Ein Leser schickte uns per Mail ein Foto von einem Päckchen Leinsamen mit EU-Biosiegel, gekauft im Supermarkt um die Ecke. Das Unverständnis, das er äußerte, bezog sich auf die Herkunft des Produkts: Indien. Ein Land, so der leicht aufgebrachte Konsument, „mit sicher hohen Qualitätsstandards und Kontrollmechanismen …“. Der Begriff „bio“ sei da wohl sehr weit hergeholt.
Ich wusste zuerst nicht recht, was ich davon halten sollte. Spontan dachte ich mir: „Was für eine imperialistische Sicht auf die Welt.“ Andererseits, auch ich bin wohl nicht frei von Vorurteilen. Man kann diese grundsätzliche Skepsis schon auch nachvollziehen. Greifen Qualitätsstandards und Kontrollmechanismen wirklich? Schwarze Schafe gibt es überall, hundertprozentige Sicherheit kann nicht garantiert werden. Unsere Lebensmittel-Experten im Haus versichern jedenfalls, dass das EU-Biosiegel ein sehr verlässliches ist.
Bio per Gesetz
Ich begann zu recherchieren. Über bio in Indien. Faktum ist, dass dort die Zahl der Bio-Bauern stetig steigt. Mehr als eine Million haben sich bereits dem Zertifizierungsprozess unterzogen. Das macht Indien zum Land mit den meisten Bio-Betrieben weltweit. Und der kleine Bundesstaat Sikkim ist seit 2016 überhaupt bio. Komplett. Und zwar per Gesetz.
Generell zeigt sich, dass in der indischen Landwirtschaft Ökologie (wieder) an Bedeutung gewinnt. Schätzungen zufolge wuchs die Bio-Anbaufläche 2015 um rund eine halbe Million Hektar und legt seither jedes Jahr um 25 Prozent zu. Zugegebenermaßen ausgehend von einem niedrigen Niveau.
2017 bemühte man sich ferner (erfolgreich) darum, den Bio-Weltkongress ins Land zu holen – auch das ein Zeichen dafür, dass mit dem lange vorherrschenden Dogma gebrochen wurde, man könne die Lebensmittelversorgung nur mit konventioneller Landwirtschaft und dem Einsatz von Unmengen an Pflanzenschutzmitteln und Kunstdünger gewährleisten.
Bio ist also auf dem Vormarsch. Zum Glück nicht nur in unseren Breiten.