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Das Team von Unverschwendet vor ihrem Laden
Das Team von "Unverschwendet" rettet und verarbeitet überschüssiges Obst und Gemüse. Bild: SLKphoto Sebastian-Kreuzberger

Nachhaltigkeit mit Genuss: zu Besuch bei "Unverschwendet"

Die Geschwister Diesenreiter und ihr Team retten und veredeln überschüssiges Obst und Gemüse, damit es nicht weggeschmissen werden muss. Neuerdings auch in Kooperation mit Hofer.

Der Schwendermarkt im 15. Wiener ­Gemeindebezirk: Auf einem der ältesten Märkte der Stadt befindet sich das ­Geschäft von Unverschwendet. Hier ­begann 2015 die Geschichte des Unternehmens, als Cornelia Diesenreiter in der kleinen Küche mit einigen Freunden gerettetes Obst und Gemüse zu Mar­meladen und Aufstrichen verarbeitete.

Auch heute dient der Marktstand noch als Geschäft und Treffpunkt für das ­Unverschwendet-Team, doch der Laden ist längst gewachsen: Wurden im ersten Jahr noch 500 Gläschen verkauft, waren es zwei Jahre später bereits 35.000 – heute befinden sich die Verkaufszahlen im sechsstelligen Bereich. Insgesamt konnten bereits 350.000 Kilo Obst und Gemüse gerettet werden.

Vom Verein zum Unternehmen

Nach einer Ausbildung zur Köchin, einem Rechts- und Wirtschaftsstudium und ­einem Abschluss in Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der BOKU Wien ging Diesenreiter nach England, um dort einen Master in nachhaltigem Produktdesign zu absolvieren. Sie erfuhr in ihrem Studium von einer Restmüll­analyse, die ergeben hatte, dass in einer Müllmenge von 1,5 Tonnen Müll 400 Kilogramm Lebensmittel gefunden wurden.

Zurück in Österreich beschloss sie, sich diesem Thema zu widmen, und musste feststellen, dass es auf dem Gebiet der Vermeidung von Lebensmittelabfällen keine Jobs gab. „Also entschloss ich mich, selbst aktiv zu werden, und gründete mit meinem Bruder Andreas den Verein Unverschwendet.“ Aus dem Verein wurde ein Unternehmen, das heute 20 Mitarbeiter hat und beständig wächst. „Wir haben bereits 15 Millionen Kilo Obst und Gemüse angeboten bekommen, können aber bei Weitem nicht alles annehmen.“

Lebensmittelüberschüsse verarbeiten

Unverschwendet nimmt ausschließlich Lebensmittelüberschüsse aus der Landwirtschaft an und arbeitet mit Betrieben zusammen, die Produkte wie Chutneys, Marmeladen oder Senf herstellen. Die Gründe für die Überproduktion sind ­vielfältig, die Lebensmittel zu klein, zu groß, zu krumm oder es ist gerade kein Transporter verfügbar. Doch auch die Unabwägbarkeiten der Natur spielen eine Rolle: "Wenn ein Supermarkt beim Bauern eine bestimmte Menge Melanzani bestellt, muss dieser 120 bis 160 Prozent anbauen, damit die bestellte Menge geliefert werden kann – weil er das Risiko von Hagel, Sturm oder ­Trockenheit mit einberechnet", erklärt Diesenreiter.

Ein weiterer Grund für Überproduktion sei die Lebensmittel­industrie: "Wir reden hier von einem sehr komplexen System, das es ermöglicht, günstig gute Qualität zu erhalten und in Filialen tausende unterschiedliche Produkte vorzufinden", so die 35-jäh­rige Unternehmerin. "Dabei kommt es immer wieder vor, dass Lebensmittel nicht in diesen Prozess passen und übrig bleiben – obwohl sie qualitativ hochwertig sind."

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Obst und Gemüse das im Supermarkt nicht verkäuflich wäre aufgrund der gewachsenen Form in Holzkiste und auf dem Holztisch
Gerettetes Obst und Gemüse ... | Bild: Susanne-Wolf
Regal im Laden von "Unverschwendet" mit verschiedenen Produkten
... wird zu einem Teil des Angebots von "Unverschwendet". | Bild: Susanne-Wolf
Obst und Gemüse das im Supermarkt nicht verkäuflich wäre aufgrund der gewachsenen Form in Holzkiste und auf dem Holztisch
Gerettetes Obst und Gemüse ... | Bild: Susanne-Wolf
Regal im Laden von "Unverschwendet" mit verschiedenen Produkten
... wird zu einem Teil des Angebots von "Unverschwendet". | Bild: Susanne-Wolf

Aufklärung ...

Unverschwendet möchte Lösungen ­finden, statt nach Sündenböcken zu ­suchen. „In den Medien werden Supermärkte oft als die Bösen dargestellt, aber in Haushalten und in der Landwirtschaft wird viel mehr weggeschmissen“, so Diesenreiter.

