Es können Krisen in der Familie, im Job oder in der Partnerschaft sein. Oder eine instabile Weltlage mit Kriegen, Hungersnöten und Umweltkatastrophen, die einen den Kopf zerbrechen lässt. Wer in der Gedankenspirale festsitzt, ist von Overthinking, zu Deutsch „zu viel Denken“, betroffen. Einem Zustand, der krank machen kann.
Was ist Overthinking?
Oft kreisen die – meist negativen – Gedanken besonders unkontrollierbar, wenn man abends im Bett liegt und schlafen möchte. Dabei ist es eigentlich nichts Außergewöhnliches, sich viele Gedanken zu machen. Ein kanadisches Forscherduo hat 2020 seine Studienergebnisse veröffentlicht: Diese besagen, dass wir durchschnittlich über 6.000 Gedanken am Tag haben. Um auf diese Zahl zu kommen, haben sie über 180 Proband:innen Hirnscans unterzogen und die groben Übergänge von einem großen zum anderen großen Gedanken gemessen.
Doch beim Overthinking geht es nicht nur um die Anzahl der Gedanken, sondern auch um deren Produktivität. Wer sich in negativen Gedanken oder obsessivem Grübeln verliert, anstatt zielgerichtet zu reflektieren, ist öfters von Stress, Entscheidungsunfähigkeit und sogar Angst betroffen. Eine pakistanische Studie aus 2022 zeigt etwa, dass sich die psychische Gesundheit mit zunehmendem Grübeln und Sorgen verschlechtert.
Wie viel Grübeln ist zu viel?
Es gibt einige Anzeichen, die dafür sprechen könnten, zu viel nachzudenken. Das können laut der deutschen Mediatorin und Autorin Christa D. Schäfer wiederkehrende Gedanken sein, die immer wieder auftauchen, ohne dass man einen Lösungsansatz für sie hätte und daher zu keinem Abschluss kommen kann. Oder ständige Selbstkritik, die dazu führt, über seine Worte und Entscheidungen zu urteilen. Auch Perfektionismus kann zu einem Gedankenstrudel führen, wenn man viel Zeit damit verbringt, Dinge immer wieder zu überprüfen.
Wer sich zunehmend Sorgen um die Zukunft macht und sich unterschiedliche Szenarien ausdenkt, die auf Befürchtungen und Ängsten basieren, denkt zu viel und zu wenig lösungsorientiert und verpasst dabei auch noch den Anschluss ans Hier und Jetzt. Dabei kann die Fokussierung auf die Gegenwart beim „Überdenken“ helfen.
Schlafstörungen als Resultat
Eine der augenscheinlichsten Anzeichen für Overthinking ist die Schlaflosigkeit. Wer drei Nächte oder mehr pro Woche nicht einschlafen kann, ist von einer Schlafstörung betroffen. Dauert diese mindestens einen Monat lang an, handelt es sich laut öffentlichem Gesundheitsportal Österreichs um eine nichtorganische (akute) Insomnie. Diese kann negative Auswirkungen auf Alltagstätigkeiten und Befinden haben, oft steckt ein hoher Leidensdruck dahinter.
Laut einer diesjährigen Umfrage der Paris-Lodron-Universität Salzburg leiden in Österreich bis zu 30 Prozent der Bevölkerung an Schlafstörungen. Eine kurze Schlafdauer und unregelmäßige Zubettgehzeiten könnten laut aktuellen Studien zwei bis fünf Jahre Lebenszeit kosten, das Risiko für Übergewicht, Schlaganfall, Herz-Kreislauf- Erkrankungen und Demenz erhöhen. Natürlich ist das zu viele Grübeln nur ein Auslöser für schlechten bis gar keinen Schlaf. Es gibt auch etliche neurologische Erkrankungen oder hormonelle Veränderungen, die einem den Schlaf rauben können. Doch Overthinking ist eine Ursache, der jede:r von uns mit ein paar Tricks entgegenwirken kann.
Was tun gegen Overthinking?
Das hehre Ziel gegen Overthinking ist laut Expert:innen, das Denken in konstruktive, positive Bahnen zu lenken. Wer sich aufgrund kreisender Gedanken mit dem Einschlafen schwertut, dem empfiehlt Schlafmediziner Lennart Knaack gegenüber dem Westdeutschen Rundfunk, feste Einschlaf- und Aufstehzeiten zu etablieren und individuelle entspannende Schlafrituale einzuführen. Das könne etwa ein kurzer nächtlicher Spaziergang sein, das Lesen von ein paar Seiten in einem Buch oder eine kleine Runde Yoga. Auch beruhigende Tees, etwa mit Baldrian, Lavendel oder Passionsblume, könnten helfen. Zudem verweist Knaack auf bestimmte Techniken, um unzweckmäßigen Gedanken keinen Raum zu geben:
- Sich auf das Positive konzentrieren und am Abend kurz reflektieren, für welche drei Dinge man an diesem Tag dankbar sein kann.
- Sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren – sei es in Form von Meditation, Tagebucheinträgen oder manuelle Tätigkeiten wie Stricken.
- Einmal am Tag eine Zeitrahmen fürs Sorgen reservieren. In diesen 15 Minuten negative Gedanken zulassen und aufschreiben, welche Gedanken einen quälen.
Doch Geduld: Alternatives Verhalten gelingt oft nicht von heute auf morgen, sondern benötigt Ausdauer und Training.
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