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Mehrere Schirme mit dem Gösser-Logo vor einem Wirtshaus. Daneben das Greenwashing-Check-Logo.
Wir haben Gösser wegen irreführender Werbeaussagen geklagt. Bild: Ina Meer Sommer/Shutterstock.com; Montage: VKI

Gösser: Gut, besser, Greenwasher

Gösser wurde von uns wegen irreführender „grüner“ Werbeaussagen geklagt. Das Gericht gab uns recht. Wie es zu diesem Urteil kam.

CO2-neutral, klimaneutral, treibhausgasneutral. Diese und ähnliche grüne Werbebotschaften wurden zuletzt überschäumend oft verwendet. Ökologische Themen sind angesagt. Das wissen die Werbestrateg:innen und Marketingabteilungen. Auch bei Gösser.

Wenn die steirische Brauerei wirbt, dann wird’s idyllisch: plätschernde Gebirgsbäche, saftige Wiesen, weit und breit kein menschlicher Eingriff in die Natur, außer vielleicht ein uriger Heustadel auf der Alm. Die Leitfarbe von Gösser ist seit jeher grün. Da konnte der Mutterkonzern Brau Union ja fast nicht anders, als das Thema Nachhaltigkeit als Marketingvorgabe für seine Flaggschiffmarke umzusetzen.

Beworben als 100 Prozent CO2-neutral gebraut

Laut der zum Heineken-Konzern gehörenden Brau Union wird Gösser seit 2016 zu 100 Prozent CO2-neutral gebraut. Gösser warb unter anderem mit dem Slogan „CO2-neutral gebraut: Nachhaltig schmeckt uns das Leben besser“. Im Jänner 2022 stieß KONSUMENT-Nachhaltigkeitsredakteur Markus Stingl auf diese Werbelinie – und wurde hellhörig. Denn allein die Tatsache, dass es im Gösser-Sortiment kein Bio-Bier gibt, ließ ihn an der Nachhaltigkeitsbotschaft zweifeln. Ist Gösser wirklich so grün, wie uns das Marketing glauben machen will? Stingl machte den Greenwashing-Check-Projektleiter Raphael Fink darauf aufmerksam. Im April 2022 war es so weit. Fink vertiefte sich in die Materie.

Screenshot der Gösser-Webseite mit der Aussage "CO2-neutral gebraut".
Bild: VKI

Der Greenwashing-Check

Gösser ist in vielen Bereichen in Sachen Nachhaltigkeit auf einem durchaus lobenswerten Weg. Solarenergie aus eigener Produktion, Abwärme aus einem benachbarten Produktionsbetrieb – all das wird genutzt, um den Brauprozess ökologischer zu machen. Die daraus abgeleitete Werbestrategie ist aber irreführend. Gösserbier wird, wie bereits erwähnt, laut Eigenaussagen CO2-neutral gebraut. Allerdings betrifft das nicht den gesamten Herstellungsvorgang. Vor- und nachgelagerte Produktionsprozesse wurden geflissentlich unter den Teppich gekehrt – insbesondere das Thema Mälzen.

Mälzen braucht nicht wenig Gas

Hopfen und Malz, Gott erhalt’s. Diesen Spruch kennen alle Bierfans. Als Laie geht man davon aus, dass Brauereien solche wichtigen Bierzutaten nicht aus der Hand geben. Tatsache ist aber, und da müssen wir der Auskunftsfreudigkeit der Brau Union danken, dass Gösser die Gerste nicht selbst mälzt. Sondern das Malz bei Lohnmälzern einkauft. Und diese Subunternehmen verwenden laut Stellungnahme seitens Gösser Gas. Und zwar nicht wenig. Denn Mälzen ist energieintensiv. Es ist hinsichtlich der Umwelt- bzw. Treibhausgaswirkungen von Bier ein zentraler Prozess. Klingt nicht sehr klimafreundlich und CO2-neutral, oder?

Screenshot der Gösser-Webseite mit einem Schaubild zum Mälzprozess.
Knackpunkt Mälzen: Die Brau Union stellt das Mälzen auf einem Schaubild explizit als Teil des Brauprozesses dar. Bild: VKI

>> Zum Gösser-Greenwashing-Check auf TikTok

Die Rechtsabteilung

So sahen es auch die Kolleg:innen der VKI-Rechtsabteilung. Auch dort sieht man Green Claims und die zunehmende Verwässerung umweltbezogener Begriffe schon länger kritisch. Für KONSUMENT hieß es nun, einen weiteren Greenwashing-Check auf die Beine zu stellen. Denn es war klar: Das Thema Gösser wird die Gerichte beschäftigen und kann daher noch nicht veröffentlicht werden.

