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AWD-Prozess - So sicher wie ein Sparbuch ...

Rund 2.500 Konsumenten haben durch fragwürdige Empfehlungen etwa 30 Millionen Euro verloren. Der Vorwurf des VKI lautet: Nicht nur einzelne AWD-Berater haben fehlerhaft beraten. Die Vorgangsweise, auf Teufel komm raus Immofinanzaktien zu verkaufen, hatte System.

Donnerstag, 22.10.2009: Auftakt zur ersten Verhandlung in der Sammelklage des VKI gegen den AWD am Handelsgericht Wien. Der VKI wirft dem AWD systematische Fehlberatung vor. Auf 34 Seiten wird im Schriftsatz ausgeführt, warum.

Wir lassen Sie mitlesen:

So viele Beschwerden wie noch nie

Argument Nummer eins ist schlicht die ­Anzahl der Konsumentenbeschwerden. Zum Vergleich: 2004 hatten sich – ebenfalls in einer AWD-Angelegenheit, die mittlerweile außergerichtlich beigelegt worden ist – 450 Konsumenten gemeldet, im Fall AMIS waren im Jahr 2006 etwa 200 Konsumentenbeschwerden zu verzeichnen, im Zusammenhang mit der Vermittlung von MEL-Zertifikaten waren es 280 Fälle. Die Ver­mittlung von Immofinanz- und Immoeast-Aktien durch den AWD führte hingegen zu über 7.000 Beschwerden beim VKI. Und ­eine Auswertung zeigte: Es ging nicht um einige wenige schwarze Schafe unter den Beratern, die Beschwerdefälle betreffen ­etwa 1.700(!) verschiedene AWD-Berater. Eine Analyse der Beschwerdefälle durch das SORA-Institut bestätigt im Übrigen das Vorliegen von „statistisch überzufällig häufigen“ Beratungsmängeln und dass den ­Anlegerinnen und Anlegern offensichtlich nicht bewusst war, welche Art von Anlagen ihnen verkauft worden waren.

Immobilienaktien als Schwerpunkt

AWD-Unterlagen führen zu der Annahme, dass der Verkauf von Immobilienaktien ganz gezielt (und ohne Berücksichtigung der Anlegerbedürfnisse) forciert wurde. Die damit getä­tigten Umsätze waren auch ein wichtiger Faktor für die AWD-Bilanzen. Interessant: Neben den Abschlussprovisionen für den Vertrieb (die zum größten Teil den AWD-Beratern und Beraterinnen zukamen) erhielt der „unabhängige Finanzoptimierer“ AWD nicht unerhebliche Bestandsprovisionen. Gegenüber den Kunden wurde dieser Umstand nie offengelegt. Daraus lässt sich schließen: Es war gemeinsames Ziel von Immofinanz, Immoeast, Constantia Privatbank (als ­Depotbank) und des AWD, dass möglichst viele Aktien verkauft und dann gehalten wurden. Es war also nicht Absicht des AWD, dass Kunden Gewinne realisieren, und schon gar nicht, dass Kunden Aktien bei sinkenden Kursen verkaufen.

Strukturvertrieb

Verkäufer statt Berater

Der AWD und sein Vertrieb präsentierten sich als „unabhängige Finanzoptimierer“. Damit wurde auch eine Abgrenzung gegenüber Banken und Versicherungsagenten suggeriert, die in dem Ruf stehen, vor allem eigene Produkte zu verkaufen. Der AWD versprach den Kunden jeweils eine Analyse der Ist-Situation durch Erstellung einer kos­tenpflichtigen Wirtschaftsbilanz (100 Euro), weiters die Beratung zur Optimierung der Finanzsituation sowie einen laufenden Service. Die „Unabhängigkeit“ bei der Vermittlung von Produkten wurde gegenüber den Kunden mit gleich hohen Provisionen für alle Produkte argumentiert. Tatsache ist aber: Für die Vermittlung eines Bausparers bekam der Berater 0,34 Provisionsein­heiten, für Immobilienaktien bis zu 3,8.

