Schnitzel, Würstel, Burger: Österreich ist ein Fleisch-Land. Mit einem Fleischkonsum von 59 kg pro Person und Jahr liegt Österreich im internationalen Spitzenfeld. Während eines durchschnittlichen Lebens verspeist eine Person somit etwa 1.000 Tiere. Das ist dreimal so viel Fleisch, wie es die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) empfiehlt.
Tierleid: Krankheiten, Verletzungen, Schmerzen
Egal ob im konventionellen oder Bio-Betrieb: Nutztiere leiden laut einer deutschen Studie unter Krankheiten, Verletzungen und Schmerzen. Wie groß ist das Tierleid in Österreich?
Auswirkungen auf Tiere, Klima und Umwelt
Dass zu hoher Fleischkonsum negative Auswirkungen nicht nur auf unsere Gesundheit, sondern auch auf Tiere, Klima und Umwelt hat, dringt langsam ins Bewusstsein vor. Erneut bestätigt wurde nun, dass die Nutztiere oft unter den Haltungsbedingungen leiden, und das bisweilen massiv.
Report „Tierleid im Einkaufskorb“
Für den Report „Tierleid im Einkaufskorb“ hat der deutsche Verein Foodwatch mehrere tiermedizinische Studien ausgewertet. Das Ergebnis ist wenig appetitlich: Nicht nur in der konventionellen Landwirtschaft leiden Tiere unter schweren produktionsbedingten Krankheiten und Verletzungen, sondern auch in der Bio-Landwirtschaft.
Schmerzende Klauen und Euter
Bis zu 39 Prozent aller untersuchten Milchkühe haben schmerzhafte Erkrankungen der Klauen, was dazu führt, dass sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind. Bei jeder zweiten Milchkuh in einem Bio-Stall wurden Euterentzündungen festgestellt. Hierbei gelangen Abwehrzellen aus dem Blut in die Milch, die wiederum meist an die Molkerei ausgeliefert wird.
Offene Wunden oder Abszesse
Ebenso besorgniserregende Zahlen liefert der Report aus den Schweineställen: Deutschlands zweitgrößter Fleischkonzern Vion vermeldete, dass im ersten Quartal 2022 knapp 40 Prozent aller Schweine aus konventioneller Haltung, die im Schlachthof ankamen, gesundheitliche Probleme wie Lungenentzündungen, offene Wunden oder Abszesse aufwiesen. In der Bio-Haltung waren es laut einer groß angelegten dänischen Untersuchung mit 35 Prozent kaum weniger.
Tierhaltung in Österreich
Aber wie ist die Situation in Österreich? „Im Allgemeinen ist das Ergebnis des Vergleiches zwischen konventionell und ökologisch wirtschaftenden Betrieben in Österreich nicht anders als in anderen europäischen Ländern: Im Mittel gibt es keine gravierenden Unterschiede“, sagt Albert Sundrum, ehemaliger Leiter des Fachgebietes Tierernährung & Tiergesundheit an der Universität Kassel.
Die relevanten Unterschiede bestünden nicht zwischen den Produktionsweisen, sondern zwischen den einzelnen Betrieben. „Es kommt auf den Einzelbetrieb und das Betriebsmanagement an und nicht, welcher Produktionsweise er sich verpflichtet hat.“
Kleine Betriebe, streng kontrolliert
Hubert Stark, Bio-Landwirt und Geschäftsführer der Bioschwein Austria VertriebsgesmbH, sieht das anders: „Man kann die Situation in Deutschland und Österreich nicht vergleichen, vor allem bei der Bio-Landwirtschaft: Diese ist hierzulande kleinstrukturiert und wird streng kontrolliert.“
Bio-Hühner und -Schweine besser
Bei der Tierhaltung müsse zudem zwischen Rindern, Schweinen oder Hühnern unterschieden werden. „Bei Rindern gibt es keinen nennenswerten Unterschied zwischen herkömmlicher und Bio-Haltung“, so Stark. „Bei Bio-Hühnern und -Schweinen ist die Qualität weitaus besser als bei konventionellem Fleisch, das wird auch an den großen Preisunterschieden sichtbar.“
Wie viel Platz hat das Schwein?
