
Kakaoanbau: Bitterer Beigeschmack
Ostern, Weihnachten, Geburtstage. Schokolade ist das ganze Jahr über in aller Munde. Welche Auswirkungen haben unsere Konsumentscheidungen auf die Lebenssituation der Kakaobauernfamilien in den Anbauländern?
Kakaopreis-Rallye
Kakaobohnen sind in etwa gleich groß wie steirische Käferbohnen. Sie sind aber, ohne der hiesigen Hülsenfrucht zu nahe treten zu wollen, ungleich wertvoller.
Dafür genügt ein Blick auf die Preisentwicklung an den internationalen Börsen (nicht, dass es eine Börsennotierung von Käferbohnen gäbe). Kakao hat eine rasante Preisrallye hinter sich (siehe Chart), wir sprechen von einer Verfünffachung des Preises innerhalb mehr oder weniger eines Jahres. Zuletzt sanken die Börsennotierungen wieder etwas.
Die Gründe für den Preisboom sind vielfältig.
Missernten durch Extremwetter
In erster Linie liegt es an Missernten infolge von Dürren und Starkregenfällen. Diese werden, so sind sich Expert:innen einig, in Zukunft aufgrund des Klimawandels eher zu- als abnehmen. Die Preise werden also jedenfalls volatil bleiben.
Prekäre Lebensbedingungen
Und es liegt auch an den Lebensbedingungen der Kakaobauern, v.a. in den beiden größten Anbauländern der Welt, Ghana und Côte d'Ivoire (früher Elfenbeinküste). Auf die beiden westafrikanischen Länder zusammen entfallen fast zwei Drittel der Welternte von Kakao.
Das Leben der Bauern ist mitunter so prekär, dass die Nachfolgegenerationen, also „die Jungen“ lieber in Fabrikarbeit in den Städten ihr Heil suchen als im arbeitsintensiven und unrentablen Kakaoanbau. Es fehlt also auch an Arbeitskraft.

Wenig Ertrag, geringe Qualität
Die Preissituation, die jahre-, ja jahrzehntelang bei Kakao vorgeherrscht hat, war desaströs für die lokale Bauernschaft. Die Folgen: Es wurden zu wenig neue Bäume gepflanzt, die alten sind ertragsschwach. Hinzu kommt, dass die Plantagen meist sehr klein sind, also per se (zu) wenig abwerfen.
Darüber hinaus ist die westafrikanische Kakaoqualität nicht sonderlich hoch. Der Kakao für die industrielle Massenfertigung kommt aus Westafrika, der Premium-Kakao sehr oft aus Lateinamerika (wo deswegen auch höhere Preise erzielt werden).
Massenfertigung bedeutet auch Monokulturen. Monokulturen bedeuten höhere Gefahr von Schädlingsbefall. Und entsprechend werden Pestizide nicht gerade zurückhaltend eingesetzt; die wiederum haben sich in der jüngeren Vergangenheit massiv verteuert.
Preise staatlich diktiert
Ein weiterer Grund der prekären Lage der Bauern: In Westafrika werden die Kakaopreise staatlich diktiert – und das nicht zum Vorteil der Landwirte, die im Vergleich zum Weltmarktpreis schon mal 30 Prozent weniger bekommen – auch ein Grund, warum der finanzielle Spielraum für neue Pflanzen sehr eingeschränkt ist.
Unterm Strich hat diese Gemengelage die Folge, dass die Nachfrage nach Kakao aktuell viel größer ist als das Angebot, und die Preise steigen. Die Welterntemenge beträgt in Spitzenzeiten fünf Millionen Tonnen. Aktuell fehlen rund 25 Prozent.

