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Vermögensverteilung - Aus den Fugen

Werden die Reichen immer reicher? In dieser emotional geführten Debatte wünscht man sich bisweilen mehr Sachlichkeit. Eine fundierte Datenbasis würde helfen.

Die Vermögen der Reichsten in Europa wachsen wieder (Quelle: Piketty; Grafik: Müllner/VKI)

„Geld allein macht nicht glücklich“, sagte der US-Schauspieler und Komiker Danny Kaye einmal, „es gehören auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu.“ Eine satirische Aussage, der viel Wahrheit innewohnt, scheint sie doch Maxime für viele Menschen zu sein, die nach Reichtum streben. Und sie wird wieder mit mehr Konsequenz befolgt.

Schere zwischen Arm und Reich

In den vergangenen Jahren häuften sich die Medienberichte, wonach die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht. So ergab eine Berechnung der Hilfs­organisation Oxfam im Jahr 2016, dass die 62 reichsten Menschen so viel besitzen wie die Hälfte der Weltbevölkerung zusammen. Heuer wurde die Zahl gar auf nur noch 42 Superreiche revidiert. Erwartungsgemäß hagelte es Kritik, die Berechnung sei nicht wissenschaftlich – was Oxfam übrigens gar nicht in Abrede stellt.

Ursache für Terrorismus

Die Organisation für wirtschaftliche ­Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beklagt offiziell das Auseinanderdriften von Arm und Reich – das sei u.a. eine Ursache für die Zunahme von Terrorismus. Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank attestieren jenen Volkswirtschaften eine stabilere Entwicklung, die ihre wirtschaftlichen Erfolge besser verteilen. Es sollte also ein durchaus erstrebenswertes gesellschaftliches Ziel sein, ökonomische Ungleichheit zu reduzieren. Die Realität sieht aber anders aus. Dazu später mehr.

Fundierte Daten sind Mangelware

Die Emotionen kochen hoch, wenn über die Vermögensverteilung debattiert wird, sei es weltweit oder in Österreich. Faktum ist, dass die Diskussionsgrundlage eine brüchige ist. Wirklich fundierte Daten sind Mangelware.

Um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, werfen wir einen Blick auf zwei wesentliche Begriffe: Unter Einkommen sind alle ­laufenden Einnahmen zu verstehen – aus Arbeit sowie aus Kapital (Aktienrenditen, Sparzinsen etc.). Unter Vermögen, das im vorliegenden Text im Fokus steht, fällt jegliches Eigentum, welches sich im Besitz der betrachteten Person, des Haushalts oder der Personengruppe befindet – etwa Immobilien, Unternehmens-Beteiligungen, Fahrzeuge (abzüglich etwaiger Schulden).

Zuviel Diskretion, zu wenig Daten

Diskretion gehört bei den oberen Zehntausend zum guten Ton. Deshalb ist es für Forscher schwierig, brauchbare Daten zu generieren. Man wird selten einen wohl­habenden Menschen finden, der wirklich offen über sein Vermögen redet. Nachdem 1993 in Österreich die Vermögenssubstanzsteuer abgeschafft und im Jahr darauf die seitdem letzte offizielle Vermögenssteuerstatistik publiziert wurde, fehlt der Wissenschaft eine wichtige Datenbasis.

Finanz- und Konsumerhebung

Ein kleiner Lichtblick: Die relativ neue ­Finanz- und Konsumerhebung (HFCS) unter den Euro-Haushalten im Auftrag der Europäischen Zentralbank, die umfassendste ­jemals durchgeführte Erhebung zu diesem Thema, er­öffnet auch für Österreich inte­ressante Ansätze. Laut Oesterreichischer Nationalbank sind die Daten allerdings nur gut geeignet, um Aussagen über die Mitte und den unteren Bereich der Vermögensverteilung zu treffen. Im oberen Bereich kommt wieder das Problem der "Diskretion“ zum Tragen – es gibt hier zu wenige Daten.

Welche Trends gibt es?

