Zum Inhalt

Entschädigung für Patienten - Wenn Privat zum Nachteil wird

Fälle aus der Patientenanwaltschaft - diesmal: Patientinnen und Patienten, die sich in privaten Krankenanstalten beziehungsweise bei niedergelassenen Ärzten behandeln lassen, haben bei auftretenden Komplikationen keinen Anspruch auf Leistungen aus dem Entschädigungsfonds.

Fall 1: gemeinnützige Krankenanstalt

Eine 62-jährige Patientin lässt sich in einer steirischen gemeinnützigen Krankenanstalt an der Schilddrüse operieren. Nach der OP kommt es zu einer beid­seitigen ­Lähmung der Stimmbänder mit massiven Problemen beim Atmen, Sprechen und bei der Nahrungsaufnahme.

Auch eine konsequente logopädische Behandlung bringt ­keine wesentliche Verbesserung. Ein Jahr nach der Erstoperation wird ein weiterer ­Eingriff in einer Hals-Nasen-Ohren-Abteilung vorgenommen, der zwar zu einer leichten Verbesserung der Atmung führt, die Sprechprobleme und Schwierigkeiten beim Trinken jedoch nicht beheben kann. Die Lebensqualität der Patientin bleibt stark beeinträchtigt.

Fall 2: Sanatorium mit niedergelassenem Chirurgen

Eine 53-jährige Patientin lässt sich in einem Sanatorium von einem niedergelassenen Chirurgen wegen einer massiven, medikamentös nicht einzustellenden Überfunktion der Schilddrüse operieren. Es wird die ge­samte Schilddrüse entfernt. Nach der Opera­tion tritt eine beidseitige Störung des rück­läufigen Kehlkopfnervs (Stimmnervs) auf. Die Patientin leidet unter ausgeprägter Atemnot bei bereits geringer körperlicher Belastung ­sowie bei längerem Sprechen.

Aufgrund von verstärktem Speichelfluss und Verschleimung besteht ein stän­diger Räusperzwang. Die ­Patientin neigt zu Hyperventilation, dabei ­treten wiederholt Erstickungsangst, Herz­klopfen und Schwindel auf. Durch die massive Einschränkung der ­Atmung ist keine körper­liche beziehungsweise sportliche Betätigung möglich. Der berufliche Alltag ist kaum zu ­bewältigen, das soziale Leben eingeschränkt. Die Patientin vermutet einen Behandlungs­fehler.

Intervention, Ergebnis, Fazit

Die Intervention

Im Fall 1 stellt die ­Patienten- und Pflegeombudsschaft des Landes Steiermark einen Antrag beim verschuldens­unabhängigen Patientenentschädigungsfonds des Landes. Die zustän­dige medizinische Sachverständige befindet, dass es sich bei der nach dem Eingriff beidseitig auf­getretenen Stimmbandlähmung durch die Verletzung der Stimmbandnerven um kein schuldhaftes Fehlverhalten der behandelnden Ärzte handelt. Es sei vielmehr von einer schicksalshaften, mit dem Eingriff ursächlich verbundenen Komplikation auszugehen. Der entlang der Luftröhre verlaufende Stimmbandnerv könne bereits vor der Operation trotz aller Sorgfalt überdehnt oder verletzt worden sein.

Im Fall 2 wendet sich die Patienten- und ­Pflegeombudsschaft an die Schlichtungsstelle für den niedergelassenen Bereich. ­Eine Intervention beim verschuldensunab­hän­gigen Patientenentschädigungsfonds ist aussichtslos, da der operierende Chirurg im ­Sanatorium als Belegarzt und somit im niedergelassenen Bereich tätig war. Der ­zugezogene Sachverständige bewertet die beidseitige Stimmbandparese als seltene, jedoch typische Komplikation.

Das Ergebnis

Im Fall 1 wird aus dem verschuldensunabhängigen Entschädigungsfonds ein Betrag in der Höhe von 21.800 Euro zuerkannt.

Im Fall 2 wird, da dem operierenden Arzt kein rechtswidriges Verhalten beziehungsweise Verschulden nachgewiesen werden kann (was Voraussetzung für eine Entschädigung ist), der Schlichtungsantrag abgewiesen. Der Patientin bleibt nur der Gang vor ein Gericht, mit dem Risiko, eventuell anfallende Prozesskosten selbst tragen zu müssen.

Das Fazit

Obwohl beide Fälle sehr ähnlich gelagert sind, werden die beiden betroffenen Patientinnen vollkommen unterschiedlich behandelt. Paragraph 27a des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes (KAKuG) sieht nämlich nur dann eine Zahlung durch den ­Patientenentschädigungsfonds vor, wenn die Behandlung in öffentlichen oder privaten ­gemeinnützigen Krankenanstalten erfolgt ist.

Dies ist im Fall 2 nicht geschehen. Für die ­betroffene Patientin wirkt sich besonders nachteilig aus, dass auch Versicherungen bei fehlendem ärztlichen Verschulden keine Entschädigungsleistung zahlen. Sie geht also komplett leer aus. Die österreichischen Patientenanwältinnen und -anwälte setzen sich seit Jahren dafür ein, diesen enormen Rechtsnachteil aufzuheben.

VKI-Kooperation mit der Patientenanwaltschaft

Immer wieder kommt es in Spitälern und Ordinationen zu Behandlungsfehlern. Jedes Jahr kosten medizinische Fehler rund 3.000 Menschen das Leben, Zehntausende Patienten erleiden gesundheitliche Schäden. Neben persönlichem Leid kann dies für die Betroffenen erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. In unserer Rubrik berichten wir über Fälle, mit denen österreichische Patientenanwältinnen und -anwälte konfrontiert werden.

Die PatientInnen- und Pflegeombudschaft des Landes Steiermark engagiert sich seit Jahren dafür, dass Patientinnen und Patienten, die in privaten Krankenanstalten behandelt werden ebenfalls Leistungen aus dem Patientenentschädigungsfonds erhalten können.

 

PatientInnen- und Pflegeombudsschaft des Landes Steiermark
Abteilung 8 Wissenschaft und Gesundheit,
Fachabteilung Gesundheit und Pflegemanagement,
Haus der Gesundheit,
Friedrichgasse 9,
8010 Graz
Tel. 0316 877-3350
Fax 0316 877-4823
E-Mail: ppo@stmk.gv.at
www.gesundheit.steiermark.at

Buchtipp: "Mein Recht als Patient"

Patienten haben häufig das Gefühl, ihren Ärzten ausgeliefert zu sein. Doch wer krank ist, ist durchaus nicht schutzlos – vorausgesetzt, er kennt seine Rechte. Unser Buch zeigt anhand konkreter Beispiele, welche Rechte Patienten im Gesundheitsbetrieb haben und welche Möglichkeiten bestehen, diese durchzusetzen.

www.konsument.at/patient-recht

Aus dem Inhalt

  • Krankenkasse und freie Arztwahl
  • Welche Behandlung steht mir zu?
  • Das Recht auf Selbstbestimmung
  • Behandlungsfehler und Haftung des Arztes
  • Psychiatrie und Heimunterbringung
  • Gesundheitsakte, Krankengeschichte, Datenschutz

196 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Mein Recht als Patient 

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Online-Glücksspiel: Was ist legal?

Online-Glücksspiel: Was ist legal?

Im österreichischen Glücksspielgesetz ist ein Quasi-Monopol definiert, wonach nur teilstaatliche Betreiber auch für das Glücksspiel im Internet Konzessionen bekommen.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang