Der Lurch ist los
ÖKO.LOGISCH
Dass ich als Milbenallergiker schon seit Jahrzehnten mit Hausstaub auf dem Kriegsfuß stehe, ist klar. Eine Studie, über die ich unlängst gestolpert bin, bringt das Ganze allerdings auf ein völlig neues Level.
Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen im weiten Feld der Nachhaltigkeit. Die Kolumne nennt sich ÖKO.LOGISCH.
Markus Stingl, Redakteur
In der Studie wurden Schlafzimmer- Staubproben auf ihre chemische Belastung hin analysiert. Ein Potpourri aus mehr als 200 chemischen Verbindungen wurde identifiziert, darunter einige äußerst bedenkliche: hormonaktive Pestizide, krebserregende Stoffe und fortpflanzungsschädigende Chemikalien.
Hausstaub ist ein Spiegel unserer (Konsum-)Gesellschaft. Und ich für meinen Teil kann ganz klar sagen: Das Gespiegelte gefällt mir nicht. Es sind nämlich (wieder mal) die Kinder, die die Haupt-Leidtragenden sind. Sie sind deshalb so stark gefährdet, weil sie häufiger als unsereins mit dem Hausstaub in Berührung kommen. Na klar, die Welt der Kinder spielt sich einfach viel öfter auf dem Boden ab (weitere Details zur Studie lesen Sie auf hier).
Cocktail-Effekt
Es sollte uns (Eltern) wirklich nicht egal sein, woraus der Lurch in der Ecke besteht: In Wahrheit ist er ein Giftcocktail der besonders perfiden Art. Cocktail trifft es sehr gut: Genau dieser Effekt, der Cocktail-Effekt, macht die Sache nämlich so gefährlich. Die Kombination mehrerer Substanzen kann gesundheitlich bedenklicher sein als jede einzelne Substanz für sich. In KONSUMENT warnen wir bereits seit Jahren davor.
Wenig Wissen
Die erwähnte Studie ist mitnichten die Einzige, die sich dem Thema bedenkliche Chemikalien widmet. Es gibt hunderte, tausende anderer Studien, die ein ähnlich alarmierendes Bild unserer Umwelt zeichnen. Chemikalien, über deren gesundheitsschädliche Auswirkungen man viel zu wenig, bisweilen gar nichts weiß, befinden sich nicht nur im Hausstaub. Wir sind überall mit ihnen konfrontiert. Sie sind in Lebensmitteln, Kosmetika, Verpackungen, in der Luft, im Regen etc. nachweisbar.
Die Menschheit hat die irrwitzige Zahl von mehr als 100 Millionen nichtnatürlichen Chemikalien hervorgebracht. Davon werden 40.000 bis 350.000 mehr oder weniger intensiv kommerziell genutzt. Reichen tut das offensichtlich noch nicht. Es wird weiter munter drauflos gepantscht. Faktum ist, niemand weiß im Detail, was wir da eigentlich alles essen, trinken, einatmen müssen.
Globale Krise
Immer mehr Expert:innen und Wissenschafter:innen sprechen daher sehr deutlich von einer globalen Krise, mit ähnlich dramatischen Folgen für die Menschheit wie die Klimakrise. Nur bekommt die Schadstoffkrise im Vergleich nicht die gleiche (mediale) Aufmerksamkeit.
Zu erwähnen ist auch, dass die beiden Krisen korrespondierende Gefäße sind: Industriechemikalien tragen erheblich zur Verstärkung der Klimakrise bei. Und je stärker spürbar die Auswirkungen der Klimakrise, desto „erfindungsreicher“ werden wir, um uns auch auf „chemischer Ebene“ dagegen zu wappnen.
Wir müssen nur wollen
Um den eingangs erwähnten Spiegel gedanklich noch einmal hervorzukramen: Wir können uns abwenden, das Gespiegelte negieren. Verschwinden werden die Probleme so freilich nicht. Wir sollten hinschauen, auch wenn es zuweilen weh tut.
Hilflos sind wir jedenfalls nicht: Wir können etwas dagegen tun. Gegen alle planetaren Krisen können wir etwas tun. Wir müssen nur wollen.

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