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Hand mit Flugticket vor einem aufgeklappten Notebook mit Travel Insurance-Website
Prüfen Sie genau. Verlo­ckende Angebote schau­en nach näherer Betrach­tung oft mager aus. Bild: Rawpixel.com/Shutterstock

Versicherungsabschluss im Ausland: Begrenzter Schutz

Darf man Versicherungen auch bei ausländischen Anbietern abschließen? Und wenn ja, welche Probleme können entstehen?

Die Welt wächst zusammen. Nicht auf allen Ebenen, aber auf jeden Fall wirtschaftlich. Dementsprechend ist grenzüberschreiten­der Konsum für viele Verbraucher:innen zur Normalität geworden. 

Es liegt also nahe, sich auch zu fragen, ob nicht Versicherungen im Ausland günstiger zu haben sind. Vor allem dann, wenn Meldungen über teure Versicherungsprodukte oder hohe Prämien­anpassungen die Runde machen. Oder wenn (Internet-)Werbung für ein besonders günstiges Produkt aus dem benachbarten Ausland nach Österreich schwappt. 

Aber wie ist die Rechtslage? Darf man Ver­sicherungen bei ausländischen Anbietern überhaupt abschließen? 

Die kurze Antwort lautet: Ja, aber.
 

Im Folgenden lesen Sie, was es mit dem Aber auf sich hat sowie ein Interview aus der Beratungspraxis des  Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ).

Die Rechtslage

Nochmal die Frage: Darf man Ver­sicherungen bei ausländischen Anbietern abschließen? Die kurze Ant­wort, bereits gelesen: Ja, das ist möglich. Wir vom VKI raten aber, das nur gut informiert zu tun. 

Die lange Antwort: Seit 1994 ist es Versicherern erlaubt, ihre Produkte überall in der EU feilzubieten. In der Praxis geschieht das bei den etablierten Anbietern aber kaum. Man operiert lokal, gründet allen­falls einen kleinen Ableger im (benachbarten) Ausland. Die Versicherer kommen sich nicht wirklich ins Gehege, die von der EU intendierte Belebung des Wettbewerbs ist ausgeblieben. Der Versiche­rungsmarkt ist und bleibt wohl im Großen und Ganzen regional. 

Konstruktionsfehler und zögerliche Konsument:innen

Faktum ist auch, dass der Versicherungs-Binnenmarkt an Konstruktionsfehlern leidet. So sind rechtliche Rahmenbedin­gungen nicht komplett harmonisiert, das wichtige Versicherungsvertragsrecht ist zum Beispiel länderspezifisch unter­schiedlich ausgestaltet (also mal mehr, mal weniger streng). Auch die unter­schiedlichen Steuersysteme können zum Problem werden. 

Tatsache ist zudem, dass auch Konsu­ment:innen zögerlich sind, im Ausland Versicherungen abzuschließen. Ein nach­vollziehbarer Grund sind beispielsweise Sprachbarrieren. Die Frage, wer im Scha­densfall Ansprechpartner:in sein wird, ist vielen Verbraucher:innen sehr wichtig. 

Für manche Sparten wie z. B. die private Kran­kenversicherung gibt es aber auch keine ausländische Alternative, weil der öster­reichische Markt für ein Angebot zu klein und speziell ist. 

Öffnung, auch für Glücksritter

Was die Öffnung des Binnenmarktes leider auch gebracht hat: grenzenlosen Markt­zugang für intransparent agierende „Ver­sicherungs-Firmen“. 

Auch wenn die heimi­sche Finanzmarktaufsicht (FMA) in einer Stellungnahme konstatiert, dass Verbrau­cher:innen keine diesbezüglichen Be­schwerden an sie herantragen würden: 

Unsere Kolleg:innen vom Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) sind sehr wohl laufend mit Fällen konfrontiert, wo grenz­überschreitende Versicherungen zum Pro­blem werden.

Lesen Sie im folgenden Interview über die Erfahrungen des EVZ rund ums Thema Versicherungsabschluss im Ausland.

Maria Semrad - Juristin: grenzüberschreitende Agenden
Mag.ª Maria Semrad - Juristin: grenzüberschreitende Agenden Bild: Otto Semrad

Mag.a Maria Semrad

ist seit 2009 Juristin beim Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) des VKI. 

Sie ist Expertin für grenz­überschreitende Verbraucherbeschwer­defälle innerhalb der EU. 

