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Ernährungsmythen: 100 Fragen - Rund ums Essen

Heiße Hühnersuppe hilft gegen Verkühlung, Apfelkerne sind giftig. Wenn man Kirschen isst und danach Wasser trinkt, bekommt man Bauchweh! Im neuen KONSUMENT-Buch ­gehen wir 100 immer wieder aufgestellten Behauptungen zur Ernährung auf den Grund.

Rund ums Essen und Trinken ranken sich zahllose Mythen. Wer wurde als Kind nicht davor gewarnt, Wasser zu trinken, wenn er Kirschen gegessen hatte, weil man davon Bauchweh bekommt. Lag man mit einer Erkältung im Bett, galt ein Teller heiße Hühnersuppe als Mittel mit hohem Genesungspotenzial. Milchprodukte sollten im Alter den Knochenbau stärken. Ob derlei Behauptungen zutreffen, wurde selten hinterfragt. Was über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte weitergegeben wurde, musste ja schließlich wenigstens ein Körnchen Wahrheit enthalten.

Mythenbildung im Internet

Zu manchen Mythen unserer Kindheit haben wir inzwischen eine gewisse Distanz ent­wickelt. Manche mögen uns in unserer wissen­schaftlichen Aufgeklärtheit mittlerweile wohl gar etwas abstrus erscheinen und zum Schmunzeln verleiten. Doch bevor wir die Überlieferungen unserer Vorfahren als mittel­alterlichen Unsinn abtun, sollten wir lieber in uns gehen. Wohl niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte florierte die ­Mythenbildung so wie heute. Nie war es einfacher, Mythen in die Welt zu setzen. Das Internet und hier vor allem soziale Medien sorgen dafür, dass Nachrichten und Infor­mationen ungeheure Verbreitung finden und sich verselbstständigen.

Viel Werbung für "gesunde" Lebensmittel

Die Lebensmittel­industrie hat sich dies längst für die Bewerbung ihrer Produkte zunutze gemacht. Nie zuvor in der Menschheitsgeschichte gab es so viele "gesunde" Lebensmittel wie heute. Aber auch Anbieter von Kuren, Diäten oder Nahrungsergänzungsmitteln untermauern die vermeintliche Wirksamkeit ihrer ­Produkte gerne durch „Studien“.

Fakten und Fakes

Bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der im Netz verbreiteten Informationen handelt es sich um Halbwahrheiten und Hoaxes, wie Falschmeldungen im Internet genannt ­werden. Fakten von Fakes zu unterscheiden, ist für Otto Normalverbraucher in vielen ­Fällen nicht möglich. Die Wissenschaftler von medizin­-transparent.at, einem Projekt von Cochrane Österreich, ­haben deshalb für uns 100 Ernäh­rungs­mythen unter die Lupe genommen und nach Belegen für die jeweilige Behauptung gesucht. Die gemein­nützige Cochrane Orga­nisation ist weltweit tätig und überprüft unter anderem die wissen­schaftliche Relevanz von Studien­ergebnissen. Bei der Bewertung spielt nicht nur die Qualität der Studien, sondern auch die Unabhängigkeit der Wissenschaftler ­eine entscheidende Rolle.

Nicht erforscht

Viele der aufgestellten Behauptungen erwiesen sich bei der Analyse als wenig stichhaltig. In einigen Fällen konnten unsere Experten zu ihrem eigenen Erstaunen nicht einmal Studien finden. Eines dieser Negativbeispiele dreht sich um Detox.

Detox? Keine Schlacken im Körper

Welche Gifte?

Derartige Detox-Präparate und Kuren ­erfreuen sich nicht unbeträchtlicher Nach­frage. Die grundsätzliche Idee von Detox ­besteht darin, dass jeder Mensch seinen Körper gelegentlich von Giften befreien sollte, die sich durch Umweltschadstoffe oder Pes­tizide, ungesunde Ernährung, Rauchen oder Alkohol­konsum ansammeln. Um welche Gifte es sich handelt, ist meist nicht näher beschrieben.

Wie entfernen?