Ein Beispiel: In der herkömmlichen Landwirtschaft muss Schweinen über 110 kg mindestens ein Quadratmeter Platz auf Vollspaltböden zur Verfügung stehen, in der Bio-Haltung haben Mastschweine dreimal so viel Platz, wenn man den Auslauf dazurechnet. Zudem muss gewährleistet sein, dass Spaltenböden maximal die Hälfte des Stalls ausmachen, Wühlmaterial – meist Stroh – muss vorhanden sein.
Einsatz von Antibiotika
Unterschiede gibt es auch beim Einsatz von Antibiotika: In der konventionellen Landwirtschaft wird die gesamte Herde mit Antibiotika behandelt, wenn auch nur einige wenige Tiere erkrankt sind. Somit kann ein Schwein in seinem sechsmonatigen Leben bis zu fünfmal Antibiotika erhalten. „In der Bio-Landwirtschaft werden Antibiotika nur vereinzelt bei kranken Tieren eingesetzt“, sagt Stark, der selbst Bio-Schweine hält. Diese dürfen nur einmal im Leben Antibiotika erhalten, die Wartezeit bis zur Schlachtung nach der Gabe ist doppelt so lange wie in der konventionellen Produktion.
Unterschiede beim Schlachten
Im Schlachthaus selbst werden Tiere aus biologischer Haltung nicht anders behandelt, die EU-Bio-Verordnung sieht keine Unterschiede vor. Es gibt jedoch einzelne Marken und Gütesiegel, die etwa die CO2-Betäubung bei Schweinen verbieten – beispielsweise
- „Fairhof“ von Hofer
- „Bio vom Berg“ von MPreis
- „Fair zum Tier!“ von Hofstädter
Schneller schlachten mit CO2
Die CO2-Betäubung vor der Schlachtung führt laut einer Studie der deutschen Hochschule Weihenstephan-Triesdorf zu stark atemstimulierender Wirkung mit Hyperventilation, ausgeprägter Atemnot und Erstickungsgefühl, bei der die Schweine einen Todeskampf durchleben. Es kommt auch immer wieder vor, dass Schweine während des Tötens nicht genug betäubt sind. Allerdings ist die Verwendung von CO2 profitabel, da – im Gegensatz zur Elektrozange – viele Schweine auf einmal betäubt werden können, das Schlachtintervall ist höher.
Profitmaximierung
Dass gerade in der konventionellen Tierhaltung vieles im Argen liegt, bestätigt Lena Remich vom österreichischen Verein gegen Tierfabriken (VGT): „Die meisten Tiere werden an der unteren Grenze der Legalität gehalten, sprich schlechter dürfen sie legal nicht gehalten werden.“ Das liege unter anderem am wirtschaftlichen Selbstverständnis der Landwirtschaft: „Schließlich geht es auch hier meist um die Profitmaximierung.“
Tierleid vom Fließband
Im Jänner 2023 machte der VGT auf „absurd schnell wachsende“ Masthühner in Österreich aufmerksam, die unter massiven gesundheitlichen Problemen leiden. In nur vier bis sechs Wochen erreichen die Tiere das Schlachtgewicht. „Solche Zuchten sind eigentlich per Tierschutzgesetz verboten, durchgesetzt wird das jedoch nicht“, kritisiert Remich. Eine weitere Studie ergab bei 92 Prozent der auf Vollspaltenböden gehaltenen Schweine Gelenkserkrankungen. Der VGT fordert von staatlicher Seite mehr Kontrollen in Betrieben.