Das Versicherungs-Geschäft ist ein regionales. Die Konzerne kommen sich über Ländergrenzen hinweg nicht wirklich ins Gehege. Es gibt aber einige Ausnahmen. In welchen Versicherungssparten wird in der EU grenzüberschreitend angeboten? 
Besonders häufig bekommen wir Anfra­gen von Konsument:innen im Zusammen­hang mit Reisen, Autovermietungen oder auch Stornoversicherungen. Wenn etwa bei einem Mietwagenvermittler noch zu­sätzlich eine Vollkaskoversicherung ab­geschlossen wurde. Oder bei der Flugbuchung ein Stornoschutz. In letzter Zeit gibt es zudem vermehrt Anfragen zu Reparaturversicherungen für Geräte, die online gekauft wurden. Und auch zu Tier­versicherungen, von der Haftpflicht bis hin zu Kranken- und Unfallversicherungen für Haustiere.

Welche Probleme treten am häufigsten auf? 
Die Fragen betreffen meist bereits anste­hende Leistungsfälle und drehen sich nicht um Vor- und Nachteile vor Vertrags­abschluss. In der Regel geht es um Leis­tungsablehnung nach einem Schadens­fall. Verbraucher:innen wollen die nega­tive Rückmeldung des Versicherers be­kämpfen. Manchmal geht es aber um noch viel Grundsätzlicheres: um die Frage, welcher Versicherer überhaupt der Anbieter ist. 

Können Sie ein Beispiel nennen? 
Thema Reisen: Bei Buchungsplattformen werden oft Versicherungen mitverkauft. Abgeschlossen wird über einen Vermittler. Der wird dann auch im Schadensfall kon­taktiert, reagiert aber nicht. Wer der dahin­terstehende Versicherer ist, ergibt sich oft nur aus einem Link in der Bestellbestäti­gung. Das wird leicht übersehen. Manch­mal gibt’s überhaupt keine Information über den Versicherer. Mühsam wird’s, wenn keinerlei Reaktion auf eine Schadensmel­dung erfolgt und unklar bleibt, ob die Mel­dung an den Versicherer weitergeleitet wurde oder die Versicherung nicht reagiert. Ein weiterer wichtiger Punkt sind Unklar­heiten über die Leistungen eines Produkts. Die wichtige Frage „Was ist versichert und was nicht?“ bleibt oft im Unklaren. 

Welche Tipps haben Sie? 
Hilfreich ist, im Vorhinein herauszufinden, wer der Versicherer ist. Und den Notruf­kontakt, also Mailadresse oder Telefon­nummer, zu notieren. Damit im Schadens­fall gleich direkt mit dem Versicherer kommuniziert werden kann. 

Aber sollte man nicht noch einen Schritt vorher ansetzen? 
Ja, definitiv. Die Grundsatzfrage sollte lauten: „Brauche ich diese Versicherung überhaupt?“ Wer Klarheit über die eigenen Versicherungsprodukte hat, ist eindeutig im Vorteil. Stichwort Mehrfachversiche­rungen: Man zahlt mehrfach Prämie, die Leistung erhält man im Schadensfall aber in den allermeisten Fällen nur einmal. Auch hier ist das Thema Reisen ein gutes Beispiel. Man schließt „sicherheitshalber“ eine Stornoversicherung ab, obwohl man über die Kreditkarte, den Automobilclub oder eine Jahresreiseversicherung eh schon abgesichert ist. 

Oft fühlt man sich bei Onlinekäufen oder Flugbuchungen geradezu gedrängt, noch zusätzlich eine Versicherung abzuschließen.
Der Fachbegriff dazu heißt Dark Patterns. Dabei wird man mit unterschiedlichen Methoden gedrängt und manipuliert. Bei jedem Buchungsschritt wird z. B. gefragt, ob man nicht doch eine Versicherung abschließen möchte. Unsicherheit und Sorge werden geschürt, die einfache Lösung farbenfroh dargelegt. Die vielen Ausnahmen bei der Deckung, das Thema „Was ist nicht versichert”, die genauen Vertragsbedingungen: Das alles wird hingegen nicht erwähnt (Anmerkung: Online haben wir dieses Thema bereits genau beleuchtet).

VKI-Tipps

Genau prüfen. Verlo­ckende Angebote schau­en nach näherer Betrach­tung oft mager aus. Vor Abschluss genau prüfen: Was ist versichert, was nicht? Die Prämie allein ist nicht ausschlaggebend! Und: Nicht stres­sen lassen bei Versicherungsent­scheidungen! 

Bedarf checken. Versicherungen nach individueller Bedarfsprüfung abschließen, nicht wegen einer Wer­bung, die einen tollen Deal in Aussicht stellt. Machen Sie den VKI-Risiko-Check.

Wichtige Fragen. Wer ist mein Ver­tragspartner und wohin wende ich mich im Schadensfall? Gibt es Sprachbarrieren? Wie ist ein Begut­achtungsverfahren geregelt? Diese wesentlichen Fragen sollten jeden­falls vorab beantwortet werden.

EU-Logo mit Schrift finanziell unterstützt durch die Europäische Union
Bild: ECC-net

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