Diffus bleibt auch, wie diese entfernt werden sollen. Zwar nehmen wir regelmäßig Giftstoffe in gewissen Dosen auf, ob sie sich aber im Körper ansammeln und durch Detox-Kuren ausgeschieden ­werden können, ist unklar. Bei gesunden Menschen erledigen bestimmte Organe ­diese Aufgabe in aus­reichendem Maß. Erst wenn ein Entgiftungsorgan ausfällt, etwa die Nieren, können sich Schadstoffe an­sammeln, die dann durch eine Dialyse ­maschinell aus dem Blut filtriert ­werden müssen.

Keine Schlacken im Körper

Im Zusammenhang mit Detox-Kuren ist auch immer wieder von „Schlacken“ die Rede. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Indus­trie. Normalerweise werden damit Rückstände aus Verbrennungs- und Metall­verarbeitungsprozessen bezeichnet. Im menschlichen Körper konnten Schlacken oder vergleichbare Stoffe bislang nicht ­nachgewiesen werden. Es wird also ein Problem thematisiert, das in Wahrheit nicht ­existiert. So verwundert es auch nicht, dass es keine Studien gibt, die einen gesund­heitlichen ­Vorteil von Detox-Kuren nach­weisen.

Rohkost: gesundheitliche Nachteile möglich

Rohkost: gesundheitliche Nachteile möglich

Fehlanzeige auch, wenn man etwa nach Belegen dafür sucht, dass eine Rohkost- ­Ernäh­r­ung gesundheitliche Vorteile mit sich bringt, wie es immer wieder heißt. Die Recherche brachte keine überzeugenden ­Studien ans Licht, die strikter Rohkost gesundheitliche Vorteile gegenüber einer ausgewogenen ­Ernährung attestieren, die auch gekochte Lebensmittel beinhaltet. Im Gegen­teil. Es gibt sogar Hinweise auf ­mögliche gesundheitliche Nachteile. Durch Rohkost wird die Lebensmittelauswahl stark eingeschränkt und es besteht die Gefahr ­einer Unterver­sorgung mit wichtigen Vit­aminen und Spuren­ele­menten.

Rotwein gut fürs Herz?

Auch die immer wieder aufpoppende ­Meldung, dass der Genuss von Rotwein im ­Speziellen vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen könnte, ist wissenschaftlich nicht gut abgesichert. Es gibt zwar schwache ­Hinweise darauf, dass moderate Mengen von Alkohol einen solchen Effekt haben, ob diese Wirkung bei Rotwein allerdings ausgeprägter ist als bei anderen alkoholischen Getränken, wurde nicht ausreichend untersucht.

Fundierte Belege

Bei anderen Aspekten finden sich durchaus fundierte Belege. Viele Eltern geben ihren Babys etwa keine potenziell allergieaus­lösenden Nahrungsmittel wie Kuhmilch, Erdnüsse oder Hühnereier. Sie glauben, dass ihre Kinder im späteren Leben so vor Lebensmittel­allergien geschützt sind. Studien zeigen allerdings relativ klar, dass dies nicht hilft.

Mittelmeer-Küche

Relativ gut erforscht ist beispielsweise auch, dass eine mediterrane Ernährung, die auf Obst, Gemüse, Olivenöl sowie in moderaten Mengen auf Fisch, Geflügel, Eiern und Wein basiert, das Herz-Kreislauf-Risiko mindert.

Führen Milchprodukte zu Verschleimung?

Verursacht der Genuss von Milch­produkten eine Verschleimung und Erkrankungen im Hals-Nasen-Ohren- Bereich?

Dafür gibt es keine Hinweise.

Chinesische Medizin rät zu verzichten

Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) rät dazu, auf Milch und Milchprodukte zu verzichten. Besonders bei Erkrankungen der Atemwege wie Bronchitis oder chronischem Schnupfen sei häufig Milch im Spiel, weshalb eine Verringerung der konsumierten Menge beziehungsweise der Verzicht auf Kuhmilch hilfreich für die Genesung sei. Doch gibt es dafür irgendwelche wissenschaftliche Belege?

Forscher aus Neuseeland haben herausgefunden, dass ein bestimmtes Abbauprodukt der Milch im Darm befindliche Drüsen zu verstärkter Schleimproduktion anregen kann. Die Autoren ­stellen nun die Hypothese auf, dass eben diese Stoffe über die Blutbahn zur Lunge gelangen und dort im Fall ­einer Entzündung vermehrt die Schleimproduktion anregen könnten.