Tatsächlich hat der WWF errechnet, dass etwa die Hälfte aller vermeidbaren Lebensmittelabfälle zu Hause entsteht, rund 521.000 Tonnen pro Jahr. „Bis zu 133 Kilogramm genießbarer Nahrungsmittel und zwischen 250 und 800 Euro werden demnach hierzulande in jedem Haushalt jährlich vergeudet“, schreibt der WWF auf seiner Website.

Die Menge der in der Landwirtschaft anfallenden Lebensmittelabfälle wird auf 167.000 Tonnen jährlich geschätzt.

... und Partnerschaften

Unverschwendet betreibt Bewusstseinsbildung in Form von Informationen auf der Website oder Facebook-Kampagnen. Auch auf der Rückseite der Produktetiketten wird über Lebensmittelabfälle aufgeklärt. „Wir kooperieren zudem mit der Wiener Tafel oder Too Good to Go, die ihrerseits viel Aufklärungsarbeit betreiben.“ Die Wiener Tafel arbeitet mit Supermärkten und Bäckereien zusammen, um nicht verkaufte Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu bewahren, und versorgt rund 92 soziale Einrichtungen damit. Die Smartphone-App Too Good to Go vernetzt Betriebe – darunter Supermärkte und Restaurants – und Konsumenten, um die Weitergabe unverkaufter Lebensmittel zu ermöglichen.

Rezepte von Oma & Co

Unverschwendet-Produkte tragen ­klin­gende Namen wie Wassermelone-­Pfeffer-Sirup oder Apfel- und Mohn-Senf. Cornelia Diesenreiter ist selbst an der Produktentwicklung beteiligt und arbeitet mit Haubenköchen oder Unternehmen wie dem Senfhersteller Ramsa-Wolf zusammen. "Manche Rezepte stammen auch von unserer Oma“, sagt die Unternehmerin und schmunzelt. Auch Bioprodukte gibt es im Sortiment, wie etwa einen Weichselsirup. "Wir haben auch Produkte, die nur ­einige Zutaten in Bioqualität enthalten, wie Vanille oder Gewürze, bei denen der Überschuss aber nicht aus Biolandwirtschaft kommt."

Neben der Produktentwicklung arbeitet Diesenreiter Verträge und Finanzpläne aus, besucht Produzenten oder landwirtschaftliche Betriebe. "Kein Tag gleicht dem anderen", so die vielbeschäftigte Unternehmerin. Ihr Bruder Andreas ist im Unternehmen für Marketing und Kommunikation zuständig.

Ambitionierte Ziele

Das ambitionierte Ziel von Unverschwendet ist es, durch Wachstum langfristig die Überproduktion von Lebensmitteln zu senken. „Je größer wir werden, desto mehr können wir retten“, so Diesenreiter. „Das führt hoffentlich dazu, dass weniger produziert wird, da die Überschüsse im System gehalten werden können.“

Weitere Schritte auf diesem Weg sind bereits in Planung: die Vermittlung von Lebensmittelüberschüssen an die Gas­tronomie sowie eine Datenbank, die erfasst, wann und wo Überschüsse anfallen. Wird dadurch Überproduktion verhindert werden? "Man kann herausfinden, wo Überschüsse anfallen werden, um sie dann in der Wertschöpfungskette zu halten", erklärt Diesenreiter. "Irgendwann sollte es möglich sein, alle Überschüsse zu nützen und dadurch die ­Gesamtproduktionsmenge zu senken."

Kooperation mit Hofer

Mit Hofer hat Unverschwendet nun ­einen großen Partner gefunden: Seit ­Oktober 2022 gibt es beim Diskonter Produkte der Marke Rettenswert zu kaufen, eine Kooperation mit Unverschwendet. Darunter befinden sich Produkte wie Karotten-Pesto, eingelegte Zucchini oder Kürbis-Ketchup.

Das „Team Rettenswert” entwickelt und optimiert laufend mit Hofer gemeinsam die Rettenswert-Standards für die Marke, beliefert die Produzenten von Hofer mit geretteten Überschüssen und kümmert sich um deren Kontrolle. „Die geretteten Überschüsse müssen in puncto Qualität und Lebensmittelsicherheit die gleichen Anforderungen – wie z. B. gesetzliche Standards für Lebensmittelproduktion – erfüllen wie andere Rohwaren und durchlaufen die gleichen Prozesse und Überprüfungen“, erklärt Diesenreiter.

Buch: „Nachhaltig gibt’s nicht“

In ihrem Buch „Nachhaltig gibt’s nicht“ kommt Cornelia Diesenreiter nach jahrelanger persönlicher Erfahrung zu dem Schluss, dass es nicht möglich sei, zu hundert Prozent nachhaltig zu leben. Und sie ist überzeugt davon, dass jede nachhaltige Handlung besser ist als ­Perfektionismus. Mit Unverschwendet erbringt die Unternehmerin zudem den Beweis dafür, dass ein nachhaltiger ­Lebensstil nicht unbedingt Verzicht bedeuten muss. „Nachhaltigkeit kann auch Genuss sein.“

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