YouTube gegen Adblocker: Nichts geht mehr ohne Werbung
Weltweit schauen jeden Monat über zweieinhalb Milliarden Menschen YouTube-Videos. Nun schraubte der US-Konzern seine Werbeeinnahmen nach oben. Mit Samthandschuhen geht er dabei nicht vor. Er verhindert Werbeblocker technisch und erhöht zeitgleich die Abo-Preise. Hierzu mein persönlicher Blick auf die verschärfte Gangart im Umgang mit Zuschauer:innen und auch mit Content Creators.
Noch mehr Marktmacht
Eignerin von YouTube ist Alphabet Inc. aus dem kalifornischen Silicon Valley. Das ist jene Dachgesellschaft, die 2015 bei einer Umstrukturierung aus Google hervorging und der neben der Google LLC verschiedene andere vormalige Tochtergesellschaften angehören. Alphabet erzielte heuer schon einen Umsatz von 306 Milliarden US-Dollar und der gesamte Aktienwert beträgt heute fast 1,7 Billionen (Quelle: Marketscreener).
Nächstes Jahr soll der Umsatz laut Prognosen um weitere 34 Milliarden zulegen. Da Alphabet schon vor zwei Jahren etwa jeden zehnten Dollar mit YouTube-Werbung verdiente (11 Prozent laut Statista), kann man nicht behaupten, dass die heurige Entscheidung, gegen Werbeblocker vorzugehen und Preise anzuheben, aus einer wirtschaftlichen Notlage getroffen wurde.
Gratis Content durch Werbung absichern?
Werbeblocker waren dem Konzern zunehmend ein Dorn im Auge, denn im letzten Quartal 2022 sanken die Werbeeinnahmen um acht Prozent. Das ist nicht wenig bei einem Einkommen von 30 Milliarden US-Dollar. Auf den Rückgang reagierte YouTube sehr schnell. Ab September 2022 konnte man keine zehn aufeinander folgende Clips ohne Werbeblock mehr abspielen. Ab Mai 2023 führte die Videoplattform gesonderte 30 Sekunden Werbung für Smart TVs ein.
Zuschauer:innen mit Werbeblockern wurden in den Folgemonaten mit einem Pop-up aufgefordert, die fortan nicht mehr erlaubten Plug-ins zu deaktivieren. Wer dies ignorierte, bei dem oder der liefen noch drei YouTube-Videos, dann war Schluss. Hartnäckige konnten zumindest die Seite neu laden, um weitere drei Clips zu sehen.
Managerin aus der YouTube-Werbeabteilung Oluwa Falodun teilte noch in der ersten Jahreshälfte auf Anfrage von TheVerge mit, dass es sich bei den auf YouTube angezeigten Warnhinweisen bei laufenden Adblockern "nur um ein kleines Experiment" in "begrenztem Umfang" handeln würde. Argumentiert wurde einmal mehr mit zusätzlichen finanziellen Anreizen für die Kreativität der YouTuber:innen sowie mit der Deckung der Betriebskosten der sonst gratis verfügbaren Plattform.
Im Statement zu diesem "Experiment" wurde betont, dass auch andere Unternehmen die Technologie anwenden, welche es ermöglicht, nach einer angezeigten Warnung den Videostream abzudrehen, wenn Zuschauer:innen ihre Adblocker-Plugins nicht deaktivieren. Nach dem Prinzip: Wenn die anderen es tun, dann tun wir es auch.
Dennoch: Die Argumentation des Unternehmens, das Verbot von Werbeblockern schütze die Kreativität der Youtuber:innen, lasse ich als Ausrede nicht gelten. Im Gegenteil, hier wird die quasi monopolistische Marktposition von YouTube genutzt, um Profite anzukurbeln, Dividenden und den Verkehrswert der Aktien zu pushen. Das Service-Argument wirkt bemüht und peinlich, wie ein deplatziertes Feigenblatt. Dem überschaubaren Werbeeinbruch wurden überzogene Gegenmaßnahmen entgegengestellt. Die Tatsache, dass schon zuvor Millionen den Aufwand nicht scheuten, Werbeblocker zu installieren, zeigt deutlich, dass bereits viel zu viel Werbung auf YouTube gelaufen war.