Kuh- und Sojamilch: ohne Unterschied

Beweise dafür können die Wissen­schaftler ­allerdings nicht liefern, denn es gibt keine Studien dazu. Im Gegenteil: In einer Arbeit wurde ­Probanden, die behaupten, nach dem Konsum von Kuhmilch eine Verschleimung feststellen zu ­können, Kuhmilch und Sojamilch vorgesetzt. Die Studienteilnehmer wussten nicht, was sie bekamen, und im Versuch zeigte sich auch kein Unterschied ­zwischen den beiden Milchsorten bezüglich einer Schleimbildung.

Kein Einfluss auf Asthma und Entzündungen

In einer anderen ­Studie wurden mögliche negative Effekte von Milchkonsum auf Asthma­erkrankungen bei Kindern und bei Erwachsenen untersucht. Auch hier konnte kein Einfluss von Kuhmilch festgestellt ­werden. Eine Untersuchung nahm sich der Frage an, inwieweit ein hoher Konsum von Kuhmilch die Entzündungswerte im Blut ansteigen lässt. Auch hier zeigten sich keine Auswirkungen. Unterm Strich gibt es bislang keinerlei Belege dafür, dass Kuhmilch verschleimend wirkt oder Erkrank­ungen verursacht.

Macht Schokolade glücklich?

Schokolade kann unter bestimmten Um­ständen zu einer kurzfristigen Verbesserung der Laune beitragen.

Dass der Genuss von Schokolade die Stimmung aufhellen soll, hört man immer wieder. Hauptbestandteile der Süßigkeit sind Kakao, Milchpulver und Zucker. Darüber hinaus enthält Schokolade viele andere Stoffe, etwa Emulgatoren, Fette, Sojalecithin und diverse Aromastoffe.

Stimmungs­aufheller Tryptophan

Vielen dieser Inhaltstoffe wird grundsätzlich zugetraut, eine Wirkung auf das menschliche Gehirn zu haben. Zucker etwa kann im Gehirn ähnlich wie Alkohol oder Drogen das Belohnungszentrum aktivieren. Ebenfalls immer wieder als Stimmungs­aufheller in Zusammenhang mit Schokolade genannt wird Tryptophan. Diese Substanz gehört zu den sogenannten essenziellen ­Aminosäuren. Sie kann also vom ­Körper nicht selbst gebildet werden, sondern muss mit der Nahrung zugeführt werden. ­Einer Hypothese zufolge könnte Tryptophan als natürliches Antidepressivum wirken. Die Aminosäure ist in Schokolade allerdings nur in sehr geringer Konzentration enthalten. Andere Lebens­mittel, etwa Sojabohnen oder Cashewkerne, enthalten deutlich mehr davon.

Schoko verbessert kurz die Stimmung ...

Gibt es überhaupt wissenschaftliche Belege dafür, dass Schokolade „glücklich macht“? Britische und australische Forscher haben nach entsprechenden Studien gesucht. In fünf von sechs Arbeiten, auf die sie stießen, zeigte Schokolade eine kurzfristig stimmungsverbessernde Wirkung. In den meisten Ex­peri­menten waren die Teilnehmer etwa durch emotionale Videos oder unlösbare Aufgaben in eine ­negative Stimmung gebracht worden. Anschließend wurde getestet, ob Schokolade hilft, diesen Zustand zu verändern – was auch gelang.

... aber ein Apfel auch

In einer Studie wurde die ­Wirkung von Schokolade mit der eines Apfels ­ver­glichen: Beides verbesserte die Stimmung, aber die Schokolade wirkte deutlich besser. Wie nachhaltig dieser Effekt ist, bleibt allerdings unklar. In einer Studie verschwindet er bereits nach drei Minuten, in einer anderen hält er nach 90 Minuten noch nachweisbar an. ­Allerdings nahmen an diesen Studien nur ­wenige Probanden teil. Es bleibt auch völlig offen, ob andere Süßigkeiten denselben ­Effekt wie Schokolade hätten oder sogar noch ­besser wirken würden.

Liegt es am Geschmack?

