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Vater, Mutter, Kind schieben einen Einkaufswagen und werden durch einen roten Regenschirm beschützt
Parship, TikTok, Shopify: Sie haben Probleme mit Onlineplattformen? EU-Behörden vernetzten sich, um Ihre Interessen zu schützen Bild: FGC/Shutterstock

Probleme bei Onlinebestellungen: Vernetzte Behörden schützen Ihre Interessen

Viele haben es erlebt: Es wird einem ein Vertrag oder ein Abo untergejubelt, Verbraucherrechte wie etwa das Rücktrittsrecht im Fernabsatz werden kalt missachtet, bestellte Waren nicht geliefert oder eine ­gebuchte und bezahlte Leistung nicht erbracht. Was kann ich tun?

Selbst wenn im besten Fall eine Organisation des Verbraucherschutzes helfen konnte, liest man auf Bewertungsplattformen, dass es anderen genauso ergangen ist. Das Unternehmen ist nicht erreichbar, macht unbeeindruckt weiter, oder hat nur den Namen gewechselt und wendet die gleiche Masche von einer anderen Webseite aus an.

Geht es anderen auch so?

Da stellt sich die Frage: Warum wird dagegen nichts unternommen? Wieso findet diese Methode ­weitere Opfer? Als Antwort möchten wir ein wenig bekanntes System zur Abstellung von Verstößen vorstellen, welches gegen die Verursacher:innen solcher Rechtsverletzungen vorgeht.

Mehr Onlinehandel – mehr Fälle

Zuvor sei ein wichtiger Aspekt erwähnt: Das massive Anwachsen des internationalen Onlinehandels führt zu einer starken Zunahme von grenzüberschreitenden Problemfällen. Ohne große Bedenken bestellen wir immer mehr Waren oder Dienste im Ausland. Wir liegen damit im Ländervergleich sogar im absoluten Spitzenfeld. Am häufigsten bestellen wir nicht in Österreich, sondern in Deutschland (70 %) und China (15 %). Fast zehn Milliarden im Jahr gaben Österreicher:innen für ausländische Dienste und Waren aus. Das ist um ein Fünftel mehr als im Vorjahr (Quelle: Statista).

In der EU erlebte unlautere Geschäftspraktiken

Diagramm zeigt durchschnittlich am häufigsten in der EU erlebten unlauteren Geschäftspraktiken
Die durchschnittlich am häufigsten in der EU erlebten Geschäftspraktiken.
Versteckte Anzeigen in Suchergebnissen: 77%
Verbraucherbewertungen, die nicht echt zu sein scheinen: 66%
Verkaufsdruck durch ständige Anrufe oder Nachrichten: 41%
„Begrenzte Angebote“, die aber dauerhaft gelten: 32%
Erhöhung des Preises ohne Kündigungsmöglichkeit: 27%
„Kostenlose Produktangebote“, die später verrechnet werden: 26%
Zwangsgebühren für die Einziehung von Lottogewinnen: 26%
Missbräuchliche Klauseln und Bedingungen: 13%
Unvorhergesehene Mehrkosten: 12%
Verkaufsdruck durch Vertreter:innen an der Haustür: 9%
Verkaufsdruck während einer Produktvorführung: 8%

Quelle: EU-Kommission – Consumer Conditions Survey 2021, S 13 https://commission.europa.eu/system/files/2022-04/swd_2022_108_f1_staff_working_paper_en_v3_p1_1903309.pdf
Bild: buero41a/VKI/EVZ

Im E-Commerce wird nicht immer fair gespielt

Bei Konsumentenschützer:innen stapeln sich Anfragen und ­Beschwerden über unseriöse Geschäftsmethoden, Fakeshops und andere Fouls, bei denen Konsument:innen das Bein gestellt wurde. Es scheint manchmal, als hätten die Schiedsrichter keine roten Karten mehr.

Abhilfe durch europäische Initiative

Damit EU-Bürger:innen sicher vom Onlinehandel profitieren können, wurden dem grenzüberschreitenden Konsumentenschutz schärfere Zähne verpasst. Die EU schuf mit der Verordnung zur Verbraucherbehördenkooperation (CPC = Consumer Protection Cooperation) eine Grundlage für die gemeinsame Abwehr unerwünschter Geschäftspraktiken. Damit etwas unternommen werden kann, müssen Behörden aus unterschiedlichen Ländern gemeinsam an einem Strang ziehen. CPC-Behörden in EU-Staaten erhielten weitergehende Befugnisse.

Abzocke aus dem Ausland

Bis dahin konnte eine Behörde im Land der Opfer gegen eine betrügerische Firma im Ausland meist nichts unternehmen. Das Recht einzuschreiten endete an der Landesgrenze. Außerdem gab es im Land des Firmensitzes oft keine einheimischen Geschädigten oder Informationen über das Ausmaß. Also keinen Grund für Behörden vor Ort, aktiv zu werden. Unseriöse Unternehmen nutzten diese Schwachstelle aus und wendeten illegale Methoden systematisch bei ausländischen Kund:innen an.

