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Cyberchondrie: Handydisplay mit Google, Pillen und Notizblock liegen auf Tisch
Bild: Shutterstock/Eakvoraseth

Cyberchondrie: Achtung vor Dr. Google

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Das Verlangen, Krankheitssymptome im Internet zu recherchieren, kann zu Ängsten und Depressionen führen. Wie sich Nutzer:innen dagegen wappnen können.

Eigentlich ist nur die Nase verstopft, der Hals kratzt und der Kopf schmerzt. Wer bei diesen Symptomen die Suchmaschine anwirft, landet zuerst bei einer Neben­höhlenentzündung oder Corona, bei weiterer Suche können Lungenentzündung, Bronchitis oder Histaminintoleranz auftauchen. Wer Bauchschmerzen googelt, erhält irgendwann einen Beitrag zu Darmkrebs. Bei Herzstolpern steht auf einmal ein Herzinfarkt im Raum. Wer sich zu seiner Gesundheit im Internet informiert, ist einer Welle an möglichen Krankheiten schutzlos ausgeliefert. Die richtige Selbstdiagnose zu stellen, scheint unmöglich.

Suchmaschinen zur Selbstdiagnose

95 Prozent der österreichischen Bevölkerung waren laut Statistik Austria im Vorjahr im Internet unterwegs – der höchste je gemessene Wert. Die Mehrheit dieser Menschen nutzt das Internet auch für die Recherche von Gesundheitsinformationen, denn internationale Studien ergaben, dass zwischen 50 und 80 Prozent Such­maschinen für eine Selbstdiagnose verwenden. 

Was ist Cyberchondrie?

Doch das Suchen kann Ängste ­schüren – es kommt zur sogenannten ­Cyberchondrie. Das Wort setzt sich ­zusammen aus „Cyber“ für Internetnutzung und „Hyperchondrie“ für Krankheitsangst. Dabei handelt es sich um eine exzessive und wiederholte gesundheitsbezogene Internetrecherche, die auch den Alltag und die sozialen und ­beruflichen Verpflichtungen beeinträchtigen kann. 

Durch die Internetsuche ­würden sich Betroffene häufig eine Entlastung erhoffen, meistens sei aber das Gegenteil der Fall, wenn die Suche nach Ursachen von Symptomen eher beun­ruhigt, statt beruhigt, sagt Stefanie Jungmann, Junior-Professorin für klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Mainz, gegenüber „Die Zeit”. Es beginne ein Teufelskreis aus Rückversicherung und Verunsicherung. Und wer verunsichert ist, beginnt von vorne zu suchen und stößt auf neue Krankheitsbilder. Es besteht Suchtgefahr.

Das Problem an Cyberchondrie

Eines der Hauptpro­­bleme dabei ist, dass Betroffene oft die Quelle der Gesundheitsinformationen nicht überprüfen. Handelt es sich um eine seriöse staatliche oder von Ärzt:innen geprüfte Webseite, oder geht man vielleicht dem Webauftritt einer Pharma­firma auf den Leim? 

Eine weitere Problematik: Wer ohnehin schon hypo­chon­drische Züge hat, auf den wirkt das Internet mit seinen schier endlosen Informa­tionen wie ein Beschleuniger für die Angst vor Krankheiten. Beim Anblick von möglichen Diagnosen wie Krebs oder Herzinfarkt, können Betroffene in Panik geraten, das Stresslevel steigt.

Frau fühlt Knoten am Hals und sucht nach Symptomen im Internet
Wer häufig im Internet nach Symptomen sucht, könnte von Cyberchondrie betroffen sein Bild: Shutterstock/PeopleImages.com - Yuri A

Mögliche Symptome

Symp­tome von ­Cyberchonder:innen können sein: „Doktor-Hopping“, also das regelmäßige Aufsuchen von unterschiedlichen Ärzt:innen, um die Selbstdiagnose bestätigen zu lassen, verstärktes Beobachten und Überbewertung von Körperfunktionen, Fehl­inter­pretationen von Symptomen, exzessives, teils zwanghaftes Recherchieren, Angst­reaktionen und depres­sive ­Verstim­mungen. Manche Betroffene versuchen sich auch selbst zu behandeln, ohne ärztliche Hilfe aufzusuchen.

Lösungen für Cyberchondrie

Wie sich eine Cyberchondrie entwickelt, ist bislang noch zu wenig erforscht. Expert:innen gehen aber davon aus, dass Persönlichkeitsmerkmale wie eine generelle Ängstlichkeit eine Rolle spielen – sowie bisher positive Erfahrungen im Umgang mit Suchmaschinenergebnissen. 

Die Abfrage von Krankheitssymptomen im Internet sei außerdem per se nichts Schlechtes. Im Zuge der „Patient:innen Empowerment“ werden Menschen sogar dazu aufgefordert, kritisch zu recherchieren und evidenzbasierte Studien zu lesen, um Ärzt:innen besser verstehen, auf ­Augenhöhe kommunizieren und bei der Behandlung die richtigen Fragen stellen zu können. Wer hingegen von Cyberchondrie betroffen ist, sollte laut Expert:innen eine Therapie in Anspruch nehmen, um langfristig erfolgreich zu sein. 

Regeln fürs Googeln

Und wer gar nicht auf die Online-Suche verzichten möchte, sollte beim Googlen ein paar Regeln befolgen: Stets die Quelle hinterfragen – handelt es sich um fundierte Medizininformationen oder Portale, die auf Klickfang sind? Auf ­gesundheit.gv.at, dem öffentlichen Portal des Gesundheitsministeriums, finden Hilfesuchende unzählige Informationen zu Krankheitsbildern, Laborwerten und Medikamenten. 

Auch hier auf konsument.at prüfen wir regelmäßig die Wirksamkeit von Medikamenten und klären gemeinsam mit Medizin Transparent in der Rubrik „Fakten-Check Medizin“ über medizinische Themen auf. Wenn man sich nicht sicher ist, ob eine Website seriös ist, hilft oft der Blick ins Impressum. Hier zeigt sich, wer die Seite betreibt und welche – kommerziellen – Interessen hinter dem Inhalt stecken könnten. ­Bestenfalls verweisen die medizinischen Artikel auf wissenschaftliche Studien und Informationen, die sich auf wissenschaftliche Beweise stützen. User:innen sollten zudem einen Blick auf das Veröffentlichungs­datum des Artikels werfen – oft sind ­Informationen veraltet, weil in vielen Bereichen laufend neue Forschungs­erkenntnisse publiziert werden. 

Wenn Sie beim nächsten Schmerz oder Krankheitsgefühl das Handy zücken, um Dr. Google zu bemühen, hinterfragen Sie den Nutzen der Selbstdiagnose übers ­Internet. Nicht immer weisen bestimmte Symptome auf schwere Krankheiten hin. Das gilt auch für die Schwangerschaft, wo der saloppe Spruch „Don’t google with a Kugel“ eindeutig ist. Im Zweifelsfall gilt jedenfalls: Fragen Sie ärztliches Fachpersonal oder Apotheker:innen.

Julia Gschmeidler - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft
Mag.ª Julia Gschmeidler, BSc - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen, die bewegen, aufgezeigt gehören, die gesellschaftspolitisch wichtig sind. Und ich möchte konstruktive Vorschläge liefern, wie man selbst aktiv werden kann.

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