„Eltern haben eine Vorbildfunktion“ – so Mag.a Dr.in Verena Zeuschner. Die Grazerin ist Gesundheitsreferentin beim Fonds Gesundes Österreich und sprach mit uns über Bewegung im Kindesalter, Vorteile von Laufrädern und die Gewöhnung der Kinder an den Straßenverkehr.
Konsument.at: Warum ist ausreichende Bewegung wichtig für Kinder?
Zeuschner: Bewegung ist essenziell für eine gesunde Entwicklung der Kinder.
Das ist belegt. Bewegung fördert die Herz-Kreislauf-Gesundheit, den Stoffwechsel, beugt auch Fettleibigkeit und Übergewicht vor. Sie hat Auswirkungen auf die Knochendichte, was auch im späteren Erwachsenenalter zum Tragen kommt. Bewegung fördert Konzentration und Gehirnleistung. Kinder, die sich ausreichend bewegen, haben eine höhere Lernleistung. Zum Beispiel in Mathematik oder Lesen, da wurde es nachgewiesen. Also Sie sehen, es gibt umfassende Gründe, warum Kinder sich ausreichend bewegen sollten.
Was passiert bei zu wenig Bewegung?
Wenn Kinder sich nicht ausreichend bewegen, kann das negative Auswirkungen haben. Auf die physische aber auch auf die psychische und soziale Gesundheit. Ein sozial integrierter, sportlich aktiver Lebensstil ist auch nachweislich mit weniger Alkohol- und Drogenkonsum sowie weniger Rauchen verbunden. Vor allem im Kindesalter ist es wichtig, aktiv zu werden, denn früh erworbene Bewegungsfähigkeiten gehen praktisch nicht mehr verloren. Bewegung muss erst erlernt werden.
Gibt es einen Fahrplan für kindgerechte Mobilität?
Das Wichtigste ist, dass Kinder sich ausreichend bewegen. Und ausreichend heißt mindestens 60 Minuten pro Tag mit zumindest mittlerer Intensität. Zusätzlich sollten sie dreimal in der Woche muskelkräftigende Übungen machen. Das klingt nach gezieltem Muskeltraining, ist es aber nicht. Es geht bei Kindern vor allem um normale Bewegungen, die sie sowieso im Alltag machen, wie Hüpfen, Klettern, Laufen. Diese Bewegungsformen helfen den Kindern, an Ausdauer, Kraft oder Muskeln zu arbeiten.
Auch die Koordination muss erst gelernt werden.
Ja, auch koordinativen Fähigkeiten spielen eine große Rolle. Sie bilden die Basis für alle weiteren sportlichen Tätigkeiten. Kinder sollten sich möglichst abwechslungsreich bewegen, möglichst viele verschiedene Bewegungsformen ausprobieren und nicht sportlich einseitig unterwegs sein. Laufen, fangen, klettern, Rad fahren – das sind all diese Dinge, die Kinder im Alltag sowieso tun (sollten).
Laufrad oder Dreirad – was ist besser für ein Kind?
Beide Geräte fördern motorische Fähigkeiten im Kindes- und Jugendalter. Sie fördern die Ausdauer, die Kraft und auch das Verständnis für den Raum und den eigenen Körper. Kinder lernen auf beiden Geräten – ab ca. 1 ½ Jahren – das Lenken, das In-die-Kurve-Legen und das Ausweichen vor Hindernissen. Mit dem Laufrad besser, weil man damit deutlich schneller wird.
Nur beim Laufrad lernt das Kind neben den motorischen Fähigkeiten auch, die Balance zu halten. Das hilft den Kindern, um einiges schneller das Fahren auf dem Kinderrad ohne Stützräder zu erlernen. Einen zweiten Vorteil hat das Laufrad noch: Es kann einfach in den Alltag eingebaut werden – am Weg zur Schule oder zum Kindergarten.
Wir haben Laufräder ohne Bremse getestet. Braucht es Bremsen?
Kinder können sehr früh das Bremsen lernen. Am Anfang ist eine Bremse eine Herausforderung; speziell für sehr kleine Kinder, die gerade beginnen, Laufrad zu fahren. Hier muss man durchaus mit mehr Stürzen rechnen. Wenn die Kinder geübt sind, dann kann man auf dem Laufrad durchaus Bremsen verwenden.
Wir haben in vielen Modellen Schadstoffe gefunden. Hat das Material sonst eine Bedeutung für den Kauf eines Laufrades?
Abgesehen von den Schadstoffen kommt es ganz besonders auf das Gewicht an. Speziell kleine und leichtgewichtige Kinder tun sich viel leichter mit einem Alu-Rahmen. Auch bei Fahrrädern. Insbesondere bergauf spielt das Gewicht eine Rolle und wirkt sich auch auf den Fahrspaß aus.
Wie bereitet man Kinder auf den Verkehr vor?
Man sollte früh damit beginnen, normale Situationen im Straßenverkehr und das Erkennen von Straßenschildern zu üben. Zu Beginn nicht unbedingt im Straßenverkehr, sondern auf gesicherten Plätzen. Kinder, die schon sehr früh aktiv sind, entwickeln eine gewisse Sicherheit und das Vertrauen, das sie später im Straßenverkehr brauchen. Ansonsten spielen die Eltern eine große Rolle.
Was können Eltern falsch machen in ihrer Vorbildfunktion?
Eltern sind auf der einen Seite Vorbild – allein, indem sie sich bewegen, und auch wie sie sich fortbewegen, spielt eine Rolle: mehr zu Fuß, mit dem Fahrrad oder doch mit dem Auto? Kinder beobachten, lernen und ahmen das Verhalten ihrer Eltern nach. Auf der anderen Seite ist es für Erwachsene wichtig, die Verkehrsregeln zu beachten und auch zu erklären, warum sie wichtig sind. Wenn Erwachsene sich an diese Regeln halten, lernen die Kinder, dass diese Regeln eingehalten werden müssen. Wenn Eltern bei Rot über die Straße gehen, denkt sich das Kind vielleicht, es handelt sich um einen Richtwert und nicht um eine Regel.
Tipps für junge Eltern?
Geben Sie den Kindern die Zeit und die Möglichkeit, sich zu bewegen. In möglichst vielen Facetten. Die Kinder haben ja einen Bewegungsdrang, der angeboren ist. Ich möchte Eltern wirklich nahelegen, diesen Drang nicht einzuschränken, sondern zu fördern. Das, was man im Kindesalter aufbaut – nicht nur an motorischen Fähigkeiten, sondern auch an Bewegungslust –, zieht sich weiter über die Jugend bis ins Erwachsenenalter. Das ist eine prägende Zeit, und hier kann man Eltern nur empfehlen, sich das zu Herzen zu nehmen, um den Kindern eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen und möglichen gesundheitlichen Beschwerden entgegenzuwirken.
Dr.in Verena Zeuschner im Gespräch mit konsument.at (Foto: Caroline Müllner)