Auch ich war so einer. Wenn ich doch mal mit dem Auto auf der Autobahn unterwegs war, dann wurde nicht selten der Tempomat auf 145 km/h eingestellt. Sie ahnen schon, warum. Das ist, plus-minus, die höchste Geschwindigkeit, die möglich ist, um nicht in etwaige Radarfallen zu tappen. Warum ich so brettern musste? Oder wollte? Ja, das ist die Frage. Ein Grund waren die quengelnden Kinder, die nicht gerne Auto fahren. Die einzige Prämisse lautet in so einer Situation, so schnell wie irgend möglich von A nach B zu kommen. Also rauf aufs Gaspedal. Alles Humbug.
Vor ein paar Monaten bin ich zur Besinnung gekommen. Mehr als 120 fahre ich jetzt nicht mehr. Auch glaube ich zu bemerken, dass der Geschwindigkeitsrausch bei so manch anderem Autofahrer inzwischen weniger stark ausgeprägt ist. Unter dem Motto „Willkommen auf der rechten Fahrspur“ ist man auf der Autobahn einfach viel entspannter unterwegs. Und ob die Kinder zehn Minuten mehr oder weniger quengeln, fällt überhaupt nicht ins Gewicht. Was aber ins Gewicht fällt: Deutlich weniger Spritverbrauch. Deutlich weniger Schadstoffausstoß. Nur Gewinner also.
50-100-130: ein Nationalheiligtum?
Dennoch kommt es für die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher nicht in Frage, ihre Gaspedal-Betätigungsintensität per Geschwindigkeitsbegrenzung diktiert zu bekommen. Aktuelle Umfragen sprechen da eine recht deutliche Sprache. Es scheint fast so, als ob 50-100-130 ein unantastbares Nationalheiligtum wäre. Noch bis in die 1960er-Jahre herrschte recht viel Wild-West im Straßenverkehr. Mal abgesehen vom Ortsgebiet durfte jeder, wie er wollte. Dann schritt der Gesetzgeber ein. 1973 wurden 100 km/h für Straßen außerhalb des Ortsgebietes vorgeschrieben. Ein paar Monate später gab’s eine Anpassung auf 130 für die Autobahnen. Warum die Limits damals eingeführt wurden? Die Erdölkrise ließ die Energiepreise nach oben schnellen. Klingt ziemlich aktuell, oder? Nur kommt diesmal die Komponente Klimakrise hinzu. Rational betrachtet bräuchte es also keine großartige Diskussion darüber, ob die Limits angepasst werden sollen oder nicht. Die Realität sieht aber anders aus.
Was sagen die Experten?
Der Verkehrsclub Österreich verweist auf Berechnungen des Umweltbundesamtes, wenn er kommuniziert, dass 100 statt 130 auf den Autobahnen rund ein Viertel weniger Spritverbrauch bedeutet und der CO2-Ausstoß in ähnlichem Ausmaß sinkt. Der Feinstaubausstoß wird um rund ein Drittel reduziert. Und auch die Verkehrssicherheit würde sich erhöhen, argumentiert der VCÖ weiter. Weniger Unfälle würden weniger Staus bedeuten. Der Verkehrsfluss sei bei 100 km/h besser. Also wären Autofahrer nicht langsamer, sondern schneller am Ziel als mit 130 km/h. Nicht auf menschenleeren Autobahnen, klar, aber wenn man das große Ganze im Blick hat.
Auch Tempo 30 brächte viel Gutes. Der Verkehrsplaner Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Günter Emberger brach beispielsweise zuletzt in einem Gastkommentar in der Tageszeitung „Der Standard“ eine Lanze für weniger Tempo im Ortsgebiet. Das hätte, neben den bereits erwähnten Faktoren sinkende Umweltbelastung und steigende Verkehrssicherheit, den angenehmen Nebeneffekt, dass die Öffi-Benutzung, das Radfahren und das Zufußgehen attraktiviert würden.
Bestehende Limits beachten
Dass Tempo 30 in anderen europäischen Ländern bisweilen stärker forciert wird, darüber habe ich in bereits an dieser Stelle berichtet. Wie ich unlängst bemerkt habe, ist Tempo 30 aber auch hierzulande vielerorts schon umgesetzt. Aber die Ortsansässigen wissen schlicht und ergreifend nichts davon. Die entsprechenden 30er-Hinweistafeln werden in Scheuklappenmanier ausgeblendet oder (geflissentlich?) fehlinterpretiert („Ach das gilt wirklich für sämtliche Straßen im Ortsgebiet?“). Es wäre tatsächlich ein erster, kleiner Schritt getan, wenn sich alle Autofahrer an die bestehenden Tempolimits halten würden. Es darf aber gern noch ein bissl weniger sein.
Geschwindigkeitsbegrenzung – Tabuthema, heilige Kuh?
ling, 14. November 2022, 21:11
Doch zurück zum Thema: Egal ob Senkung der Höchstgeschwindigkeit oder freiwilliger Verzicht (Letzteres ist in Österreich praktisch Wunschdenken, denn ohne Verbote geht hierzulande vieles gar nicht oder sehr schwer), ich fahre seit der massiven Preiserhöhung bei Treibstoffen 120/90 und komme auf einen Schnittverbrauch von rd 4,5 Liter/100 km (Benzin - wohlgemerkt). Damit habe ich die Preiserhöhung praktisch kompensiert und erreiche meine Ziele halt ein paar Minuten später. Über die SUV- und Möchtegern-Rennfahrer kann ich nur lächeln, denn spätestens bei der Tangentenauffahrt oder im nächsten Stau treffe ich sie wieder. Sie waren halt ein paar Minuten früher da, aber stehen tun sie genauso wie alle anderen...