Standort, Namen und Internetadresse wechseln

Jene, die so ein Geschäftsgebaren auf die Spitze trieben, entzogen sich einer Aufklärung oder Verfolgung, indem sie innerhalb der EU den Standort, den Firmennamen und die Internetadresse wechselten. Sehr häufig geht es hierbei um Abofallen unseriöser Unternehmen oder um auf Social Media aggressiv beworbene Produkte minderwertiger Qualität. Mitunter sind Firmenname und Anschrift unklar oder nicht angegeben. Das CPC-Netzwerk hat Tools und Kompetenzen, Drahtzieher:innen meist doch ausfindig zu machen. Zeigen sich die Verursacher:innen nicht einsichtig, kann dies neben Strafen auch zur Abschaltung von Webseiten oder Sperrung von Konten auf ­digitalen Marktplätzen und sozialen Medien führen.

Unlautere Methoden und fiese Marketingtricks

Doch Abzocke-Webseiten und Betrug sind nicht das einzige ­Problem. Zu oft werden europäische Schutzstandards auch von konventionellen Unternehmen missachtet, zum ­Beispiel mit ­intransparenten Preisen, irreführender oder nicht klar ­gekennzeichneter Werbung, der Benachteiligung von Kund:innen bestimmter EU-Länder (Geoblocking), der Missachtung von Gewährleistungspflichten, und immer häufiger auch durch ­unwahre Nachhaltigkeitsversprechen (Greenwashing).

„Dark Patterns“

In der Rüstkammer unfairer Geschäftspraktiken finden sich auch sogenannte „Dark Patterns“ (siehe auch Lootboxen). Damit sind Webseiten gemeint, die so gestaltet sind, dass sie Besucher:innen zu ungewollten Kaufentscheidungen manipulieren oder ihnen die Zustimmung zur Verwertung persönlicher Daten abluchsen. Im Warenkorb wird etwa automatisch eine Ware oder ein kostenpflichtiger Zusatzdienst (z. B. Versicherung) platziert. So zahlen tausende Kund:innen extra, weil sie die teurere Vorauswahl gar nicht bemerkt und deshalb nicht deaktiviert haben.

„Nur noch 2 Plätze verfügbar“

Zu unfairen Gestaltungselementen zählen auch angeblich ablaufende Angebote, die zum schnellen Kauf drängen. Wer kennt das nicht – neben dem angezeigten Hotelzimmer oder Flug steht „Nur noch 2 Plätze verfügbar“ oder „Weitere 5 Personen schauen sich dieses Angebot gerade an.“ Dies erzeugt Kaufdruck und entspricht oft nicht der Wahrheit.

EU-weite Branchenchecks

Damit sich CPC-Behörden gezielt gegen unfaire Methoden in international abgestimmten Aktionen zur Wehr setzen können, wird im EU-Markt regelmäßig die Sachlage untersucht. Das Instrument dafür sind länderübergreifende „Sweeps“. Bei diesen Überprüfungen durch CPC-Partner werden in mehreren EU-Ländern abwechselnd unterschiedliche Branchen durchleuchtet, um anschließend konkrete Schritte zu beschließen.

Checks von 286 E-Commerce-­Seiten

So zeigte sich im ersten Pandemiejahr im Rahmen eines Checks von 286 E-Commerce-­Seiten, Warenbörsen, Suchmaschinen und sozialen Medien, dass 208 davon gesetzliche Vorgaben beim Verkauf von Gesundheitsprodukten gegen Covid-19 verletzten. Irreführende Angebote von Schutzmasken, Gels, Medikamenten, Nahrungszusätzen, Testkits und andere fälschlich als Covid-19-abwehrend oder heilend beworbene Produkte wurden mitsamt den verantwortlichen Händlerkonten aus dem Verkehr gezogen.

Avis, Hertz und Sixt: Autovermietungen im Visier

Auch bei Sweeps von Praktiken von Autovermietungen fand man Nachholbedarf bei der Preistransparenz und in den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die „Big 5“

mussten in den vergangenen Jahren mehrfach nachbessern. Trotzdem entsprach im 2021 durchgeführten Sweep von 78 geprüften Mietwagenvermittlungsseiten nur rund die Hälfte den Bestimmungen.

Vor allem fielen jene negativ auf, welche Autos anderer Mietwagenfirmen weitervermitteln (etwa Airlines oder allgemeine Buchungsportale). Die Hälfte enthielt Kund:innen wichtige Angaben zur gebuchten Versicherung vor. Ein Drittel verschleierte Firmennamen und somit, welches Unternehmen an den Vertrag und die Bedingungen gebunden und bei Problemen zu kontaktieren ist. Zudem operierte ein Fünftel mit versteckten Extrakosten. Eine EU-weite CPC-Aktion kann folgen. 