"Bio" bedeutet nicht Tierschutz
Im Bio-Bereich wurden wichtige Reformschritte bereits gesetzt, bisweilen sei jedoch auch hier noch Luft nach oben: „Das betrifft Anbindehaltung von Milchkühen, Haltungen ohne Auslauf, Kälberexport und Langstreckentransporte, Tierleid und Tierqual bei der Schlachtung“, sagt Remich. „Bio an sich ist nicht die Lösung jeglicher Tierschutzfragen.“
Fehlende Kennzeichnung
„Damit Konsument:innen informierte Kaufentscheidungen treffen können, bräuchten wir eine konsequente und transparente Kennzeichnungspflicht nach Herkunft und Tierwohl bei allen Fleischprodukten im Handel und in der Gastronomie“, sagt Birgit Beck, VKI-Ernährungswissenschafterin.
„Derzeit können Konsument:innen oft nicht nachvollziehen, woher das Fleisch auf ihrem Teller stammt, denn eine verpflichtende Herkunftsangabe gibt es nur bei verpacktem Frischfleisch im Handel.“ Sobald Fleisch zu Wurstwaren und Fertiggerichten weiterverarbeitet oder mariniert wird, entfällt diese Kennzeichnungspflicht.
Ein weiteres Problemfeld ist für Beck die Gastronomie: Fast zwei Drittel des Fleisches werden laut WWF außer Haus gegessen, wo aufgrund der fehlenden Kennzeichnungspflicht besonders viel importiertes Billigfleisch verwendet werde. Seit September 2023 ist in Österreich zumindest die Herkunftskennzeichnung in privaten und öffentlichen Großküchen vorgesehen, wie etwa in Krankenhäusern oder Schulen. Sie müssen ab sofort nachweisen, woher sie Fleisch, Milch und Eier beziehen. Die neue Herkunftskennzeichnungspflicht gilt jedoch nicht für die Gastronomie.
Vergleich: Was sagen Siegel und Marken für Schweinefleisch über das Tierwohl?
Die Tierschutzombudsstelle Wien hat in der Broschüre "Augen auf beim Schweinefleischkauf" die Berücksichtigung des Tierschutzes bei zahlreichen Siegeln und Marken untersucht (Version April 2022); konkret:
- Kastenstand verboten
- Intakte Ringelschwänzchen
- Schmerzhafte Kastration verboten
- Vollspaltenboden verboten
- Stroh (Einstreu) vorgeschrieben
- Doppelt so viel Platz wie gesetzlich vorgeschrieben
- Zugang zu Außenbereichen verpflichtend
- Zugang zur Weide verpflichtend
- Antibiotika-Einsatz nach Bio-Standard
- Garantiert gentechnikfreie Futtermittel
- Keine Waldzerstörung für Futtermittelanbau
- CO2-Betäubung verboten
Das AMA-Gütesiegel erfüllt keines dieser Kriterien. Die beste Bewertung aus der Sicht des Tierschutzes erzielen "Zurück zum Ursprung", "Ja! Freilandschwein" und "Biohof Labonca". Einigermaßen gut schneiden das "AMA Bio-Siegel und "Bio Austria" ab. Die vollständige Liste ist auf der Website der Tierschutzombudsstelle zu finden – auch eine zum Geflügelfleischkauf.
Auswirkungen des Fleischkonsums
Die Österreichischen Gesellschaft für Ernährung empfiehlt maximal 300 bis 450 Gramm Fleisch pro Woche. Die Österreicher:innen essen aber etwa dreimal so viel wie empfohlen, also durchschnittlich 1.120 g pro Woche. Rotes Fleisch und Wurstwaren sollten dabei eher selten konsumiert werden, da die WHO diese laut Studienlage als wahrscheinlich krebserregend bzw. verarbeitetes Fleisch als krebserregend einstuft.
Darüber hinaus hat die Fleischproduktion negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt: Für Tierfutter importiertes Soja wird dort angebaut, wo früher Regenwälder standen, zudem wird die Ernährungssouveränität der lokalen Bevölkerung etwa in Brasilien oder Argentinien gefährdet. Global betrachtet werden 70 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche der Erde für Tierhaltung beansprucht – Tendenz steigend.
