Angst ist ein urmenschliches Gefühl. Doch manchmal nimmt sie überhand und schlägt um in eine Angststörung. Dann bieten Psychotherapeuten Hilfe. Welche, das erklärt die Psychotherapeutin Astrid Mazhar.
Bisher sind in dieser Serie erschienen:
- Angst vor dem Alter - Habe ich richtig gelebt?
- Panikattacken - Wenn Angst krank macht
- Angst: Individuelle Unterschiede - Gelähmt vor Angst
- Angst vor Spinnen - Häufige Phobie
- Blog: Panikstörung - eine Betroffene berichtet
KONSUMENT: Angststörungen, sagt die Weltgesundheitsorganisation, nehmen zu. Deckt sich dieser Befund mit Ihrer Erfahrung?
Astrid Mazhar: Ängste im Sinne von: Ich bin nicht gut genug, ich kann meine Leistung nicht erbringen, ich bin überfordert – diese Ängste scheinen tatsächlich zuzunehmen. Hier handelt es sich offensichtlich um eine Folge der gestiegenen Anforderungen im Beruf und Ausbildungswesen. Ich glaube allerdings, dass die Leute auch schon früher Ängste hatten, nur haben sie die besser verstecken können. Es gab diese Hausfrauen, die sich aufgrund sozialer Angst zu Hause regelrecht vergraben haben – dieser Rückzug fiel aber nicht weiter auf. Die Menschen sind gegenüber früher heute eher bereit, etwas gegen ihre Angst zu unternehmen.
Wo verläuft die Grenze – wann ist Angst noch normal und wann beginnt sie, pathologisch zu werden? Wann schlägt sie also in eine Angststörung um?
Angst wird dann pathologisch, wenn sie das Leben des Betroffenen entscheidend einschränkt. Wenn sie beispielsweise dazu führt, dass der Betroffene nicht mehr aus dem Haus geht oder lange Umwege in Kauf nimmt. Es gibt eine Regel: Je mehr Ängste jemand hat, desto komplexer ist die Behandlung und das heißt zugleich, dass sich eine einzelne Phobie relativ leicht beheben lässt. Erst zuletzt hatte ich eine Patientin, die sich nicht mehr auf den Arm greifen konnte. Nach einer Infusion war es bei diesem Arm zu mehreren Komplikationen, unter anderem einer Embolie, gekommen. Mit einem Expositionstraining konnten wir das Problem in den Griff bekommen. Für die Patientin galt es, zunächst den nicht betroffenen Arm zu berühren, dann den betroffenen. In der Verhaltenstherapie propagieren wir den Grundsatz: Ängste lassen sich am besten überwinden, indem der Patient sich ihnen stellt. Im ersten Schritt geht es für ihn um die Gewöhnung an die angstbesetzte Situation; in den folgenden darum, dass er diese wichtige Erfahrung macht: Ist ja gar nicht so schlimm, diese Situation, ich halte die Angst aus. Es kommt in der Folge zu einer Neubewertung der Situation, die bislang Angst gemacht hat, und damit zu einer Umorganisation im Hirn.
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