AWD ist ein Strukturvertrieb

Der AWD weist im Übrigen deutliche Merkmale eines Strukturvertriebs auf. Laufend werden neue Berater („Agenten“) aufgenommen, die dazu angehalten sind, Neu­kunden aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis zu werben. Den Beratern werden hohe Verkaufsprovisionen, ein Aufstieg in der Organisationsstruktur und eine Ausbildung zum Wirtschaftsberater in Aussicht gestellt.

Viele Berater erkennen schon nach wenigen Monaten, dass sie für diese Art des aggressiven Verkaufens nicht geeignet sind, und steigen wieder aus. Gewinner ist der AWD, haben doch viele von ihnen selbst Produkte erworben bzw. an Verwandte und Bekannte verkauft, die nun zum Kundenstock von AWD gehören. Die Bestands­provisionen für deren Depot gehen an den AWD.

Bemerkenswert: Die neuen AWD-Berater wurden aus allen möglichen Berufen, die nichts mit Finanzdienstleistungen zu tun haben, rekrutiert. Unter den Ex-AWD-Beratern, die mit dem VKI Kontakt aufgenommen haben, finden sich: Tischler, Musiker, Biologen, Verkäufer und Vertreter aller möglichen weiteren Berufe. Mehrere ehemalige AWD-Berater geben an, einem ­großen Verkaufsdruck ausgesetzt gewesen zu sein. Das deckt sich auch mit E-Mails ­eines AWD-Direktors, die beispielhaft zeigen, wie die Vertriebsmitarbeiter geradezu getrieben wurden, gezielt Immoeast- und Immofinanz-Produkte zu verkaufen.

Zur Verschwiegenheit verpflichtet

Mit zwei Gesichtern

Gegenüber Finanzmarktaufsicht, Medien und Kunden präsentierte sich der AWD als „unabhängiger Finanzoptimierer“, nach innen – gegenüber den eigenen Agenten – wurde auf Gewinnmaximierung durch den Verkauf von bestimmten Produkten gedrängt. Die Agenten wurden in den Verträgen mit dem AWD verpflichtet, „anleger- und anlagegerecht“ zu beraten, den Kunden über alle Risiken aufzuklären und auch keine Zusicherungen für bestimmte Ren­diten zu geben. In der Praxis erfolgte aber oft genau das Gegenteil: Immobilienaktien wurden ohne Hinweis auf das Risiko eines Totalverlustes verkauft, vielmehr wurden sie nach Angaben von Beratern und Kunden sogar als „mündelsicher“, „todsicher“ oder „sicher wie ein Sparbuch“ bezeichnet.

Bausparverträge gezielt madig machen

Einer­seits wurden die AWD-Agenten sozusagen zur Seriosität verpflichtet, andererseits von den Vorgesetzten unter extremen Verkaufsdruck gesetzt. In Leistungswett­bewerben zwischen einzelnen Verkaufs­büros wurde der Verkauf angeheizt, in Verkaufsschulungen wurden die Tricks trainiert, mit denen Kunden zum Abschluss gebracht werden können. In vorgegebenen Argumentarien wurden die Agenten dazu angehalten, manipulativ Bankprodukte wie Sparbücher (im AWD-Jargon "Spaß-Buch“) und Bausparverträge gezielt madig zu ­machen.

Immofinanz- und Immoeast-Aktien wurden mit der Aussicht auf 6 Prozent Rendite und mehr angepriesen. In den internen Schulungen wurde auch vermittelt, die betreffenden Immobilienaktien seien "mündelsicher“.

Zur Verschwiegenheit verpflichtet 

Die Agenten kamen auch insofern unter Druck, als sie zum einen gegenüber dem AWD für alle Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften zur korrekten Anlageberatung im Regress die Haftung übernehmen muss­ten. Zum anderen sahen sie sich aber durch den in der Praxis entwickelten Verkaufsdruck geradezu gezwungen, Regelverletzungen zu begehen. Da wundert es auch nicht, wenn die Agenten unter Androhung von Konventionalstrafe und Schadenersatz zu strengster Verschwiegenheit, insbesondere über alle Interna des AWD, verpflichtet wurden.