Unsere Ernährung ist für ein Viertel unseres ökologischen Fußabdrucks verantwortlich, den Großteil machen dabei Herstellung und Konsum von tierischen Produkten wie Fleisch, Milch und Eiern aus. Die Produktion von tierischen Lebensmitteln verursacht 67 Prozent der Treibhausgas-Emissionen Österreichs, die im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln entstehen. Weltweit sind tierische Produkte für zwei Drittel der ernährungsbedingten Treibhausgase verantwortlich.
Quelle: WWF Österreich
Was ein geringerer Fleischkonsum bedeutet
2020 wurden 108,1 Mio. Tiere in Österreich gehalten. So wirken sich drei Ernährungsszenarien auf das Tierwohl und die Verfügbarkeit von Flächen in Österreich aus.
Durch die verringerte Anzahl der Nutztiere wird die zur Verfügung stehende Stallfläche für die verbleibenden Tiere entsprechend größer. Außerdem könnten die verbleibenden Tiere nach biologischen Standards sowie im Freiland bzw. auf der Weide gehalten werden.
Fleischkonsum
Ein um zwei Drittel reduzierter Fleischkonsum der Bevölkerung gemäß der Empfehlung der Österr. Gesellschaft für Ernährung (19,5 kg/Person/Jahr) hat diese Folgen:
64,2 Mio. weniger gehaltene Tiere und einen Zuwachs der verfügbaren Restfläche um 139.962 ha.
Ovo-lacto-vegetarisch
Eine ovo-lacto-vegetarische Ernährung der Bevölkerung (kein Fleisch wird konsumiert, allerdings Milch- und Eiprodukte) bedeutet:
100,3 Mio. weniger gehaltene Tiere und einen Zuwachs der verfügbaren Restfläche von 636.967 ha
Vegane Ernährung
Quelle: Studie Vier Pfoten von Schlatzer, M. und Lindenthal, T. (2022) Bild: inspiring.team, Volyk Nataliia, Raura7/Shutterstock
Bei einer veganen (also rein pflanzlichen) Ernährung der Bevölkerung sinkt die Zahl der Nutztiere um 108,1 Millionen während die verfügbare Restfläche um 1,777407 Mio. ha steigt
Was tun gegen Tierleid?
Eine 100-prozentige Garantie für Tierwohl gibt es nicht. Wer Tierleid vermeiden möchte, muss seinen Fleischkonsum drastisch reduzieren – aber auch den Verzehr von Milchprodukten und Eiern einschränken. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau hat in Kooperation mit dem Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit der Universität für Bodenkultur herausgefunden, welche Auswirkungen es hätte, wenn sich die Österreicher:innen an die Empfehlung der ÖGE halten würden. Würden wir zwei Drittel weniger Fleisch konsumieren, würden 64 Millionen weniger Tiere pro Jahr gehalten werde. Auf der bestehenden Stallfläche könnten 92 Prozent der Schweine biologisch gehalten werden, es gäbe genug freie Fläche für eine konsequent tiergerechtere Haltung (erweiterte Freiland-/Weidehaltung), frei gewordene Ackerflächen könnten für eine flächendeckende Umstellung auf Biolandwirtschaft genutzt werden, es würden 28 Prozent Treibhausgasemissionen eingespart.
Wer dennoch Fleisch essen möchte, der sollte jedenfalls auf die Haltungsbedingungen achten, Fleisch aus biologischer Landwirtschaft und am besten regional ab Hof kaufen. Eine weitere Einkaufsmöglichkeit sind sogenannte Food Coops: Hier schließen sich Personen und Haushalte zusammen, um selbst organisiert (biologische) Produkte direkt von lokalen Bauernhöfen oder Gärtnereien zu beziehen. Generell gilt: Je weniger Fleischkonsum, desto besser. Besser für die Gesundheit, besser für die Umwelt und ganz sicher besser für die Tiere.
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