
"Batteriebrände sind ein massives Problem"
NACHHALTIGES INTERVIEW
Gabriele Jüly, Präsidentin des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe, ist alarmiert und fordert im Gespräch mit KONSUMENT ein Rückkaufsystem für Altbatterien.

Gabriele Jüly (52) ist geschäftsführende Gesellschafterin des 1955 gegründeten Familienunternehmens Abfallservice Jüly aus Bruck an der Leitha in Niederösterreich. Seit 2020 steht sie als erste Frau der freiwilligen Interessenvertretung Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB) als Präsidentin vor, und vertritt in dieser Funktion rund 260 private Mitgliedsbetriebe im Land.
In der Branche scheint derzeit das allesüberschattende Thema zu sein: Lithium-Ionen-Batterien und die von ihnen ausgehende Brandgefahr. Es wundert den Laien ein wenig, denn diese Batterie-Technologie ist schon seit vielen Jahren etabliert. Warum brennt´s plötzlich?
Lithiumbatterien sind in den letzten Jahren in vielen Haushaltsgeräten und Technologieprodukten zum Standard geworden. Sie haben eine Lebensdauer von sechs bis acht Jahren. Das heißt, diese Batterien, die vor sechs, acht Jahren verkauft wurden, erreichen nun ihr Lebensende und landen jetzt im Müll. Deshalb diese massive Problematik. Hinzu kommt, dass die Batteriemenge, die jetzt verkauft wird, um fünfmal größer als damals ist.
Und es sind ja wie gesagt nicht nur die Einzelbatterien, die das Problem sind.
Ganz genau. Batterien sind in unglaublich vielen Produkten fix verbaut. Einweg-E-Zigaretten, leuchtendes Kinderspielzeug, blinkende Schuhe, singende Grußkarten. Und auch in Lampen, Saug- und Mährobotern. Der Markt ist mit Lithiumbatterien überschwemmt worden.
Ist auch die Qualität dieser Produkte fragwürdig?
Definitiv. Produkte aus dem asiatischen Markt, die nicht den europäischen Qualitätskriterien entsprechen, nicht unsere CE-Konformität haben, haben oft ganz billige Lithiumbatterien verbaut, die sich umso schneller entzünden und brennen.
Tatsächlich hat es zuletzt Brände bei Entsorgungsbetrieben gegeben. Insbesondere der tagelange Brand in einer Recyclinganlage in Osttirol im Juli war massiv – verursacht durch eine wohl im gelben Sack unsachgemäß entsorgte Batterie. Von der Branchenvertretung der WKÖ-Niederösterreich war zuletzt die Forderung nach einem Pfand auf Batterien zu hören. Ist das die Ultima Ratio und auch Ihre Meinung?
Ja, wobei Pfand der falsche Ausdruck ist. Unsere Idee ist ein Rückkaufsystem, ein Cashback für Batterien. Ganz simpel erklärt: Man bezahlt für jede Batterie einen Aufschlag. Das Geld wird in einem Fonds verwaltet, und wenn ich eine Batterie oder ein Produkt mit Batterie zurückbringe, bekomme ich sofort Geld. Also auch schon für jene Produkte, die jetzt daheim herumliegen. Ganz einfach, ganz simpel. Ohne Pfandbons oder dergleichen, die ich aufheben muss.
Einen Aufschlag in welcher Höhe?
Das wird noch Gegenstand von Verhandlungen und abhängig von der Größe und Art der Batterie sein. Aber 5 bis 10 Euro wäre durchaus vorstellbar.
(Anm.: Laut aktueller VOEB-Umfrage befürworten 81 % der Österreicher:innen ein Cashback-System für Altbatterien)

Bis es so weit ist: Was können Konsument:innen tun, um die Gefahren, die von Lithium-Akkus ausgehen, zu minimieren?
Wichtig ist zu bedenken: Die Brandgefahr lauert in jedem Haushalt! Das Bewusstsein, dass eine Lithiumbatterie gefährlich sein kann, ist leider noch nicht angekommen. Ich sage immer, die Österreicher fürchten sich mehr, dass sie in Lignano vom weißen Hai gefressen werden, als dass ihnen zu Hause die Lithiumbatterie abbrennt. Also: Batterien bitte immer sachgerecht entsorgen, z.B. im Handel in die Sammelboxen werfen oder zum Altstoffsammelzentrum bringen. Und auf gar keinen Fall im Restmüll entsorgen! Das gefährdet Menschenleben, vernichtet ganze Betriebe und viele Arbeitsplätze. Natürlich kann man schon vorab die eine oder andere Konsumentscheidung kritisch hinterfragen und überlegen: Brauche ich dieses oder jenes Produkt wirklich?