Die Studien­autoren erklären das Verlangen nach Schokolade durch "den einzigartigen Geschmack und die gemeinsamen Effekte ­aller Inhaltstoffe“. Ob die gefundenen ­Wirkungen auf das Geschmackserlebnis ­zurückzuführen sind oder ob die Inhaltstoffe eine pharmakologische Wirkung haben, ­vermag die Übersichtsarbeit jedenfalls nicht zu beantworten. Dazu wären weitere Studien notwendig. Im Gegensatz zu vielen anderen wissenschaftlichen Untersuchungen dürfte es in ­diesem Fall einfach sein, Probanden zu ­finden.

Sind "grüne Smoothies“ gesund?

Es gibt keine Studien zu „grünen Smoothies“; ­weder über ihre Wirksamkeit noch über eventuelle Nebenwirkungen können evidenz­basierte Aussagen gemacht werden.

Renner im Kühlregal

Smoothies aus dem Supermarkt sind seit ­einigen ­Jahren der Renner im Kühlregal. Die Getränke be­stehen in erster Linie aus Früchten und Obst. Bei „grünen Smoothies“ machen diese Bestandteile allerdings nur die Hälfte der Inhaltsstoffe aus. Zusätzlich mit in den ­Mixer kommen grüne Blätter – neben Kräutern vor ­allem Grünzeug von Karotten, Kohl, Brokkoli – sowie Wasser. Für die Zubereitung sind laut Werbung im Internet angeblich spezielle Hochleistungsmixer notwendig. Diese würden die enthaltenen Bestandteile quasi „vor­verdauen“ und die Zellwände der grünen Pflanzenteile auf­brechen. Dadurch könnten die Nährstoffe vom Organismus leichter aufgenommen werden.

Fördert Chlorophyll die Gesundheit? Nein

Grüne Smoothies sollen, so wird behauptet, durch ihren hohen Vitamingehalt sowie den enthaltenen grünen Pflanzenstoff Chlorophyll eine besondere gesundheitsfördernde Wirkung haben. Es gibt allerdings keine ­Studien die dies belegen würden. Selbst wenn die Smoothies einen hohen Vitamin­gehalt haben, lässt sich daraus noch keine gesundheitsfördernde Wirkung ableiten. Die meisten Menschen in Österreich nehmen ­bereits über die normale Ernährung ­genügend Vitamine und Mineralstoffe zu sich. Ob das enthaltene Chlorophyll gesundheits­fördernd ist, konnte bislang ebenfalls nicht bewiesen werden. Laut einer 2012 veröf­fentlichten Analyse bisheriger Forschungs­ergebnisse zeigten sich in Tierstudien und Untersuch­ungen mit Zell­kulturen gewisse positive Wirkungen.

Derartige Ergebnisse können jedoch nicht auf den Menschen übertragen werden. Die ein­zige Studie, bei der die Einnahme von Chlorophyll am Menschen untersucht wurde, fand keine Effekte.

Kooperation mit medizin-transparent.at

Die Zusammenarbeit zwischen medizin-transparent.at und uns vom Verein für Konsumenten­information (VKI) ist nicht auf das Buch "100 Ernährungsmythen“ beschränkt. Jeden Monat erscheint im Testmagazin Konsument in der Rubrik „Fakten-Check Medizin“ ein Beitrag zu Behauptungen aus dem Gesundheits- und Ernährungsbereich.

Medizin-transparent.at bietet noch einen ­besonderen Service: Leserinnen und Leser können an das Expertenteam auch direkt Fragen stellen; mehr dazu auf www.medizin-transparent.at.

Buchtipp: "100 Ernährungsmythen"

Hilft Hühnersuppe bei Erkältung? Verursachen Kirschen und Wasser Bauchweh? Leben Vegetarier gesünder? Fördern Milchprodukte die Schleimbildung? Macht Schokolade glücklich? Unser neues Buch behandelt auf wissenschaftlicher Basis 100 Fragen rund um das Thema Ernährung.

100 Ernährungs-Mythen - wahr oder falsch? KONSUMENT sagt, ob was dran ist ist

www.konsument.at/ernaehrungsmythen

Aus dem Inhalt

  • Lebensmittel und Ernährungsweisen unter der Lupe
  • Fundierte Antworten auf 100 Fragen
  • Verständliche Bewertungen

Broschiert, 220 Seiten, für Abonnenten zum Vorteilspreis von nur 15 € statt 19,90 € + Versand bis zum 26.10.2016 bestellbar (Auslieferung ab 27.10.2016).

 

 

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