Wissenschaftliche Belege fehlen. Die Wirkung der Passionsblume als Beruhigungsmittel ist nicht belegt – egal ob gegen Angst oder Schlafstörungen. Bisher vorliegende Studien zu Extrakt aus Passionsblumenkraut haben Mängel und sind nicht aussagekräftig.
Passionsblume als Beruhigungsmittel
Hilft das Extrakt aus der Passionsblume gegen Angst, Unruhe oder Schlafstörungen?
Als traditionelles Arzneimittel zugelassen
Extrakte aus der Passionsblume (Passiflora incarnata) gelten als natürliches Mittel gegen Angst, Unruhe und Schlafprobleme. Schon vor 200 Jahren wurde der Pflanze eine beruhigende Wirkung zugeschrieben, weshalb ihr Extrakt in Österreich als traditionelles Arzneimittel zugelassen ist.
Wirkstoffe und somit auch Medikamente, die in diese Kategorie fallen, müssen – anders als herkömmliche Arzneimittel – ihre Wirksamkeit nicht in klinischen Studien unter Beweis stellen. Ihr Einsatz beruht lediglich auf „traditionell überliefertem Wissen“.
Gegen Schlafstörungen, Angst und Nervosität
Doch eine Pflanze, die schon so lange zum Einsatz kommt, müsste doch auch wissenschaftlich untersucht sein? Unser Kooperationspartner medizin-transparent.at hat sich auf die Suche nach wissenschaftlichen Studien gemacht und fand vier, in denen das Extrakt aus der Passionsblume untersucht wurde. In einer Studie nahmen es die Teilnehmenden gegen Schlafstörungen ein, in den anderen drei gegen Angst und Nervosität unmittelbar vor chirurgischen Eingriffen. Überzeugen konnte keine der Arbeiten, alle wiesen gravierende Mängel auf und sind wenig vertrauenswürdig.
Anhaltende Wirkung unklar
In zwei der vier gefundenen Studien zeigte das Extrakt aus der Passionsblume nicht mehr Wirkung als ein Schein-Medikament (Placebo). In den anderen beiden berichten die Forschenden, dass die Teilnehmenden nach der Einnahme weniger Angst verspürten. Ob die Pflanze bei länger andauernder Unruhe und Angst hilfreich sein kann, wurde in den Studien nicht untersucht. Unklar bleibt daher, ob die Passionsblume eine anhaltende Wirkung hat. Etwa ob es Menschen mit Angststörungen oder wiederkehrenden Panikattacken hilft, wenn sie es regelmäßig einnehmen.
Gravierende Mängel
Die Untersuchungen wiesen zudem gravierende Mängel auf. In einer der Arbeiten fehlen teilweise wichtige Informationen und Daten. So war nicht nachvollziehbar, wann die Teilnehmenden das Mittel bekamen. In manchen der Studien hatten die Teilnehmenden der Passionsblumen-Gruppe zu Beginn mehr Angst als die Kontrollgruppe. Dies macht die Gruppen schlecht vergleichbar. Teilweise bleibt unklar, wie die Teilnehmenden den Gruppen zugeordnet wurden und ob das zufällig geschah. Denn nur dann wäre sichergestellt, dass es vor Studienbeginn keine Unterschiede zwischen den Gruppen gab. Bei einer Studie ist nicht klar, ob die Teilnehmenden, die das Placebo bekamen, dies wussten.
Bei der Recherche wurden ausschließlich Studien berücksichtigt, die das Passionsblumen-Extrakt mit einem Placebo verglichen. Es gibt auch Studien, die das Extrakt mit einem gängigen Beruhigungsmittel vergleichen, bei diesen kann jedoch ein Placeboeffekt nicht ausgeschlossen werden, weil die Teilnehmenden an eine Wirkung glauben.
Kooperation mit medizin-transparent.at
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In unserer Rubrik "Fakten-Check Medizin" finden Sie Informationen, ob es für Medienberichte zu medizinischen Themen echte wissenschaftliche Beweise gibt.
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