Abseits des Themas Brandgefahr: Bei Fehlwürfen von Batterien, aber natürlich auch ganz allgemein von Elektronikprodukten, gehen wertvolle Ressourcen verloren…
Ganz genau, wir brauchen die Rohstoffe! Deshalb fordern wir auch ein Cashback-System, dass die Rücklaufquote massiv erhöhen würde. Wir brauchen ein System, mit dem wir 90 Prozent der Altbatterien zurückbekommen, derzeit liegen wir bei nur 53 Prozent.
Es wirkt ein wenig so, als ob die Konsument:innen alleine die Verantwortung hätten, solche Brände in Verwertungsbetrieben zu verhindern. Gibt’s nicht auch auf Ebene er Entsorgungsbetriebe noch Optimierungspotenzial?
Wir haben Mitgliedsbetriebe, in denen es bis zu sechsmal am Tag brennt! Natürlich optimieren wir laufend. Wir investieren in Brandschutzanlagen, in automatische Wärmebildkameras etc. Aber die Kosten, die der Brandschutz erfordert, können die Entsorgungsbetriebe nicht mehr alleine stemmen, und in letzter Konsequenz zahlt das dann der Konsument. Das Tragische dabei ist: Leider können auch diese Investitionen nicht alle Brände verhindern. Das solche Dinge wie die hier (greift zu einer Einweg-E-Zigarette) überhaupt auf den Markt gebracht werden dürfen in Europa, in Österreich, ist eigentlich ein Witz. Das ist eine Schande für einen Rechtsstaat.
Der Gesetzgeber ist also gefragt?
Ja. Staatssekretärin Königsberger-Ludwig hat bereits ein Verbot von Einweg-E-Zigaretten angekündigt – das begrüßen wir. Wo der Gesetzgeber definitiv viel stärker eingreifen könnte, ist bei der Regulierung von Billig-Onlinehändlern aus Asien. Das sind Trittbrettfahrer im System, viele zahlen nicht in die Verpackungslizensierung ein. Jeder, der in Österreich eine Verpackung in Umlauf bringt, muss dafür Lizenzgebühren entrichten. Na klar können die dann um Eckhäuser billiger produzieren. Und unter welchen Bedingungen die Produkte dort erzeugt werden und welche Qualitätsstandards die haben… Ich glaube schon, dass sich da die Österreicher selbst bei der Nase nehmen müssen. Und sich vor Augen führen: Alles, was wir haben, kaufen, besitzen wird irgendwann einmal Müll.

Zu einem anderen Thema: Vöslauer-Geschäftsführer Herbert Schlossnikl hat an dieser Stelle das neue Einwegpfandsystem gelobt. Insbesondere das Thema Littering, also das achtlose Wegwerfen von Müll in der Natur, werde deutlich besser. Können Sie das bestätigen?
Littering war eine der höchsten Motivationen für dieses Einwegpfand-System. Und Littering ist wirklich stark zurück gegangen.
Ihre persönliche Meinung zum Thema Einwegpfand?
Das haben wir jetzt in Österreich. Das ist ein Gesetz, das müssen wir umsetzen. Ich glaube, dass es auch gut ist, wenn das Thema Recycling auch bei allen Österreichern ankommt und diese wissen, dass durch das Pfand die Flasche teurer geworden ist, damit diese auch wieder in den richtigen Kreislauf gelangt. Hier ist Disziplin gefragt und nicht Bequemlichkeit.
Laut Global 2000 verursache jede Person in Österreich im Durchschnitt pro Jahr 782 Kilogramm Abfall, um fast 80 % mehr als noch vor 30 Jahren. Damit sei Österreich Spitzenreiter in der EU. Sind die Zahlen korrekt?
Das kann ich so nicht bestätigen. Wichtig ist zu wissen, dass rund drei Viertel des gesamten Abfalls in Österreich aus Bau- und Abbruchabfällen besteht, also wenn zum Beispiel Straßen gebaut oder Gebäude saniert werden. Die Österreicher und Österreicherinnen verursachen unmittelbar nur den sogenannten Siedlungsabfall, dazu gehören der Restmüll aber auch Altstoffe wie Altpapier oder Altglas. Dieser macht sieben Prozent des gesamten Abfalls in Österreich aus, und hier ist das Pro-Kopf-Aufkommen in den letzten Jahren gesunken. Derzeit beträgt er 488 Kilogramm je Einwohner.