Die Frage, welche exakten Vermögenswerte von den Superreichen gehalten ­werden, ist nicht unbedingt von zentraler Wichtigkeit. Weitaus interessanter erscheint es, gene­rellen Trends nachzugehen – und diese ­gegebenenfalls zu hinterfragen. Hierfür können wir auf Daten des franz­ö­sischen Ökonomen Thomas Piketty zurückgreifen, der versucht, die Vermögenskonzentration in Europa anhand der Länder Schweden, Frankreich und Großbritannien abzubilden. Hintergrund: In diesen drei Ländern ist die Datenlage am besten. Deshalb erlaubte sich Piketty den aus unserer Sicht vertretbaren Kunstgriff, von den Daten dieser drei Länder auf Gesamteuropa zu schlussfolgern. Das Ergebnis ist in der Grafik links anschaulich dargestellt.

Ungleichheit wächst seit den 1970ern

Zentrale Aussage: Der Rückgang der Ver­mögenskonzentration in Europa ab dem 1. Weltkrieg stoppte in den 1970er-Jahren. Seither steigt die Ungleichheit wieder kontinuierlich an.

Die Grafik beschreibt die Entwicklung ­bis 2010. Der Höhenflug der Vermögendsten hält aber an, schenkt man dem "Global Wealth Report 2017“ der Schweizer Großbank Credit Suisse Glauben. Von 2016 bis 2017 stiegen die weltweiten privaten Vermögen um 6,3 Prozent auf 240 Billionen Euro. 50,1 Prozent davon befinden sich in den Händen des vermögendsten Prozentes der Weltbevölkerung.

Interview mit Prof. Altzinger: "One dollar, one vote”

... mit ao. Univ.-Prof. Wilfried Altzinger Leiter des Instituts „Economics of Inequality“ (INEQ) an der WU Wien: www.wu.ac.at/ineq

Prof Wilfried Altzinger vom Ineq-Institut: "Wir sind auf dem Weg zu `Oner dollar, one vote (Foto: Sonja Spitzer) Herr Professor Altzinger, weshalb sind Kenntnisse über die Vermögensverteilung von ökonomischer Relevanz?
In jeder Gesellschaft kann Einkommen nur durch den Einsatz von Arbeit oder von Kapital erzielt werden. Da der Anteil der Arbeitseinkommen gegenüber dem Kapitaleinkommen seit Jahrzehnten in nahezu allen Ländern rückläufig ist, gewinnt die Frage der Vermögens­verteilung stark an Bedeutung. Da aber Kapitalvermögen generell wesentlich ungleicher verteilt ist als Arbeitsver­mögen, ist mit der Verschiebung von Arbeits- zu Kapitaleinkommen automatisch auch ein Anstieg der gesamten Einkommensungleichheit verbunden.

Was bedeutet das für die zukünftige Entwicklung?
Unsere Untersuchungen am Institut „Economics of Inequality“ haben gezeigt, dass Kapitaleinkommen nur für die einkommensstärksten fünf Prozent der österreichischen Haushalte von Relevanz sind. Die steigende Einkommens­konzentration wird somit zentral durch die ­ungleiche Vermögensverteilung bestimmt.

Welche ökonomischen Konsequenzen sehen Sie damit verbunden?
Vermögen ermöglicht neben der Erzielung von hohen Einkommen auch hohe Konsumaus­gaben, was sich insbesondere in steigendem Luxuskonsum, der weltweit am stärksten wachsenden Konsumkategorie, niederschlägt. Eine neue Studie hat festgestellt, dass die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung auch für rund die Hälfte der CO2-Emissionen verantwortlich sind.

Haben diese Entwicklungen auch Auswirkungen auf die politische Stabilität?
Vermögen vermag auch Einfluss auf die wirt­schaftspolitischen Entscheidungen zu nehmen – national und noch mehr auf der internatio­nalen Ebene. Wir befinden uns derzeit auf dem Weg von einem System "One person, one vote" zu einem System von "One dollar, one vote". Somit werden aber schleichend unsere demokratiepolitischen Grundsätze untergraben. Diese Entwicklung kann – ohne entsprechende Gegenmaßnahmen – unser gesamtes gesellschaftliches System infrage stellen.

 

2 Prof. Altzinger: Wir befinden uns derzeit auf dem Weg von einem System „One person, one vote“ zu einem System von „One dollar, one vote" (Illustration: Leszek Wisniewski/VKI)

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