Intransparent, unprofessionell, patschert, chaotisch. Solche und ähnliche Adjektive drängen sich auf, um die aktuelle Situation beim Versicherungskonzern HDI zu beschreiben. Was ist passiert?
HDI Leben: Rückzug aus Österreich bringt Steuernachteile für Kund:innen
HDI-Leben Österreich wird vom deutschen Mutterkonzern zum Jahreswechsel geschluckt. So weit, so bekannt. Worüber Kund:innen des Lebensversicherers nicht informiert werden: Durch diesen Schritt ergeben sich massive steuerliche Nachteile! Unser Rat an Betroffene: Keine vorschnellen Entscheidungen treffen.
HDI Leben Österreich vertreibt seit rund 30 Jahren Lebensversicherungen, fondgebundene wie auch in der „klassischen“ Variante. Mitte des Jahres wurde bekannt, dass HDI Leben Österreich vom deutschen Mutterkonzern übernommen wird. Betroffen sind wohl um die 100.000 Verträge österreichischer Kunden.
Offiziell verlautbart HDI seither, dass alles so weiterlaufe wie bisher, der Bestand per 1.1.2025 von HDI Deutschland weitergeführt werde und dadurch keine Nachteile für die Kund:innen entstehen würden.
Chaostage bei HDI Leben
Wie sich jetzt herausstellt, kann davon keine Rede sein. Auf Nachfrage unsererseits legte HDI-Österreich die Karten auf den Tisch: Diese Aussagen bzw. Stellungnahmen stimmen nur zum Teil. Der Bestand wird überführt und weiterbetrieben.
ABER: Es ergeben sich aufgrund steuerlicher Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich gravierende Nachteile für die Bestandskundschaft. In Österreich sind Lebensversicherungen mit 4 % Versicherungssteuer endbesteuert, die 25-prozentige Kapitalertragssteuer (KESt) wird nicht schlagend.
KESt und Solidaritätszuschlag werden schlagend
In Deutschland hingegen unterliegen erwirtschaftete Erträge von Lebensversicherungen sehr wohl der KESt, die auch dort 25 % beträgt. Dem nicht genug, hinzu kommt noch der sogenannte Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 %, der ebenfalls abgeführt werden muss.
In anderen Worten: Die deutsche Besteuerung wird ab 1.1.2025 auch bei den österreichischen Verträgen schlagend.
Die Besteuerung erfolgt jeweils bei Kapital- oder Rentenauszahlung. Das heißt auch bei Rückkauf (Vertragsauflösung, Storno) oder Teilentnahme – also immer, wenn Kapital entnommen wird, bei dem Veranlagungserfolge erzielt wurden.
Rückerstattung dauert 20 Monate
Die Steuern auf den Ertrag werden also von der deutschen Finanz abgezogen. Vorerst.
Denn es gibt die Möglichkeit, sich diese Steuern in einem besonderen Verfahren zurückzuholen.
Allerdings ist dieses Verfahren bürokratisch und dauert entsprechend lange. Laut Finanzministerium in Berlin ist mit durchschnittlich 20 Monaten zu rechnen.
Was können Betroffene tun?
Wie aus der Branche zu hören ist, werden Betroffene schon von „Keilern“ und anderen „Glücksrittern“ zum Umstieg auf andere Lebensversicherungsprodukte gedrängt – solche mit hohen Provisionen. Das ist keine erfreuliche Entwicklung, wir raten von vorschnellen Entscheidungen ab!
Unser Rat an Betroffene lautet, momentan nichts zu tun. Spielen Sie auf Zeit. Wenn Sie nicht unbedingt Geld entnehmen müssen, belassen Sie das Kapital einstweilen in der Polizze. Die ersten (juristischen) Nebel werden sich wohl schon 2025 lichten. Dann, wenn die ersten Steuer-Rückerstattungen fällig werden, wenn also Verträge auslaufen oder doch rückgekauft werden.
Es könnte sein, dass HDI Deutschland endlich tätig wird und proaktiv auf die österreichischen Bestandskund:innen zugeht – auch wenn aus heutiger Sicht laut Insidern wohl nicht damit zu rechnen ist, dass HDI beim Rückerstattungs-Prozedere unterstützend aktiv wird. Zumindest nicht freiwillig.
Wir haben HDI Deutschland um Stellungnahme gebeten. Viel Neues war darin nicht zu lesen. Die substanziellsten Punkte kurz zusammengefasst:
- Man werde die Kund:innen in Österreich per Post zeitnah über die Schließung informieren.
- Bisherige Kontaktwege würden auf deutsche Telefonnummern, Mail- und Postadressen umgeleitet.
- Im Fall einer Kapital- oder Rentenauszahlung werde man betroffene Versicherungsnehmer:innen über die (fallweise unterschiedliche) Vorgehensweise aufklären.
Abteilung Klagen des VKI informiert
Aus unserer Sicht sind noch viele Fragen offen - wir bleiben dran!
Die Abteilung Klagen des VKI ist jedenfalls über die Sachlage informiert. Die juristische Einschätzung dort ist klar.
Kund:innen hätten von HDI Leben über etwaige steuerliche Besonderheiten vor/bei Vertragsabschluss informiert werden müssen. Ferner hätte man auch keine betriebswirtschaftlichen Entscheidungen treffen dürfen, welche die bei den Vertragsabschlüssen erteilten Informationen nachträglich zum Nachteil der Kund:innen unrichtig werden lassen.
Sofern Kund:innen bei Vertragsabschluss über diese Steuerpflicht nicht aufgeklärt wurden, würden daher gute Gründe dafür sprechen, dass die HDI Leben die abgezogene Kapitalertragssteuer für die betroffenen Kund:innen bis zu ihrer Rückerstattung zwischenzeitlich übernehmen muss.
Fonds-Performance nicht betroffen
Gut zu wissen: Die in den HDI-Lebensversicherungen befindlichen Veranlagungen sind nicht von diesen Turbulenzen betroffen. Die Fonds werden nicht von HDI gemanagt, sondern von Firmen bzw. Managern, die unabhängig agieren. Eine schlechtere Fonds-Entwicklung aufgrund dieser HDI-Chaostage ist also nicht zu befürchten.
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