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Bisphenole: Plastikgeschirr und -utensilien in einer Küche
Bild: Shutterstock/Sergey Ryzhov

Bisphenole: von A bis Z toxisch

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Viele Bisphenole können die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und das Hormonsystem von Menschen und Tieren stören. Dennoch werden sie in einer Vielzahl von Produkten eingesetzt. 

Verwendung von Bisphenolen

Bisphenole zählen weltweit zu den meistproduzierten Industriechemikalien. Insbesondere BPA (Bisphenol A), aber auch andere Bisphenole, spielen eine wichtige Rolle als Monomer bei der Herstellung von Polymeren und als Zusatzstoff bei der Herstellung und Verarbeitung von Kunststoffen, die weit verbreitet eingesetzt werden. 

Beispiele dafür sind Anwendungen in der Verkehrsindustrie (Automobilindustrie, Luftfahrt), im Baugewerbe, bei der Energieerzeugung (Windkraftanlagen), in der Textil- und Papierindustrie, in der Elektronik und Optik, in Verpackungen, in Spielzeug und Sportartikeln sowie in einer Vielzahl von anderen Konsumgütern des täglichen Lebens. Außerdem sind sie in Beschichtungen, Farben und Lacken, Kleb- und Dichtstoffen, in Flamm- und Materialschutzmitteln, Schmierstoffen, in der Medizintechnik und in der Lebensmittelindustrie zu finden. Aus: Bisphenole (umweltbundesamt.at)

Beispiele für Bisphenole in Alltagsprodukten

  • Innenbeschichtungen von Konserven- und Getränkedosen und anderen Lebensmittelkontaktmaterialien. Der Einsatz von Bisphenol A und vergleichbaren Bisphenolen ist zum Glück aber ab Ende 2024 verboten (siehe Abschnitt "Gesetzliche Regelungen").
  • CDs/DVDs
  • Spielzeug
  • Textilien
  • Papier und Karton
  • medizinisches Equipment
  • Zahnprodukte und elektronische Geräte 

Im Zuge des Projektes "ToxFree LIFE for all" hat der VKI Bisphenole in Unterwäsche getestet – und fand zum Teil erschreckend hohe Konzentrationen.

Besonders bedenkliche Eigenschaften

Es ist inzwischen bekannt, dass viele Bisphenole die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und bereits in niedrigen Dosen das Hormonsystem von Menschen und Tieren stören können. Im Englischen werden solche hormonschädlichen Chemikalien als „Endocrine Disruptors“ (EDs) oder „Endocrine Disrupting Chemicals“ (EDCs) bezeichnet. 

In einer Metaanalyse wurde festgestellt, dass in den Jahren 1973 - 2011 die durchschnittliche Spermienkonzentration bei westlichen Männern um 52,4 %, die Spermienanzahl um 59,3 % sank. Das wird unter anderem mit der steigenden Belastung durch hormonschädliche Chemikalien wie den Bisphenolen in Verbindung gebracht. 

Zu den hormonschädlichen Effekten zählen weiters die Erhöhung des Risikos für Brust- und Prostatakrebs, Fettleibigkeit, Stoffwechselstörungen, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Einige Bisphenole können zudem Hautallergien auslösen. 

In folgender Graphik werden die wichtigsten Effekte dargestellt: EDCs Infographics 22.2.2019 (endocrinedisruption.org)

Einfluss auf Gehirn und Psyche

Für BPA, das am besten untersucht ist, wurde in Studien an Tieren sowie epidemiologische Studien auch gezeigt, dass es Übergewicht verursachen kann, das Immunsystem stören und die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen kann, was zu Verhaltensstörungen bei Kindern führt. Die Exposition kann auch Angstzustände, Depressionen, Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit verstärken.