80 Millionen zahlen bereits die 12 US-Dollar monatlich, jetzt "motivert" YouTube die Zuseher:innen noch mit mehr Einschränkungen, um die Abozahl noch weiter zu steigern. Das geht so: Nerve alle Zuschauer:innen mit möglichst viel Werbung, die sich nicht verhindern lässt, damit noch mehr ein Abo abschließen.
Auch für Creators weniger Kontrolle
Intervalle zwischen sogenannten Mid-Roll-Anzeigen wurden in den vergangenen Jahren auf YouTube immer kürzer. Solche Anzeigen unterbrechen einen laufenden Clip mittendrin und spielen Werbung an. Mid-rolls auf YouTube, die sich nicht überspringen lassen, dauern typischerweise 12 bis 30 Sekunden. Überspringbare Werbeblöcke hingegen können bis zu 3 Minuten laufen. Wenn YouTube erkennt, dass es auf einem SmartTV streamt, sind die Werbungen generell länger, kommen dafür seltener.
Gegen Mitte 2020 wurde für Videomacher:innen auch die Zeitgrenze von 10 auf 8 Minuten herabgesetzt, damit sie auch bei kürzeren Videos mitten im Clip durch Werbung mehr Einnahmen generieren konnten. Bis 2020 gab es generell noch 10 Minuten lange Videos ohne jegliche Werbeschaltung, ab 2021 konnten Youtuber:innen nur noch 8 Minuten werbefrei gestalten.
Radikal wurde auch die Möglichkeit für Kanalbetreiber:innen eingeschränkt, selbst zu bestimmen, wann und wie oft solche Werbeclips angezeigt werden. Sie sind für alle Kanäle automatisch aktiviert und eine selbstbestimmte Werbeschaltung bedeutet seitdem einen höheren Arbeitsaufwand.
Aktuell wird an den verfügbaren Settings für Videoproduzierende viel geändert. Seit November 2023 lässt sich nur noch einrichten, ob eine Werbung vor und nach dem Video laufen soll. Aus oder an, ohne die bisherigen Feineinstellungen. Es gibt für Live-Streamer:innen die Option, den Algorithmus entscheiden zu lassen oder selbst zu wählen, ob in Intervallen von 6, 8 oder 10 Minuten automatisch Werbeblöcke kommen.
Wenn auf Automatik gestellt ist, können Live-Streamende maximal 10 Minuten lang Mid-Roll-Werbung verhindern, indem sie die 60 Sekunden vorher nahende Werbung durch Wegklicken nach später verschieben. YouTube macht seinen Creators diese Änderung mit Statistiken schmackhaft: Zwar sinkt die Gesamtzeit, welche Zuschauer das Video gesehen haben um 1 Prozent, weil mehr Leute bei nicht überspringbarer Werbung das Video abbrechen. Dafür steigen ihre Werbeeinnahmen der Creators durchschnittlich um 5 Prozent. Ähnlich beim Zulassen von Vorab-Werbung (Pre-roll-ad): Einer Absprungrate von etwa 5 Prozent stehen höhere Mehreinnahmen von bis zu 15 Prozent in Aussicht.
Da rund 90 Prozent aller monetarisierten YouTube-Videos sich so finanzieren, bewirkte diese Veränderung und die daraus resultierende Zunahme an Werbung auf Zuschauer:innenseite, dass die Zahl bezahlter Premium-Abos zwischen September 2022 und Juni 2023 um dreißig Millionen nach oben schnellte und dass gleichzeitig die Nutzung von Adblockern ebenso massiv anstieg. Damit hat YouTube bei abgeschlossenen Bezahl-Abos seine Konkurrenz von Apple und Tenent (China) überholt und liegt in der Weltrangliste nur noch hinter Spotify. So dürften die Einbußen bei den Werbeeinnahmen gegen Ende des vorigen Jahres – milde ausgedrückt – "überwunden" sein.