Klage mit Erfolg

Im Auftrag des Sozialministeriums klagte der VKI die Brau Union im Juni 2022 wegen Verstoßes gegen das UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Mit Erfolg! Ende April 2023 lag das (noch nicht rechtskräftige) Urteil vor. Es besagt Folgendes: Die Brau Union darf künftig kein Produkt mehr mit „CO2-neutral gebraut“ (oder sinngleich) bewerben, wenn nicht deutlich darauf hingewiesen wird, dass nicht der gesamte Herstellungsprozess ab Ernte CO2-neutral erfolgt.

Die Brau Union ging in Berufung. Auch der VKI legte Berufung in einem vom Gericht nicht zugesprochenen Punkt ein. Sollte das Höchstgericht unserer Berufung stattgeben (zu Redaktionsschluss lag das endgültige Urteil noch nicht vor), hätte dies noch weitreichendere Konsequenzen: Die Brau Union müsste es dann unterlassen, ein Produkt mit einzelnen, aus Umweltsicht besonders attraktiven Umständen (insbesondere „CO2-neutral gebraut“) zu bewerben, ohne hinreichend deutlich darüber zu informieren, in welchem Verhältnis diese Umstände zu den durch das Produkt insgesamt verursachten Umweltbelastungen stehen (insbesondere, dass der Brauprozess ca. 12 % der gesamten durch die Bierproduktion verursachten Klimabelastung ausmacht). Barbara Bauer, zuständige Juristin im VKI, bringt es auf den Punkt:

Portrait von Barbara Bauer, Juristin beim VKI
Dr.in Barbara Bauer, Juristin beim VKI Bild: Konstantinouidi/VKI

„Für eine realistische Einschätzung der Klimafreundlichkeit eines Produktes ist es aus Sicht des VKI unerlässlich, den gesamten CO2-Fußabdruck des Produktes zu kennen und nicht nur den eines einzelnen Produktionsschrittes.“

Dr.in Barbara Bauer, Juristin in der Rechtsabteilung des VKI

Mission erfüllt

Dieser (erstinstanzliche) Entscheid ist de facto das erste Greenwashing-Urteil in Österreich der jüngeren Vergangenheit. Es kann daher durchaus als richtungsweisend bezeichnet werden. Im österreichischen Rechtssystem gibt es zwar keine Präzedenzfälle, dennoch orientieren sich Richter:innen in der Praxis an bereits ergangenen Urteilen. Vor allem dann, wenn es sich um höchstgerichtliche Urteile handelt. Für Unternehmen heißt es dann umso mehr: warm anziehen bei irreführenden grünen Werbeaussagen.

Uns vom VKI freut das Urteil natürlich sehr, gerade im Hinblick auf die selbst gesteckten Ziele des Greenwashing-Checks. Wir sind vor rund zweieinhalb Jahren angetreten, die Konsument:innen für das Thema zu sensibilisieren, öffentlichen Druck auf Unternehmen aufzubauen und gegebenenfalls auch den Rechtsweg zu beschreiten.

Melden Sie Greenwashing!

Um den Markt in Bezug auf Greenwashing bestmöglich zu kontrollieren, sind wir auf Ihre Mithilfe angewiesen. Deshalb können wir unsere monatliche Aufforderung nur wiederholen: Melden Sie uns Greenwashing! Der VKI geht aktiv und erfolgreich gegen Greenwashing auf allen Ebenen vor. Der Greenwashing-Check ist ein großer Erfolg und wir bleiben weiterhin dran.

Wir blicken auch deshalb optimistisch in die Zukunft, weil sich in Sachen Greenwashing auf EU-Ebene einiges tut. Wenn die sogenannte Green-Claim-Verordnung wie geplant 2024 in Kraft tritt, bedeutet das: leichtere Rechtsdurchsetzung bei irreführenden grünen Werbebotschaften.

Greenwashing? Grünes Mascherl, nichts dahinter? Melden Sie es uns!
Greenwashing? Grünes Mascherl, nichts dahinter? Melden Sie es uns! Bild: VKI

Sie sind über ein dreistes grünes Werbe­versprechen gestolpert? Helfen Sie mit bei unserer ­Offensive gegen Greenwashing! Ein Formular dafür finden Sie auf konsument.at/greenwashing.

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