
Klimacourage. Aber wie?
ÖKO.LOGISCH
Grundsatzfrage: Wenn man umwelt- und klimaschädliches Verhalten beobachtet, lieber wegschauen – leben und leben lassen? Oder die Leute darauf ansprechen?

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen im weiten Feld der Nachhaltigkeit. Die Kolumne nennt sich ÖKO.LOGISCH.
Markus Stingl, Redakteur
Ich wage mich an ein Thema, das mir schon lange schwer im Magen liegt. Es geht um, ich nenne es, Klimacourage. Manche von Ihnen werden das Gefühl kennen. Im Familien- oder Freundeskreis, bei Gesprächen mit Bekannten oder Kolleg:innen. Dieses Gefühl: „Jetzt muss ich aber endlich etwas sagen!“ Und zwar immer dann, wenn sich die Gespräche ganz offensichtlich um klimaschädliches Verhalten drehen, dieses aber vom Gegenüber nicht als solches erkannt oder eingeschätzt wird.
Ein Beispiel
Vor ein paar Monaten war ich regelmäßig Teil einer Essens-Runde. Das Smalltalk-Thema Nummer 1 war Reisen. Leute, die ich als aufgeschlossen, mehr noch, als sensibel gegenüber Umwelt- und Klimathemen eingeschätzt hatte, redeten dort unentwegt über ihre aktuellen Reisen. Nicht nach Kärnten oder Tirol, nicht an die Adria oder vielleicht an die Nordsee. Nein, es waren Thailand, Mexiko oder Australien. Eine Destination weiter weg als die andere.
Für mich besonders beklemmend, dass es vorwiegend jüngere Menschen waren, die sich da in touristischen Superlativen ergingen. Die sich unreflektiert in Jumbojets setzen. Und zwar regelmäßig. Eltern, die ihre kleinen Kinder mit Fernreisen beglücken. Also jene Kinder, die im Erwachsenenalter die klimatischen Langzeitfolgen dieser Flugreisen aushalten werden müssen.
Der Essens-Runde fern blieb ich schließlich nach einer Aussage, die mir den Rest gab: „Im Grunde genommen muss man ja jetzt noch Fernreisen machen, wer weiß, wie lange das überhaupt noch möglich ist.“
Warum ich nie den Mund aufgemacht habe, außer, um mich still mit Essen vollzustopfen? Ich hab’s nicht getan um des Friedens willen. Ich wollte die Stimmung nicht trüben, nicht der Partycrasher sein, nicht die Beziehung zu diesen Leuten beschädigen. Denn ob ich die richtigen Worte gefunden hätte? Ich weiß es nicht. Ich hab’s mir scheinbar nicht zugetraut.
Fragen stellen, Neugier wecken
Vor ein paar Monaten habe ich ein Interview mit dem Nachhaltigkeitsforscher und Psychologen Thomas Brudermann darüber geführt, warum wir Menschen uns lieber selbst täuschen, als nachhaltig zu leben. Auch er meint, dass es nicht sonderlich schlau ist, wenn man Menschen mit erhobenem Zeigefinger im Frontalangriff mit ihrem klimaschädlichen Verhalten konfrontiert. Denn dann sei die erste intuitive Reaktion eine Abwehr bzw. ein Einigeln im eigenen positiven Selbstbild. Brudermann schlägt vielmehr vor, dass man die Menschen einladen sollte, sich genauer mit den Dingen zu beschäftigen. Nicht, indem man genau erklärt, sondern indem man z. B. die Neugier weckt, Fragen stellt. Puh, leichter gesagt als getan.
Wie ist Ihre Meinung?
Ich kopiere jetzt mal das Ö3-Format „Frag das ganze Land“: Was meinen Sie? Soll ich über meinen Schatten springen und das nächste Mal meine Bekannten & Co auf ihre klimaschädliche Vielfliegerei ansprechen? Und was mich auch interessieren würde: Machen Sie es? Ihre Familie und Freund:innen darauf aufmerksam, wenn sie sich klimaschädlich verhalten? Ich bin gespannt auf Ihre Zuschriften (markus.stingl@vki.at)
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