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Fröhlicher Investor, der Bitcoin in der Hand hält. Im Hintergrund rauchende Schlote.
Der Strombedarf für das Schürfen von Bitcoins ist groß und er stammt zu einem Gutteil aus fossilen Quellen. Bild: Overearth/Shutterstock

Bitcoin: Virtuelles Geld, reale Konsequenzen

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ÖKO.LOGISCH

Das „Schürfen“ der Kryptowährung Bitcoin verschlingt gleich viel Strom, wie ganze Länder benötigen. Grüne Geldanlage geht anders. Warum ich dennoch investiert habe.

Sie kennen das bestimmt. Wenn zwei Herzen in Ihrer Brust schlagen. Wenn es zu Interessenkonflikten kommt. Mir geht es zum Beispiel beim Thema Kryptowährun­gen so. Zum einen weiß ich um den immen­sen Energieverbrauch beim Generieren von Bitcoin & Co, genannt Mining. Dazu später mehr. Zum anderen bin ich Journalist, deshalb von Haus aus neugierig. Und in KONSUMENT bin ich sogar für beides zuständig: für die grünen und für die Finanz-Themen. Ende November vergangenen Jahres traf ich dann eine Entscheidung.

Selbstversuch

„Ich vereine die beiden Herzen“, dachte ich mir, „und wage einen Selbstversuch.“ Zu Beginn rief ich mir unse­ren Artikel zum Thema Trading-Apps (KON­SUMENT 10/2021) in Erinnerung. Dort heißt es: „Die Auswahl ist individuell von den Wünschen der Anleger abhängig.“ Nach entsprechender Recherche entschied ich mich für den heimischen Anbieter Bitpanda. App runtergeladen und Konto angelegt. Und dann für ein, zwei Wochen den Bitcoin-Kurs im Blick behalten. Man will schließlich auch bei einem journalistischen Selbstversuch nicht den schlechtesten aller Einstiegs-Zeit­punkte erwischen.

Ende November 2021, Sie erinnern sich, kamen die ersten Meldungen zur Corona-Variante Omikron heraus. Das führte zu Verunsicherung an den Märkten, die Kurse gingen nach unten. Auch jene der Kryptowährungen. Als sicherer Hafen in unruhigen Börsezeiten wird der Bitcoin von den Anle­gern wohl doch (noch?) nicht gesehen – ob­wohl er bisweilen schon als das neue Gold angepriesen wird. Sicherheit wäre mir in puncto Bitcoin-Investment aber ohnedies nie in den Sinn gekommen. Eher Gegenteiliges, wenn man sich die Kurs-Achterbahnfahrt der vergangenen Jahre vor Augen führt.

„Guter Zeitpunkt zum Einsteigen“ war viel­mehr meine Schlussfolgerung. Man soll investieren, wenn das Blut noch auf der Straße klebt, heißt es im Investoren-Sprech ja so schön martialisch. Also 100 Euro inves­tiert. Wie bitte? Geht nicht? Weil: Leider noch kein „Spielgeld“ am Trading-App-Konto. Klar, das muss vom Girokonto erst mal überwiesen werden. Bis das Geld dann gutgeschrieben wird, dauert es lange. Wochenende eben. Dann vergesse ich ein paar Tage darauf. Und der Bitcoin-Kurs? Der hat sich wieder halb­wegs erholt.

„Egal, jetzt oder nie!“ 100 Euro wie beabsichtigt investiert. Hey! Das sind unglaubliche 0,00191208 Bitcoins! Bitpanda knabbert ein, zwei Euro für Gebühren und Tradingaufschläge weg. Und dann zwei Tage später der Blick ins Portfolio: tiefrot! Meine Anteile sind zwischenzeitlich nur noch 80 Euro wert. Eine Woche später dann 86. Bald darauf gar nur 59 Euro. Ich zucke mit den Schultern. Schön, zu sehen, dass mein Bitcoin-Vorurteil bestätigt wird: Zockerpartie!

Stromfresser

Zurück zum Energiehunger von Bitcoin. Damit dieses virtuelle Geld das Licht der Welt erblickt, muss es „geschürft“ werden (auf Englisch: mining). Das bedarf gigantischer Computerleistung. Wer schürft, der muss, vereinfacht ausgedrückt, komplexe Rechenaufgaben lösen – und bekommt dafür Bitcoins. Ein lukratives Geschäft. Der Kurs steht aktuell bei 38.360 Euro pro Bitcoin (Stand 10.2.22). Mit einem Laptop allein kommt man freilich nicht mehr weit beim Mining.

Ganze Serverfarmen, wo Hunderte, ja Tausende Hardware-Komponenten zusam­mengeschlossen werden, sind bei professionellen Minern inzwischen gang und gäbe. Und das benötigt enorme Mengen an Ener­gie. Die Universität Cambridge geht derzeit von einem jährlichen Bitcoin-Stromverbrauch von 120 Terawattstunden aus. Grob gespro­chen: Mehr als doppelt so viel, wie ganz Österreich pro Jahr benötigt. Wie hoch der Anteil erneuerbarer Energie beim Bitcoin-Mining ist? Darüber gehen die Schätzungen weit auseinander.

Es gibt auch weniger energieintensive Kryptowährungen, bei denen das Mining einer anderen Grundlogik folgt. Genannt werden häufig Cardano oder Solana. Ob sie der Marketing-Maschinerie des Platz­hirschen Bitcoin die Stirn bieten können? Das bleibt abzuwarten.

Fazit

Ich bin jetzt etwas schlauer. Ich weiß, wie es sich anfühlt, Bitcoins zu besitzen (unspektakulär). Wie sich Traden am Smartphone anfühlt (verführerisch). Und wie es sich anfühlt, wenn der Bitcoin-Kurs Kapriolen schlägt (nicht cool). Ich weiß auch, dass ich mit Bitcoins nicht reich werden werde. Und glücklich auch nicht, denn mein grünes Gewissen lässt mir keine Ruhe. Ich werde meine Bitcoin-Anteile wohl wieder abstoßen. Wenn ich Geduld habe, womöglich sogar mit etwas Gewinn. Die neue Kryptowährung-Besteuerung vereinfacht dieses Vorhaben freilich nicht. Ab 1. März werden demnach 27,5 Prozent Kapitalertragsteuer beim Ver­kauf anfallen.

Tabelle zur Bitcoin-Kursentwicklung von 2019 bis 2021.
Bitcoin-Kursentwicklung: Spekulatives Investment. Bild: finanzen.net
Markus Stingl - Redakteur: Nachhaltigkeit, Finanzthemen
Markus Stingl, Bakk. phil. | Redakteur: Nachhaltigkeit, Finanzthemen Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen im weiten Feld der Nachhaltigkeit. Die Kolumne nennt sich ÖKO.LOGISCH.

Markus Stingl, Redakteur

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