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Heidelbeerjoghurt - Falsche Früchtchen

Etliche Hersteller von Heidelbeerjoghurts fischen in fremden Gewässern: Johannisbeere, Holundersaft, schwarze Karotte und rote Bete finden sich in den Zutatenlisten.

Der Liebling unter den Fertigdesserts auf Milchbasis ist Erdbeerjoghurt (Test KONSUMENT 10/2011). Daneben zählt auch die Geschmacksrichtung Heidelbeere zu den favorisierten Sorten. In Supermärkten von Wien bis Feldkirch machten wir im ersten Halbjahr 2011 Beute: 18 verschiedene Heidelbeerjoghurts landeten in den Labors.

Das günstigste Erzeugnis kommt aus dem 500-g-Becher von Gmundner Milch (0,16 € pro 100 g), die 180-g-Becher von Milfina, Milbona, Clever und S-Budget schonen mit 0,18 € pro 100 g ebenfalls die Geldbörse. Am tiefsten muss man für Danone Activia (0,38 € pro 100 g) sowie für Jogurella (0,37 € pro 100 g) in die Tasche greifen. Die Bioprodukte im Test, Ja! Natürlich und Bio+, liegen mit einem Preis von 35 bzw. 32 Cent je 100 Gramm ebenfalls im oberen Preisbereich.

Bakterien, Keime, Geschmack

Wir wollten – analog zu den Erdbeerjoghurts – wissen, welche Arten von Milchsäurebakterien die jeweiligen Erzeugnisse enthalten, ob gesundheitsgefährdende Keime darin lauern, wie es um den Nährstoffgehalt bestellt ist und vor allem, ob die Produkte so gut schme­cken, wie die Werbung verspricht.

Produzenten sparen, wo’s geht

Weil der mündige Konsument wissen will, was genau er seinem Körper zumutet, nahmen wir als Erstes die Verpackung unter die Lupe. In vielen Fällen benötigten wir tatsächlich das Vergrößerungsglas, um die diversen Aufdrucke entziffern zu können: Die Schrift ist schlicht zu klein. So beträgt laut gesetz­licher Bestimmung bei Packungs­größen von 200 bis 1000 g die Mindestschriftgröße für die Nettofüllmenge 4 mm. Bei Danone Activia etwa sind es gerade einmal 3,3 mm.

Deklarationsvorschriften, fragwürdige Inhaltsstoffe

Deklarationsvorschriften

Bei drei Joghurts orteten wir derart grobe Verstöße gegen die Deklarationsvorschriften, dass die Produkte als nicht verkehrsfähig ­eingestuft werden mussten. Was wir in Bezug auf den Codex des Österreichischen Lebensmittelbuches entdeckten, missfiel uns mitunter. Bei Bio+, Spar und Milbona fehlen die Prozentangaben des Fruchtanteils gänzlich.

Stainzer vernebelt Fruchtanteil

Weshalb Stainzer mit einer verschachtelten Angabe den Fruchtanteil vernebelt, ist uns ein Rätsel. Man muss zwei Prozentrechnungen durchführen, um auf das gute Ergebnis von 12,63 % zu kommen. Dagegen hat bei Danone Activia das Knausern System: Mickrige 2,9 Prozent Heidelbeeren stecken in dem Erzeugnis, dafür aber Aromazusätze und die färbenden Konzentrate schwarze Karotte und rote Bete. Dieses Produkt unterliegt allerdings nicht dem österreichischen Codex – mehr dazu später.

Fragwürdige Inhaltstoffe

Apropos Zusatzstoffe – nur vier Erzeugnisse kommen ohne Aroma­zusätze aus: Nöm Mix, Spar, Ja! Natürlich und Bio+. Nöm Mix ist das ­einzige Heidelbeerjoghurt, das von seiner ­Zusammensetzung her dem gesunden Hausverstand entspricht. Es enthält Joghurt, 12 % Heidelbeeren, Zucker und sonst nichts – außer dem Stabilisator Pektin. Ja! Natürlich hilft dem Geschmack mit Zitronensaftkonzentrat nach, in Milfina und Jogurella findet sich – ­einigermaßen überraschend für Heidelbeer­joghurts – Johannisbeersaft. In Clever und Milbona steckt Holundersaft.

Zuckeranteil oft zu niedrig angegeben

Bei der Angabe der Nährstoffgehalte zeigt sich ein ähnliches Bild wie schon bei den Erdbeerjoghurts: Der Fettanteil wurde korrekt angegeben, der Zuckeranteil oft zu niedrig. Allerdings gibt es zwei Ausreißer: Das sonst vorbildliche Nöm Mix weist um satte 30 % mehr Zucker auf als deklariert; und beim Fettgehalt müssen wir Danone Activia die Rute ins Fenster stellen, denn es enthält knapp 17 % mehr davon als auf der Verpackung ausgewiesen.

