen Wörtern für „sterben“ und „Sauberkeit“. Dabei geht es darum, möglichst viel unnötiges Zeug zu Lebzeiten auszumisten, also zu verschenken, verkaufen, wegzuschmeißen, damit sich die Hinterbliebenen in einer Zeit der Trauer einmal nicht mit allzu viel Besitztümern herumschlagen müssen. „Ein geliebter Mensch möchte schöne Dinge von dir erben. Nicht alles von dir“, schreibt Magnusson in ihrem Buch.

Magnusson über Death Cleaning

Nichts Ungeliebtes sammeln

Doch wie funktioniert Death Cleaning? Wie auch bei Marie Kondos KonMari-Methode geht es darum, sich von Dingen zu trennen, die man nicht besonders mag oder kaum bis gar nicht benutzt. Man könnte Magnussons Methode als Weiterentwicklung sehen, als Ideologie des Aussortierens mit dem Bewusstsein der Vergänglichkeit. 

Darum ist es auch wichtig, mit den Ange­hörigen, die später einmal mit dem Entrümpeln konfrontiert sein könnten, über Death Cleaning zu sprechen. Denn wer übers Ausmisten spricht, tut sich laut der Schwedin auch einfacher, ins Tun zu kommen. 

Dabei geht es jedenfalls nicht darum, sämt­liche Erinnerungen an die Vergangenheit zu eliminieren. Magnusson tendiert dazu, die guten zu behalten und die schlechten auszulöschen. Sie selbst bewahrt persönliche und schöne Erinnerungen wie Briefe und Fotos in ­einer „Wegwerfbox“ auf. Es sind Erinnerungen, mit denen ihre Nachkommen nicht viel anfangen werden, und die nach ­ihrem Ableben samt Kiste entsorgt werden können. Doch bis dahin bleibt die Box in ihrer Wohnung.

Wer sich schwertut mit dem Ausmisten, dem empfiehlt die Seniorin, sich selbst fürs Entrümpeln zu belohnen – etwa mit einem Restaurantbesuch, einer Pizzabestellung oder einem Kinoabend mit Freunden. Nur bloß nicht neue Dinge kaufen, das wäre kontraproduktiv.

In jeder Lebensphase

Obwohl Death Cleaning das Wort „Tod“ in sich trägt, soll es zu Lebzeiten bereits positive Auswirkungen haben und kann in jeder Lebensphase bereichernd sein. Das Ausmisten kann nicht nur zum Wohlfühlen beitragen, sondern auch zur psychischen Gesundheit. 

Eine Studie, die in der US-amerikanischen Fachzeitschrift für Familienpsychologie publiziert worden ist, zeigt etwa, wozu Chaos im Haushalt führen kann: zu Stress im Familienleben und einem Qualitäts­verlust der familiären Interaktion und Kommunikation. Unordnung und Chaos können sogar Auswirkungen auf das Naschverhalten haben, wie eine wissenschaftliche Untersuchung zeigt. So verzehrten Propand:innen in einer unordentlichen Küche insgesamt mehr Kalorien als in einer aufgeräumten – nämlich fast dreimal so viel. Sie griffen eher zu Keksen als zu Karotten. 

Wieder eine andere Studie über die Auswirkungen von Unordnung in Wohnungen zeigt, dass sich die Bewohner:innen von der Menge an Gegenständen überwältigt fühlten und daher eher zu Prokrastination, also „Aufschieberitis“, neigten.

Vorteile der Ordnung

Die Psychologin Alice Boyes, die etwa das „Toolkit für einen gesunden Geist“ geschrieben hat, führt im US-amerikanischen Magazin „Psychology Today“ die Vorteile eines aufgeräumten – und nicht vollgestopften – Zuhauses an. Laut ihr schaffe Aufräumen ein Gefühl von Selbstvertrauen, da es um Entscheidungen und Problemlösungen gehe. 

Frau schließt eine Schublade, in dem mit einem Ordnungssystem jeder Gegenstand seinen Platz hat
Bild: Shutterstock/Kostikova Natalia

Aufräumen gebe auch Energie, da die schnelle Entscheidungsfindung Menschen in einen Erledigungsmodus versetzen würde, in dem sie möglichst viele Dinge von der To-do-Liste abhaken möchten. Das Ordnen reduziere auch Ängste und ermögliche, Gedanken freien Lauf zu lassen, was zu neuen Erkenntnissen und Aha-Momenten führen könne. 

Außerdem könne Aufräumen Beziehungs- und Familienspannungen reduzieren. Und natürlich: Es bestehe auch die Möglichkeit, beim Aussortieren verloren geglaubte Schätze wiederzufinden. Bei all diesen möglichen positiven Auswirkungen stellt sich die Frage: Wohnst du noch oder entrümpelst du schon?

Julia Gschmeidler - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft
Mag.ª Julia Gschmeidler, BSc - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen, die bewegen, aufgezeigt gehören, die gesellschaftspolitisch wichtig sind. Und ich möchte konstruktive Vorschläge liefern, wie man selbst aktiv werden kann.

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