Manche legen Wert auf ein sauberes Äußeres, manche auf ein gepflegtes Inneres. Tarek Bahr lebt in Deutschland und bestellt im Dezember 2022 beim Welser Unternehmen ScalePoint GmbH Fußmatten für sein Auto. Sie kosten 129,83 Euro und das Werbeversprechen lautet: „Jede Matte wird von Hand gefertigt.“ Der Onlineshop fragt nach Automarke, Karosserieform, Baujahr, Getriebe, Farbe und Anzahl. Die Rechnung bezeichnet die Ware als „Exklusive Fußmatten-Anfertigung - Schwarz-Rot/Vorne und Hinten“.

ScalePoint: Fußmatten fürs Auto
„Aufdringliche Bitte“. - War das eine echte persönliche Maßanfertigung? Und darf der Kunde vom Kauf zurücktreten?
Rücktritt vom Kauf
Rund 12 Stunden nach seiner Bestellung möchte Herr Bahr vom Vertrag zurücktreten - gemäß § 11 Fernabsatzgesetzes (FAGG). Kund:innen in Onlineshops haben ein 14tägiges Rücktrittsrecht.
Die Antwort von ScalePoint kommt prompt: Die Bestellung könne nicht zurückgenommen werden und zwar aufgrund der „persönlichen Anfertigung“. War das jetzt eine echte persönliche Maßanfertigung? Oder ist das einer jener Fälle, wo Unternehmen sich unberechtigterweise auf diese Ausnahme berufen, obwohl gar keine „persönliche Anfertigung“ vorliegt?
Kein Rücktritt bei Sonderanfertigung
Mag. Johanna Pichler, die als Juristin den Fall betreut hat: Es ist richtig, dass laut FAGG (§ 18 Abs1 Z3) für Waren, „die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind“, das Rücktrittsrecht entfällt. Echte Sonderanfertigungen (Brautkleid nach Maß, Adressaufkleber, T-Shirts mit personalisiertem Aufdruck …) haben kein Rücktrittsrecht. Die Rückabwicklung wäre für den Verkäufer wirtschaftlich unzumutbar.
Nach Standardmaßen angefertigt
Wenn aber die Ware nach Standardmaßen angefertigt oder aus vorgefertigten Standardbauteilen zusammengefügt wird, dann bleibt das Rücktrittsrecht erhalten. Den Anzug von der Stange kann man zurückschicken. - Im Fall von Herrn Bahr, so informierten wir ScalePoint, handelt es sich um eine Anfertigung nach Standardmaßen. Der Kunde hat gesetzeskonform sein Rücktrittsrecht ausgeübt.
Schlechtes Deutsch, pampiger Stil
In einer ersten Reaktion weigerte sich das Unternehmen in schlechtem Deutsch und pampigem Stil seiner Verpflichtung nachzukommen und bezeichnete unser Schreiben als „aufdringliche Bitte“.
"Auf eigene Kosten zurücksenden"
Der Hinweis auf unsere Rechtsabteilung bewog das Unternehmen dann, dem Kunden die Rückzahlung anzubieten. Herr Bahr könne "die Bestellung auf eigene Kosten an uns zurücksenden. Den Umständen entsprechend werden wir die Fußmatten genauestens prüfen und bei Beschädigungen oder starker Verschmutzung nicht zurücknehmen. Dazu sind wir auch berechtigt."
Fall gelöst, Geld zurück, immerhin.
Betreut hat den Fall ...

... Mag.a Johanna Pichler, Juristin im Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ).
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