Woran liegt´s, dass wir in Österreich so viel Müll verursachen?
Faktum ist, Abfallvermeidung ist das oberste Gebot. Wir leben aber in einer Wohlstandsgesellschaft. Und der Konsum ist entsprechend hoch und es fällt viel Abfall an. Wir merken aber auch regional große Unterschiede. In Vorarlberg sind es z.B. nur rund 70 Kilogramm Restmüll pro Kopf pro Jahr. In Wien sind es hingegen 280 Kilo. Und dann gibt es auch große Unterschiede zwischen Alt und Jung. Erstere trennen viel mehr Müll, Jüngere deutlich weniger, trotz Fridays for Future & Co. Aber man muss die Österreicher auch loben. Wir sind eines der Länder, wo die Müllsammlung und das Recycling mit am besten funktioniert.
Faktum ist, es ist viel Müll – und er ist in den vergangenen Jahrzehnten nicht weniger, sondern mehr geworden. Davon profitiert eine Branche doch sehr maßgeblich: die Entsorgungsbetriebe, richtig? Auf der anderen Seite versuchen Sie die Konsument:innen zur Müllvermeidung zu animieren. Ist das glaubwürdig?
Wir sehen uns als Pioniere für den Umweltschutz. Die Abfallwirtschaft hat in den letzten 30 Jahren 50 Prozent CO2 Emissionen reduziert. Die Sammlung und das Recycling von Abfall ist untrennbar mit Kreislaufwirtschaft verbunden, das ist unser Kerngeschäft seit Jahrzehnten. Heute ist der Begriff ein Modewort, mit dem sich viele schmücken. Was man oft nicht bedenkt: Österreich ist ein rohstoffarmes Land, deshalb ist Recycling so wichtig!

Nichtsdestotrotz geht auch eine erkleckliche Menge an Abfall ins Ausland…
Ja, richtig. Und das ist auch gut so. Wir bekommen auch sehr viel Abfall herein aus dem Ausland, das hält sich die Waage. Es macht ja gar keinen Sinn, von z.B. Vorarlberg die Abfälle ins Burgenland zu transportieren, um sie zu verwerten. Da ist es wesentlich gescheiter, sie nach Deutschland oder in die Schweiz zu verbringen, also zu exportieren. Auch hier müssen wir europäisch denken! Und es gibt natürlich sortenreine Abfälle, von denen wir in Österreich eine viel zu kleine Menge haben, sodass Recycling im Inland wirtschaftlich keinen Sinn macht. Da ist es besser, man bringt den Abfall z.B. zu entsprechenden Recyclinganlagen nach Italien oder Deutschland.
Die Horrorgeschichten, die man schon gehört hat, wonach Müll tonnenweise nach Asien verfrachtet wird, sind übertrieben?
Diese Geschichten gibt es, ja. Tatsächlich kommt das aber sehr selten vor, man muss sich da auch den Transport einmal leisten können. Der allermeiste Abfall bleibt in Europa. Und das ist gut und richtig! Wir brauchen dringend einen europäischen Binnenmarkt für Abfall und damit verbunden, für recycelte Wertstoffe. So können wir wertvolle Ressourcen sichern.
Auch ein heikles Thema: Textilmüll. Wie kann Recycling von Alttextilien gelingen?
In Österreich schaffen wir es nur, ein Prozent der Alttextilien zu recyclen. Wir haben alle viel zu viel Kleidung, viel zu viel Billigmode. Wir müssen schauen, dass wir da wieder einen Schritt zurück machen. Uns fragen: Brauche ich wirklich sieben Sakkos jedes Jahr, oder Hosen oder Kleider? Und wenn etwas gekauft wird, dann gilt es auf Qualitätsprodukte zu achten, die lange halten, und im Bestfall in Europa hergestellt wurden. Die Bürger haben eine gewisse Hemmschwelle und Abneigung dagegen, wenn neue Müll- oder Recyclinganlagen gebaut werden. Aber diese Anlagen baut die Branche ja nicht für sich selbst. Wir verwerten nur, was der Österreicher in den Mülleimer wirft.
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