Die europäischen Chemikalienbehörde ECHA und die Mitgliedstaaten haben im Jahr 2022 eine Gruppe von 148 Bisphenolen bewertet und empfohlen, dass mehr als 30 dieser Stoffe aufgrund ihrer potenziellen hormonellen oder reproduktionstoxischen Wirkungen eingeschränkt werden müssen. Diese Zahl kann sich ändern, wenn mehr Informationen über diese und andere Bisphenole, für die keine Daten vorlagen, vorliegen.  Bisphenole - ECHA (europa.eu) 

Aufnahme in Körper

Bisphenole sind in verschiedenen Umweltmedien nachweisbar. Sie können aufgrund ihrer Eigenschaften aus Produkten in die Umwelt migrieren. Durch den Kontakt mit Bisphenol-haltigen Produkten über die Nahrung, über die Kleidung oder durch die Einatmung von mit Bisphenolen kontaminiertem Hausstaub kann der Mensch diese in den Körper aufnehmen.

Im Beschränkungsvorschlag der deutschen Behörden für Bisphenole wird daher folgende Begründung angegeben: Es wird davon ausgegangen, dass jede Emission von endokrin wirksamen Bisphenolen in die Umwelt die Wahrscheinlichkeit irreversibler und schädlicher Auswirkungen auf die Bevölkerung erhöht, d. h. Auswirkungen auf Fortpflanzung, Wachstum und Überleben. Daher müssen die derzeitigen und künftigen Emissionen dieser Bisphenole so weit wie technisch und wirtschaftlich machbar minimiert werden.

Gesetzliche Regelungen

Bis auf wenige Ausnahmen wird bisher nur BPA gesetzlich geregelt. Das führt immer wieder dazu, dass es durch andere Bisphenole ersetzt wird, die ähnliche Eigenschaften haben – im Englischen wird das als "regrettable substitution" bezeichnet.

REACH-Verordnung

REACH ist das allgemeine Chemikaliengesetz, das u. a. Verbote und Beschränkungen für Chemikalien enthält. Hier wurden vier Bisphenole, inklusive BPA, in den vergangenen Jahren auf die Liste der besonders besorgniserregenden Substanzen (engl. Substances of Very High Concern, SVHCs) gesetzt. Damit wird der Industrie ein Zeichen gegeben, dass diese Chemikalien vom Markt entfernt werden sollen. Weiters müssen bei Konzentrationen von über 0,1 Prozent in den Produkten auf Anfrage bekannt gegeben.

Kunststoffmaterialien mit Lebensmittelkontakt

BPA und BPS sind gemäß der EU-Verordnung (EU) Nr. 10/2011 zur Verwendung als Monomer in Kunststoffmaterialien mit Lebensmittelkontakt zugelassen. 

Seit 2011 ist der Einsatz von BPA in Babyfläschchen verboten. In Österreich ist es gemäß Bundesgesetzblatt Teil II, Nr. 327/2011, zusätzlich verboten, Schnuller und Beißringe mit BPA herzustellen oder in Verkehr zu bringen.

Andere Länder wie Dänemark, Belgien und Schweden haben BPA in Lebensmittelkontaktmaterialien verboten, die für Säuglinge und Kinder von 0 bis 3 Jahren bestimmte Lebensmittel, wie Säuglingsnahrung und Babynahrung, enthalten.

Babyflaschen aus Plastik mit Milch gefüllt
Seit 2011 ist der Einsatz von BPA in Babyfläschchen verboten. Bild: Shutterstock/New Africa

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat im Jahr 2023 die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) für BPA von 4 μg/kg Körpergewicht/Tag auf 0,02 ng/kg Körpergewicht/Tag gesenkt und damit die wachsende Besorgnis über die Sicherheit von BPA unterstrichen. Daraus resultiert ein Verbot von BPA und Bisphenolen mit ähnlichen Gefährlichkeitsmerkmalen, das aller Voraussicht nach Ende 2024 in Kraft tritt. 