Beeren aus aller Welt

Beeren aus aller Welt

Wenige Unterschiede gibt es beim Erzeugungsort: Joghurt und Fruchtzubereitung werden großteils in Österreich hergestellt. Ausnahmen sind hier Sterzing-Vipiteno (Südtirol) sowie Danone Activia, bei dem das Joghurt aus Tschechien und die Heidelbeerzubereitung aus Polen stammt. Zur Fruchtauswahl bei den Marken Clever und Billa erreichte uns vom Rewe-Konzern folgende Mitteilung: „Die Herkunft Österreich hat Vorrang. Unter anderem aufgrund mangelnder Verfügbarkeit österreichischer Rohstoffe werden Früchte auch aus anderen Ländern bezogen.“ Bei Heidelbeeren ist die Liste der Lieferländer generell lang: Beispielsweise stehen Russ‑ land, die Ukraine, Polen, Skandinavien, die USA und Kanada darauf. Offenbar reichen die heimischen Ressourcen nicht aus.

Milch ohne Gentechnik

Etliche Hersteller verwenden mittlerweile Milch, die ohne den Einsatz von Gentechnik produziert wurde. So ziert der Aufdruck „aus österreichischer, gentechnikfreier Milch“ recht präsent die Verpackungen von Nöm Mix, Tirol Milch, S-Budget und Jogurella. Unrichtigerweise, wie wir meinen, denn bei Lebensmitteln, die aus mehreren Zutaten bestehen, sollte der Hinweis auf eine gentechnikfreie Einzelzutat in der Zutatenliste angeführt werden – wie es auch bei Zutaten aus biologischer Landwirtschaft üblich ist. Grundsätzlich ist es für Verbraucher schwer verständlich, wenn die gentechnikfreie Milch hervorgehoben wird, aber bei weiteren Zu­taten womöglich Gentechnik zum Einsatz kommt.

Künstlich bis mehlig

In puncto Geschmack waren sich die Experten und unsere nach dem Schulnotensystem bewertenden Laienverkoster im Großen und Ganzen einig. Tendenziell sagten den Testern inländische Erzeugnisse mit dem AMA-Gütesiegel mehr zu als andere. Am besten mundete das Heidelbeerjoghurt von Gmundner Milch; am wenigsten sagten jene von Billa („ein Gummi­bärli-Joghurt?“), Sterzing-Vipiteno („dick und geschmacklos“) und Bio+ („riecht nach Essig, schmeckt nach Lösungsmittel“) zu. Danone Activia erinnerte manche an „künstliches Fruchtzwerg-Aroma“; bei Spar hieß es „angenehm cremiger Rahmgeschmack“, während Salzburger Land einigen Verkostern „mehlig“ auf der Zunge lag.

Milbona: zu viele Hefekeime

Milbona, das von der Badener Nöm AG für Lidl hergestellt wird, erhielt zwar bei der Verkostung gute Noten, war aber durch zu viele Hefekeime verunreinigt. Beim Vergleich von Erdbeer- und Heidelbeerjoghurts fällt auf, dass die Erzeug­nisse von Gmundner Milch, Tirol Milch und Milfina jeweils unter den ersten fünf landeten.

Testtabelle: Heidelbeerjoghurt

Regional und bio

AMA Gütezeichen neu Lebensmittel 150pxDas AMA-Gütezeichen findet sich auf vielen konventionell erzeugten Lebensmitteln. Dafür hat die Agrarmarkt Austria GmbH (AMA) Qualitätsanforderungen festgelegt, die über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen. Die Einhaltung dieser Kriterien wird von unabhängigen Kontrollstellen überprüft. Mindes­tens zwei Drittel der Rohstoffe müssen aus Österreich kommen. Für nicht in Österreich herstellbare Rohstoffe gibt es einen Toleranzbereich von maximal einem Drittel. Die Be- und Verarbeitung muss ebenfalls in Österreich erfolgen.

AMA Bio-Gütezeichen Österreich 10pxDas rote AMA-Biozeichen mit Ursprungsangabe wird für Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft vergeben. Die Rohstoffe müssen zu 100 Prozent aus der im Zeichen angeführten Region stammen. Auch hier gilt für nicht in dieser Region herstellbare Rohstoffe ein Toleranzbereich von bis zu einem Drittel und es besteht die zum AMA-Gütesiegel analoge Verarbeitungsvorgabe.