Für Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich, sind die hohen Preise ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sei dieses Preisniveau für die Schokolade-Produzenten sehr belastend. „Die kämpfen momentan wirklich.“
Ob Preissteigerungen an Konsument:innen weitergegeben werden, und in welchem Umfang, bleibt abzuwarten. Bei Zotter Schokolade in der Steiermark z.B. habe man bereits im August des Vorjahres eine Preisanpassung vorgenommen, derzeit seien keine großen Preissprünge erforderlich, sagt Chocolatière Julia Zotter, Tochter des Gründers Josef Zotter.
Desaströse Lebensbedingungen
Die andere, positive Auswirkung der hohen Börsenpreise: Die Einkommenssituation der Bauern vor Ort verbessert sich langsam. „Die Situation war wirklich jämmerlich und beschämend in den vergangenen 20 Jahren“, sagt Kirner. „Die Preise waren definitiv nicht fair.“ Auch wenn nun höhere Preise bei den Bauern ankommen: „Die Lebensbedingungen der meisten Kakaobauern-Familien in Westafrika sind nach wie vor desaströs.“
Eine Studie in Auftrag von Fairtrade zeigt, dass 2021 lediglich 15 Prozent der Kakaobauern in Côte d'Ivoire ein existenzsicherndes Einkommen erzielen konnten. Inzwischen sind es immerhin x Prozent, wie das aktuelle Update der Studie zeigt.
Langfristige Partnerschaften
Dem Familienunternehmen Zotter war es seit je her ein Anliegen, faire Preise zu bezahlen und langfristige Partnerschaften aufzubauen, und zwar ohne Zwischenhändler.

„Noch vor zwei Jahren hat die Tonne Kakao an der Börse 2.500 US-Dollar gekostet. Wir haben schon damals 5.000 bis 7.000 Dollar bezahlt“, sagt Julia Zotter. Deshalb ist Zotter Schokolade von den Preissprüngen nicht so massiv gebeutelt. Zotter kauft hauptsächlich im Premiumsegment in Lateinamerika, man habe aber auch Partner in Ghana.
Nur ein paar Cent beim Bauern
Einer Erhebung der Europäischen Kommission zufolge naschen die Kakaobauern in der Regel nur marginal am Endprodukt Schokolade mit. 90 Prozent der Gesamtmargen streichen die Schokoladenunternehmen und die Einzelhändler ein.
Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass vom Kaufpreis eines Schokoosterhasen oder einer Tafel Schokolade nur ein paar Cent bei jenen ankommen, ohne deren Rohstoff gar nichts geht.
„Bei Schokolade entsteht sehr viel Wertschöpfung bei der Verarbeitung“, versucht Fairtrade-Geschäftsführer Kirner etwas relativierend zu erklären. Je rohstoffnäher das Endprodukt sei, desto mehr komme vom Kaufpreis bei den Bauern an. Bananen brauchen z.B. nicht veredelt zu werden, sie werden nur gepflückt, reifen nach und landen schon im Supermarkt.
Kinderarbeit massives Problem
Wie jämmerlich und beschämend die Lebensrealität der westafrikanischen Kakaobauern war und ist, lässt sich insbesondere anhand einer Auswirkung festmachen: (illegaler) Kinderarbeit. Laut einer oft zitierten Studie aus 2020 (NORC-Bericht Universität Chicago) schuften mehr als 1,5 Millionen Kinder in Ghana und der Côte d'Ivoire in der Kakaoindustrie.
Manche sind die Kinder der Bauern und arbeiten insbesondere in den zwei Ernteperioden monatelang in den Plantagen mit, statt in die Schule zu gehen.
Wiederum andere arbeiten außerhalb des Familienverbands unter ausbeuterischen Bedingungen das ganze Jahr über im Kakaoanbau. Sie werden zum Teil mit leeren Versprechungen aus umliegenden, noch ärmeren Ländern nach Ghana bzw. Côte d'Ivoire gelockt. Letzteres fällt unter den Terminus moderne Sklaverei.

Wie man dieser Problematik Herr wird?
„Es hilft nichts, wenn ich Kinderarbeit nur verbiete“, meint Kirner, „man muss den Bauern eine wirtschaftliche Perspektive bieten“. Das ist auch der Ansatz von Fairtrade. Es braucht einen Preis, der es den Bauernfamilien ermöglicht, ein menschenwürdiges Leben zu leben.
Fairtrade zahlt einen Mindestpreis. Zusätzlich gibt’s noch die Fairtrade-Prämie, die in Projekte wie Schulen, Transportmittel oder Geräte fließt. Aber auch das Lieferkettengesetz, sagt Kirner, sei ein „guter Zugang im Kakaobereich“.
Kommentieren
Sie können den Text nach dem Abschicken nicht nachträglich bearbeiten, Länge: maximal 3000 Zeichen. Bitte beachten Sie auch unsere Netiquette-Regeln.
Neue Kommentare können nur von angemeldeten Benutzern veröffentlicht werden.
Anmelden0 Kommentare