Nach seiner Verabschiedung wird es eine 18-monatige Übergangsfrist für Einwegartikel mit Lebensmittelkontakt geben, mit Ausnahmen für Fischkonserven, Obst- und Gemüsekonserven sowie die Außenseite von Lebensmittelkonserven, für die eine 36-monatige Übergangsfrist gilt. Der Lebensmitteleinzelhandel hat nach Ablauf der Übergangsfrist 12 Monate Zeit, um seine Bestände abzubauen. Wiederverwendbare Gegenstände und Maschinen dürfen bis zum Ende ihrer natürlichen Lebensdauer in Gebrauch bleiben.

Spielzeug

Gemäß der EU-Richtlinie über die Sicherheit von Spielzeug (2009/48/EG) gibt es derzeit einen Grenzwert für die Menge an BPA, die aus Spielzeug für Kinder bis zu drei Jahren und aus Spielzeug, das dazu bestimmt ist, in den Mund genommen zu werden, austreten darf. Der Migrationsgrenzwert beträgt 0,04 mg/l BPA, gemessen an 10 cm2 Spielzeugmaterial gemäß den in EN 71-10:2005 und EN 71-11:2005 festgelegten Methoden.
Andere Bisphenole sind derzeit in Spielzeug nicht speziell eingeschränkt.

Thermopapier

Ab 2020 wurde die Verwendung von BPA in Thermopapier in der EU im Rahmen von REACH mit einem Konzentrationsgrenzwert von 0,02 % (200 mg/kg) eingeschränkt.

Vorschläge für weitere Regelungen

In der künftigen überarbeiteten EU-Richtlinie über die Sicherheit von Spielzeug ist vorgesehen, dass alle endokrinen Disruptoren verboten werden. Diese wird nach den letzten nötigen Schritten aller Voraussicht nach in wenigen Monaten (Stand Herbst 2024) in Kraft treten.

Am 7. Oktober 2022 legte das Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA), die für REACH zuständige deutsche Behörde, der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) ein Dossier vor, in dem Gruppenbeschränkungen für Bisphenol A und andere umweltgefährdende Bisphenole (einschließlich BPS, BPB, BPF und BPAF) vorgeschlagen werden. Nach Abschluss der sechsmonatigen öffentlichen Konsultation, die von Dezember 2022 bis Juni 2023 dauerte, legten die Interessengruppen wichtige neue Daten zu den Emissionen und Verwendungen der im Dossier behandelten Bisphenole vor. Daraufhin beschlossen die deutschen Behörden, das Dossier vorübergehend zurückzuziehen, um eine sorgfältige Überarbeitung und weitere Konsultationen Dritter zu ermöglichen.

Die Entscheidung, das Dossier vorübergehend zurückzuziehen, stieß auf den Widerstand von Wissenschaftler:innen, die diesen Schritt als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit bezeichneten und die deutsche Regierung aufforderten, den Vorschlag zur Beschränkung von BPA erneut vorzulegen.

Frankreich und Schweden haben Beschränkungen für über 1.000 hautsensibilisierende Chemikalien in Kleidung, Schuhen und anderen Artikeln vorgeschlagen, wobei ein Grenzwert von 130 mg/kg vorgeschlagen, was höher als der vom Wissenschaftlichen Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS) vorgeschlagene ist.

Plastics Treaty

Zur Bekämpfung der Plastikverschmutzung, auch in der Meeresumwelt, hat die UN im März 2022 eine Resolution zur Entwicklung eines internationalen rechtsverbindlichen Instruments veröffentlicht. Die Verhandlungen dazu sollen bis Ende 2024 abgeschlossen werden. 
Von einigen Seiten wird gefordert, dass auch für die enthaltenen Chemikalien Regelungen beschlossen werden sollen, u.a. hier: Integrating a Chemicals Perspective into the Global Plastic Treaty - PMC (nih.gov) 

Die UN selbst hat im Mai 2023 einen Report zu Chemikalien in Kunststoff veröffentlicht. In der Zusammenfassung unter dem genannten Link wird auch auf  zehn Gruppen von Chemikalien hingewiesen, die als besonders besorgniserregend identifiziert wurden, weil sie hoch toxisch sind und aus Kunststoffen migrieren oder freigesetzt werden können. Dazu gehören 