AMA Bio-Gütezeichen Ausland 100pxDas schwarze AMA-Biozeichen ohne Ursprungsangabe ist häufig auf verarbeiteten Lebensmitteln zu finden, die Obst oder Gemüse enthalten, das saisonbedingt aus unterschiedlichen Herkunftsländern kommt. Es garantiert, dass das Nahrungsmittel aus biologischer Landwirtschaft stammt. Die Biobauern, Verarbeitungsbetriebe und Händler werden mindestens einmal jährlich auf die Einhaltung der Vorschriften kontrolliert. Diese betreffen beispielsweise eine artgerechte Tierhaltung, den Futtermitteleinsatz oder die exakte Trennung von konventioneller und biologischer Produktion. In Bio-Betrieben sind Gentechnik-Futtermittel tabu.

Zusammenfassung

  • Preis ist nicht gleich Qualität. Das billigste Heidelbeerjoghurt ist das beste: Gmundner Milch überzeugte auf der ganzen Linie. Beim teuersten Produkt, Danone Activia, sind unter anderem die mangelhafte Deklaration, der zu hohe Fettgehalt und der künstliche Geschmack zu bemängeln.
  • Sparen an der Beere. Danone ist beim Fruchtgehalt der größte Sparmeister: Activia Heidelbeerjoghurt enthält nur 2,9 Prozent Heidelbeeren. Im Ausland produzierte Joghurts müssen die 7-Prozent-Richtlinie des Österreichischen Lebensmittelbuches aber nicht einhalten. Die unterschreiten auch Sterzing-Vipiteno. Einige Hersteller mischen Johannisbeer- und Holundersaft unter.
  • Früchte aus der Fremde. Die Liste der Herkunftsländer von Heidelbeeren ist lang. Wer zumindest bei Milch und Zucker Wert auf heimischen Ursprung legt, achtet am besten auf das AMA-Gütezeichen oder das rote AMA-Biozeichen.

Testkriterien

Herkunft: Die Herkunft der Früchte wurde durch Anbieterbefragung ermittelt. Bewertet wurden Auskunftsfreudigkeit und Genauigkeit der Informationen.

Kennzeichnung: Die Einhaltung von Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, Nährwertkennzeichnungsverordnung sowie Fertigpackungsverordnung wurde durch Gutachter überprüft.

Zusammensetzung: Der Gehalt an Fett wurde butyrometrisch (VDLUFA Methodenbuch VI C 15.3.6:01/1985) bestimmt, der Zuckergehalt mittels HPLC.

Mikrobiologie: Coliforme Keime wurden nach ISO 4832 (02/2006), Hefen und Schimmelpilze nach ISO 6611 (IDF94;10/2004) bestimmt.

Joghurttypische Keime: Klassische Joghurtkeime (Lactobacillus delbr. subsp. bulgaricus, S. thermophilus) : ISO 7889
Bifidobakterien: ISO 29981 (anaerob) . Lactobacillus acidophilus: ISO 20128 bzw. mit XGlu-Medium (anaerob). Lactobacillus casei bzw. rhamnosus: MRS Vancomycin-Agar (Valio Methode) (anaerob)

Expertenverkostung: Gemäß ISO 22935-3/IDF 99-3:2009

Laienverkostung: Nach bestandenem Triangeltest bewerteten Laien bei anonymisierten Proben Aussehen, Geruch, Konsistenz und Geschmack der Joghurts.

Milbona: Vom Markt genommen

Das Produkt Milbona (Eigenmarke von Lidl, produziert von NÖM) wurde aufgrund des Testergebnisses vom Markt genommen. Das gilt auch für das Milbona Erdbeerjoghurt, das in unserem Test: Erdbeerjoghurt 10/2011 ebenfalls mit "nicht zufriedenstellend" bewertet wurde

Reaktionen


Ja! Natürlich Heidelbeerjoghurt
 
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat Heidelbeerjoghurts unterschiedlicher Hersteller getestet und dabei das Bio-Heidelbeerjoghurt der Marke Ja! Natürlich insgesamt mit dem Qualitätsurteil "durchschnittlich“ bewertet. Das Ja! Natürlich Heidelbeerjoghurt wurde bis auf einen Bereich in sämtlichen Beurteilungskriterien für "sehr gut“ bzw. "gut" befunden und ist somit geschmacklich sowie qualitativ einwandfrei. Die Abwertung auf das Qualitätsurteil "durchschnittlich" rührt von einem Gutachten her, das sich auf einen Deklarationsfehler auf der Verpackung bezieht. Da ein weiteres Gutachten allerdings belegt, dass die Angaben korrekt sind und den Kriterien der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung entsprechen, wurden von Ja! Natürlich entsprechende Schritte eingeleitet, um die Rechtslage zu überprüfen. Wir sind zuversichtlich, dass die Angelegenheit so schnell wie möglich geklärt wird.

Mag. (FH) Karin Nakhai, Pressesprecherin und Leiterin Media Relations REWE International AG.

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