YouTube mit Adblocker
Doch das reicht scheinbar nicht. Schon im Mai erklärte der größte Streamingdienst in seinem "kleinen Test" im Sommer, dass Adblocker gegen seine Nutzungsbedingungen verstoßen. Jetzt im Herbst 2023 wurde weltweit ein generelles Adblocker-Verbot auf YouTube aktiv, keine Rede mehr von einem vorübergehenden Experiment.
Dass Adblocker seitdem als “illegal” bezeichnet werden und noch viel mehr, dass der Stream mit aktivem Blocker seither gar nicht mehr startet, lässt Millionen Internetsurfer:innen ihre Adblocker deinstallieren.
Abo über Apples App-Store teurer
Gleichzeitig wurde der Preis für YouTube Premium angehoben. In Österreich stieg das monatliche Einzel Abonnement von 12 auf 13 Euro, das Familienpaket für bis zu fünf Personen von 18 auf 24 Euro. Das YouTube-Premium-Abo erlaubt Bild-im-Bild-Wiedergabe und Downloads der Videos und Zugang zum hauseigenen Musikstreamer Youtube Music.
Wer YouTube Premium mittels iPhone oder iPad aus Apples hauseigenem App-Store direkt installiert und das YouTube-Premium-Abo so abschließt, bezahlt vier bis fünf Euro zusätzlich. Wie uns ein aufmerksamer Leser geschrieben hat, geht dies auf Apple selbst zurück und nicht auf deren Konkurrenten Google, wie ursprünglich von mir geschrieben – lieben Dank an den Leser an dieser Stelle für den Hinweis!
Die Preisdifferenz kann man sich also sparen, wenn das Abo aus der YouTube-Webseite direkt abgeschlossen wird, die man mittels Browser geöffnet hat und so den App-Store umgeht. Nachteile bei Nutzung gibt es keine, YouTube Premium funktioniert dann genauso wie über den App Store freigeschaltet.
Wie YouTube Werbung ausschalten
Ich persönlich bin wegen der extrem nervigen Werbung auf den frei verfügbaren Internetbrowser Brave umgestiegen bzw. nutze den parallel zu meinem Stammbrowser, wenn ich werbefreies YouTube am PC sehen will. Brave filtert Werbung aus YouTube ohne jegliche externe Browsererweiterungen. Also kann YouTube auch kein unerlaubtes Plug-in entdecken und den Stream nicht abbrechen.
Zudem schützt der Brave-Browser die erweiterte digitale Privatsphäre auch durch andere Maßnahmen, etwa gegen invasive Werbung automatisch, sodass als positiver Nebeneffekt auch der Batterieverbrauch bei mobilen Geräten sinkt. Wer die YouTube Creators dennoch belohnen möchte, kann ihnen direkt mittels sogenannten "Brave Tokens" Zuwendungen spenden. Was ebenfalls funktioniert, ist die uBlock Origin Browsererweiterung, wenn man die Einstellungen etwas anpasst.
YouTube-Werbung erfolgreich am Handy zu blockieren, habe ich noch nicht geschafft (z. B. mit AdAway oder der Brave App?), wäre aber auf Tipps in den Kommentaren neugierig.
Ist das Werbeblocker-Verbot rechtskonform?
Doch es regt sich auch auf der legislativen Seite Widerstand gegen das firmenmäßige Verbot von Adblockern. Bestehende EU-Regulierungen könnten das Vorgehen in Europa zu Fall bringen. Ein wegweisendes Urteil durch den EuGH wäre sehr willkommen. Ein relevantes Urteil wurde 2019 im Fall "Planet49" (C-673/17) getroffen und daher wäre in einem YouTube-Verfahren ein ähnlicher Entscheid im Sinne des Datenschutzes nicht unrealistisch.