Mit Sicherheit geworben

Falsche Behauptungen

Entgegen der Darstellung der AWD-Agenten waren die Produktprovisionen also ­keineswegs gleich hoch. Für Immobilienaktien betrugen sie nach AWD-internen Unterlagen mehr als das Zehnfache der Provision für einen Bausparvertrag.

Im Schriftsatz wirft der VKI dem AWD weiters vor, keine Produktprüfung bezüglich Immofinanz- und Immoeast-Aktien vorgenommen zu haben. Der "unabhängige ­Finanzoptimierer“ hat die Werbemateria­lien einfach übernommen, Schulungen ­erfolgten durch Mitarbeiter der Constantia Privatbank und der Immofinanz. Nicht ­einmal einfache Analysemethoden hat der AWD angewendet. Vielmehr war sich der AWD mit den Verantwortlichen von Immofinanz, Immoeast und Constantia Privatbank einig, dass er die Aktien mit hohem Verkaufsdruck an ein konservatives und ­risikoscheues Anlagepublikum verkaufen und den Käufern zum Halten der Aktien ­raten solle.

Aktien für konservative Anleger

Die Mehrheit der Österreicher war und ist in Vermögensangelegenheiten konservativ und auf Sicherheit bedacht. Für klassische Sparbücher befanden sich die Zinsen zwischen 1999 und 2007 allerdings im Keller. So war es für den AWD als Strukturvertrieb damals ein Leichtes, genau dieses Publikum mit der Zusage besserer Zinsen bei gleicher Sicherheit zu gewinnen. Gut auch für Immofinanz und Immoeast. Der zentrale Ansatz in der Werbung war schließlich die Betonung der „Sicherheit“.

99 Prozent aller Beschwerdeführer gaben an, dass der AWD-Berater die Immoblienaktien als besonders sicher bezeichnet habe. Die Immofinanz- und Immoeastpapiere wurden als "Ersatz für das Sparbuch“ an konservative Anleger verkauft – ohne jede Einschränkung. Dass die AWD-Agenten Aktien als „mündelsicher“ beworben haben, hat der AWD nicht nur zugelassen, sondern gefördert, lautet ein weiterer Vorwurf, der ebenso wie alle anderen Vorwürfe vom AWD zurückgewiesen wird.

In den Mund gelegt

Aktien halten statt verkaufen

Der AWD präsentierte sich gegenüber Kunden zudem als ständiger Partner in finanziellen Angelegenheiten. Von einer sachkundigen Verwaltung der Wertpapiere konnte aber keine Rede sein, für eine Vermögensverwaltung hätte der AWD auch gar keine Konzession gehabt. Als sich 2007 die Kunden angesichts dramatisch sinkender Aktienkurse an ihre Berater wandten, wurde ihnen konsequent vom Verkauf abgeraten; in fast allen Fällen wurde ihnen empfohlen, die Aktien zu halten, ja sogar nachzukaufen. Angesichts der Bestandsprovisionen durchaus im Interesse des AWD.

In den Mund gelegt

Im letzten Punkt der Argumentation legt der VKI ein AWD-Schreiben vor, das zeigt, wie der AWD betroffene Berater daran ­"erinnert“, worüber sie beraten haben sollen. Darin findet sich die Formulierung "können wir davon ausgehen, dass Sie den Mandanten über folgende Punkte aufgeklärt haben: Risikogehalt der Anlage, Langfris­tigkeit der Anlage, Erläuterung des Konzepts der Risikostreuung, die Möglichkeit von Kursschwankungen.“ Damit gibt der AWD seinen Beratern, die er in der ­Folge als Zeugen führen wird, direkt vor, woran sie sich zu erinnern haben.

Durchaus möglich, dass das einige Zeugen in Verlegenheit bringt.

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