  • bestimmte Flammschutzmittel, 
  • bestimmte UV-Stabilisatoren, 
  • Per- und Polyfluoralkyl-Stoffe (PFAS), 
  • Phthalate, 
  • Bisphenole, 
  • Alkylphenole und Alkylphenolethoxylate, 
  • Biozide, 
  • bestimmte Metalle und Metalloide, 
  • polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe 
  • viele andere nicht absichtlich hinzugefügte Stoffe (NIAS). 

Umweltzeichen

Das Österreichische Umweltzeichen
Das Österreichische Umweltzeichen Bild: UWZ

Der Blaue Engel und das Österreichische Umweltzeichen legen strenge Grenzwerte für das Vorhandensein von BPA in Produkten fest, insbesondere in Textilien und Konsumgütern. Produkte, die dieses Zeichen tragen, müssen nachweisen, dass sie frei von schädlichen Substanzen, einschließlich BPA, sind.

  • Das EU Ecolabel enthält Kriterien, die das Vorhandensein von BPA in Produkten begrenzen. Produkte, die den Standards des EU-Umweltzeichens entsprechen, müssen nachweisen, dass BPA entweder nicht verwendet wird oder nur in streng definierten Grenzen vorhanden ist, um die Sicherheit der Verbraucher:innen zu gewährleisten. Bisphenol A und alle anderen Weichmacher mit endokrinem Potenzial sind in Textilien verboten.
  • Der Nordic Swan hat strenge Kriterien für gesundheits- und umweltschädliche Chemikalien, einschließlich BPA. Die Grenzwerte sollen die BPA-Belastung minimieren und die Verbraucher:innen schützen.

Zertifikate

  • Der OEKO-TEX® Standard 100 legt Grenzwerte für schädliche Chemikalien fest. Diese Grenzwerte werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert, um den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Es gelten folgende Grenzwerte: Bisphenol A: 100 mg/kg (PC I-IV), Bisphenol B und Bisphenol S 1000 mg/kg.
  • Die Zertifizierung mit GOTS (Globaler Standard für ökologische Textilien) gewährleistet, dass die Produkte ohne schädliche Chemikalien hergestellt werden, was besonders für Textilien wichtig ist, die mit der Haut in Berührung kommen. Bisphenol A und alle anderen Weichmacher mit endokrinem Potenzial sind verboten.
  • Cradle to Cradle Certified-Zertifizierung: Hier werden Produkte anhand ihrer Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen anhand mehrerer Kriterien bewertet. Bisphenole wie BPA sind eingeschränkt oder verboten, insbesondere in Produkten, die für einen häufigen Kontakt mit Menschen bestimmt sind. Die Grenzwerte gewährleisten, dass die Produkte während ihres gesamten Lebenszyklus sicher sind. 

Unsere Schlussfolgerung

Wir sind der Meinung, dass der Einsatz von bedenklichen Bisphenolen in allen Konsumentenprodukten so rasch wie möglich verboten werden sollte.

 

Eine Anmerkung zum Titel: Die einzelnen Bisphenole werden zum Teil einfach durch die Ergänzung von Großbuchstaben unterschieden – und tatsächlich gibt es sowohl Bisphenol A als Bisphenol Z – und viele mehr.

Susanne Stark - Expertin: Umweltzeichen, Chemie
Dr. Susanne Stark - Expertin: Umweltzeichen, Chemie Bild: VKI

Seit 2009 bin ich im VKI für das Österreichische Umweltzeichen und das EU-Ecolabel zuständig. Alles rund um Schadstoffe ist mein Kernbereich.

Weiterführende Informationen

ToxFree- und Life-Logo der EU
Bild: ToxFree LIFE for All

Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die des:der Autor:in und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union oder von CINEA wider. 

Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können für sie verantwortlich gemacht werden. 

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