Im gesetzlichen Rahmen in Artikel 5(3) der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (ePrivacy directive 2002/58/EC) geht es aber nicht darum, ob Nutzer:innen freiwillig einen Dienst in Anspruch nehmen und dabei gezwungen werden, Werbung anzusehen – das ist bei anderen Medien ja auch erlaubt –, sondern um Rechte aus der Datenschutzgrundverordnung.
Der Knackpunkt ist also, dass YouTube scheinbar ohne nachzufragen Endgerätdaten ausliest und dabei prüft, welche Plug-ins oder Cookies gesetzt sind. Bei einer strengen Interpretation der DSGVO ist ein solches Auslesen nur erlaubt, wenn ein Dienst sonst gar nicht funktionieren kann. Und das trifft bei YouTube ganz klar nicht zu, denn es lief ja auch vor dem Verbot. Eigentlich müsste YouTube mit einem Button zur Abfrage dieser Daten um Erlaubnis bitten. Aktuell jedoch wird vollautomatisch überprüft, ob Adblocker laufen oder nicht, sobald jemand die YouTube-App oder die YouTube-Webseite öffnet.
In dieser Angelegenheit hat sich vor allem der in der Szene bekannte Datenschutz Aktivist Alexander Hanff einen Namen gemacht. Schon 2016 hatte er eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt, bei der es um Maßnahmen gegen Werbeblocker ging. Nun hat Hanff im Oktober 2023 die in Irland ansässigen gesamteuropäischen Datenschutzbehörde (DCP) zu einer Stellungnahme aufgefordert. Durch diese Vorgehensweise soll geklärt werden, ob das Abgreifen jener Userdaten, die verraten, ob ein Werbeblocker läuft, zu jenen persönlichen Daten gehören, für die das Gesetz eine Einwilligung bei Nutzer:innen voraussetzt.
Die Behörde prüft die Sachlage, ein Ergebnis gibt es bislang keines. Vor Kurzem (6.11.2023) hat auch Patrick Breyer, EU-Abgeordneter der Piratenpartei, in die gleiche Kerbe wie Hanff geschlagen und zusätzlich eine schriftliche Stellungnahme von der EU-Kommission gefordert.
Was sagt YouTube dazu?
YouTube widerspricht dem allen in einer Erklärung. Darin heißt es, dass die Erkennung von Adblockern gar nicht auf den Geräten der Nutzer:innen erfolgt, sondern innerhalb der YouTube-eigenen Systeme. Nähere Angaben darüber sind nicht zu finden, bislang ist kein rein serverseitiges Verfahren dieser Art bekannt. Google müsste diese neuen Anti-Adblocker-Skripte offenlegen, wenn es beweisen möchte, dass es gar keine Userdaten von Endgeräten dafür braucht.
Stattdessen ließe sich das durch erweitertes Profiling erklären. Beim Profiling werden Userprofile für gezieltes Marketing, Datenweitergabe, "Service"-Optimierung und andere Zwecke ohne Wissen der User:innen anonymisiert – oder auch nicht, wer weiß das schon – und vollautomatisch erstellt. Dass sich Alphabet wegen der "Adblocker-Blocker"-Skripte beim Profiling nicht in Karten schauen lassen möchte, ist verständlich. Es lässt sich nur mutmaßen, welche Leichen aus dem Digital-Privacy-Keller so unabsichtlich zu Tage gefördert werden könnten.
Ich bin im Europäischen Verbraucherzentrum für Öffentlichkeitsarbeit zuständig und schreibe unter anderem die Artikel für europakonsument.at. Kritisches Hinterfragen liegt mir am Herzen.
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