Koordinierte Aktion gegen Shopify

Dropshipping: lange Lieferzeit, minderwertige Ware

Es gibt Onlineshops mit europäischen Webseiten, die Produkte anbieten, die sie nicht auf Lager halten, und die Bestellungen an Hersteller oder Verkaufsplattformen in Drittländern weitergeben. Diese wichtige Information fehlt zumeist aber. Das Geschäftsmodell wird Dropshipping genannt. Probleme hierbei: Die Hersteller aus dem Drittland haben oftmals sehr lange Lieferzeiten und liefern häufig minderwertige Ware, die nicht der Werbung entspricht. Wenn Verbraucher:innen die Ware zurückschicken wollen, wird der Rücktritt vom Vertrag nicht akzeptiert. Es wird lediglich ein Rabatt vorgeschlagen. Bleibt man hartnäckig, wird eine Rücksendeadresse in Fernost genannt, an die auf hohe ­eigene Kosten retourniert werden soll.

Verrechnungs-, Logistik- und andere Webshop-Elemente

Die rasant gewachsene kanadische Firma Shopify stellt Unternehmern im Baukastensatz Verrechnungs-, Logistik- und andere Webshop-Elemente zur Verfügung. Einige Händler missbrauchen das System, um über einen Dropshipping-Webshop schnell ans große Geld zu kommen (wie es ihnen manche „Berater:innen“ gegen Geld glauben machen). Im Juli 2021 hat das CPC-Netzwerk begonnen, mit Shopify zu verhandeln. Illegale Praktiken von unseriösen Dropshipping-Unternehmen sollen unterbunden werden.

Webshops umgehend überprüfen und sperren

Im Oktober 2022 verpflichtete sich Shopify, seine Systeme und Vorlagen so aufzusetzen, dass Betreiber:innen von Webshops ihre Kontaktdaten angeben müssen. Weiters wird Shopify seinen Shopbetreiber:innen die EU-Verbraucherrechte klar ­machen. Shopify wird nach Anzeigen von CPC-Behörden Webshops umgehend überprüfen und, falls diese gegen EU-Verbraucherrecht verstoßen, sperren. Bei Bedarf sollen nationale Behörden Unternehmensinformationen zu jedem in der EU tätigen Shopify-Händler bekommen, um schneller reagieren zu können. Auch gegen unseriöse Shopify-Händler mit Sitz außerhalb der EU wird fortan mit der kanadischen Wettbewerbsbehörde kooperiert.

Große Onlineplattformen im Visier ...

Besonders weitreichende Probleme, die mehr als drei EU-­Länder betreffen, gehen oft von großen Internetkonzernen, sozialen Netzwerken und digitalen Marktplätzen aus. Dabei rufen viele Warnmeldungen oder Gerichtsverfahren die EU-Kommission auf den Plan. Verbesserungen werden verhandelt und eingeholte Verbesserungszusagen veröffentlicht. Nationale Verbraucherschutzstellen des CPC überwachen danach die Einhaltung.

... AliExpress, TikTok, Parship, Booking.com, Airbnb und Expedia

  • AliExpress, die populäre Verkaufsplattform für Diskontware aus China, muss nun deutlichere Angaben zum Recht auf Widerruf und zu Garantiebestimmungen machen. Identität der Verkäufer und korrekte Produktinformationen werden nun in der Suche angezeigt.
  • TikTok, die beliebte Kurzvideoplattform, muss kommerzielle Inhalte wie bezahlte Influencer-Empfehlungen eindeutiger kennzeichnen. Dem sehr jungen Publikum soll klar sein, welche Konsequenzen Likes, Kommentare und Direktnachrichten haben und welche Beiträge gesponsert sind.
  • Parship, die größte Dating-Plattform, klärte unvollständig über das Widerrufsrecht und die automatische Vertragsverlängerung auf. Nach einer CPC-Aktion mehrerer Länder sind nun Kosten für Dienste und Abo klarer ausgewiesen.
  • Booking.com, Airbnb und Expedia, die größten Nächtigungsportale in der EU, wurden zu mehr Transparenz bei Angebot, Rabatt und Preisbildung verpflichtet. Manipulative Angebote, versteckte Nebenkosten und widerrechtliche Vertragsklauseln zu Haftungsausschluss und Gerichtsstand wurden behoben.

LINKS

Download: Gemeinsam stärker über Grenzen hinweg - Behörden-Zusammenarbeit

EU Flagge, darunter steht "Mitfinanziert durch die Europäische Union"
Bild: ECC-net

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