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Hunde verstecken sich zu Silvester vor Angst
Die meisten Hunde fürchten sich vor der Knallerei zu Silvester Bild: smrm1977 / Shutterstock.com

So beruhigst du deinen Hund zu Silvester

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Was du tun kannst, um mit deinem Hund möglichst stressfrei ins neue Jahr zu rutschen.

Jedes Jahr derselbe Ärger. Bereits Wochen vor Silvester beginnt vielerorts die Schießerei. Obwohl in Wien genehmigungsfrei nur Feuerwerkskörper der Kategorie F1, also Feuerwerksscherzartikel wie Wunderkerzen, Knallerbsen und Tischfeuerwerke, erlaubt sind, knallt es am 31. Dezember alle paar Sekunden. Und zwar von anderen Kalibern als Knallerbsen. Und unsere (Haus-)Tiere leiden unter dem Lärm, sie zittern, gähnen, legen die Ohren an, hecheln, laufen ruhelos auf und ab oder verstecken sich.

Stress zu Silvester

Das laute Zischen, Knallen und die grellen Lichter stressen die Tiere und jagen ihnen Angst ein, viel mehr noch als Donner oder Schüsse. Der Blutdruck und die Herzfrequenz steigen, der Körper schüttet Stresshormone aus. Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten warnt sogar vor Todesangst bei Tieren durch Raketen. 75 Prozent der betroffenen Hunde benötigen bis zum nächsten Morgen, um sich von der Silvesternacht zu erholen – der Rest noch länger, von einem Tag bis zu mehreren Wochen. Die gute Nachricht: Es gibt Tipps, wie du auch in solchen Akutsituationen helfen und beruhigen kannst.

Warum haben Hunde zu Silvester Angst?

Die Schmerzgrenze des Menschen, ab wann er Lärm als unerträglich empfindet, liegt bei 120 Dezibel. Ab dieser Grenze sind Hörschäden schon nach kurzer Einwirkung möglich. Hunde, die ein deutlich erweitertes Hörspektrum aufweisen, ertragen nur 95 Dezibel, bis sie Schmerzen empfinden.

Feuerwerkskörper können einen Schalldruckpegel von bis zu 170 Dezibel erreichen – also fast das Doppelte von dem, was Hunde – und auch Katzen – als schmerzhaft empfinden, es kann zu Schädigungen des Mittel- und Innenohrs kommen. Nicht verwunderlich, dass unsere Tiere Angst vor Feuerwerken haben. „Jedes zweite Tier ist betroffen“, sagt Dr. Nadja Affenzeller, Fachtierärztin für Verhaltensmedizin an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Wohin mit Hund zu Silvester

Hunde zu Silvester nie alleine lassen
Wichtig zu Silvester: Den Hund nie alleine zu Hause lassen Bild: Prystai / Shutterstock.com

Um dem eigenen Hund den Silvestertrubel zu ersparen, gibt es viele – auch teils ungewöhnliche – Möglichkeiten. Ich selbst bin mit meinen Hunden im Urlaub zu einer steirischen Hütte in Alleinlage gefahren, habe unser Zuhause in eine Disco verwandelt oder sie mit Suchspielen abgelenkt. Ich habe aber auch schon von Leuten gehört, die rund um Mitternacht mit ihrem Hund auf der knallfreien Autobahn auf- und abfahren oder sich ein Hotelzimmer beim Flughafen nehmen, da aus Sicherheitsgründen im Umkreis des Flughafens nicht geschossen werden darf.

Bis es strengere Gesetze und bessere Kontrollen gibt, fordert der Tierschutz Austria jedes Jahr in Form einer Petition Politik, Handel und Pyrotechnik-Verband auf, stärker gegen den Import und Handel mit illegalen Feuerwerkskörpern vorzugehen. Bis sich hier etwas ändert, heißt es jedoch jedes Jahr aufs Neue: O du ohrenbetäubende.

Akutmaßnahmen, um Hund zu beruhigen

Je weniger Hunde von der Knallerei zu Silvester mitbekommen, desto weniger Stress löst sie in ihnen aus. Bereits einfache Maßnahmen können Wirkung zeigen, etwa indem wir Fenster, Vorhänge und Jalousien schließen, uns gemeinsam mit dem Hund im ruhigsten Raum aufhalten und Hintergrundgeräusche von Radio oder Fernseher laufen lassen, um ihn abzulenken. Verstecke sollten möglich sein, beruhigende Worte und Sreicheleinheiten sind erlaubt, sollten den Hund aber nicht überfordern – Ruhe, Entspannung und das Gefühl von Sicherheit stehen im Fokus.

Es gibt auch speziellen Sicht- und Gehörschutz für Hunde oder „Calming Caps“, die man dem Hund über den Kopf zieht, – diese Hilfsmittel jedoch nur verwenden, wenn die Tiere an das Tragen gewohnt sind und es ihnen antrainiert wurde. Das Wichtigste: Nie den Hund zu Silvester allein lassen.

Letztes Gassigehen zu Silvester

Die letzte Gassirunde sollte deutlich vor Mitternacht, am besten noch im Hellen stattfinden, der Hund dabei permanent angeleint sein. Idealerweise ist der Hund am Halsband und am Brustgeschirr gesichert, um bestmöglich auf etwaige Fluchtversuche vorbereitet zu sein. Für den schlimmsten Fall sichergehen, dass der Hund gechipt und registriert ist – die Registrierung muss manuell über die Heimtierdatenbank erfolgen, denn ein Chip ohne Registrierung ist sinnlos. Achtung auch beim ersten Spaziergang im neuen Jahr: Herumliegende Glassplitter und Reste von Feuerwerkskörpern können Hunde verletzen.

Kein Eierlikör für Hunde

Immer wieder ist im Internet von Berichten von Hundetrainern und sogar Tierärzten zu lesen, dass man Hunden doch einfach ein wenige Eierlikör geben solle, um sie entspannter zu machen. „Ich würde nicht auf die Idee kommen, meinem Hund ein Präparat zu geben, bei dem ich keine fundierte Dosierungsangabe, kein Nebenwirkungsprofil, aber dafür das Risiko habe, dass mein Hund dadurch Probleme davonträgt“, sagt Tierärztin und Verhaltensmedizinerin Nadja Affenzeller.

Laut ihr fehlen klinische Studien zur Einnahme von Eierlikör bei Hunden, man konnte aber feststellen, dass sie deutlich sensibler auf Alkohol reagieren als Menschen und es schneller zu einer Alkoholvergiftung komme. Und was sie noch zu bedenken gibt: „Wir wissen, dass die Verhaltensantwort auf Alkohol bei manchen Menschen keine positive ist. Somit kann man davon ausgehen, dass sich nicht alle Hunde dadurch beruhigen.“

Medikamente zur Beruhigung

Bei besonders ängstlichen Vierbeinern, die langanhaltende Angst vor Feuerwerken haben, empfiehlt die Ambulanz für klinische Verhaltenstherapie der Vetmeduni angstreduzierende Medikamente. Diese wirken nicht sedierend und sollen unterstützend zu den erwähnten Tipps eingesetzt werden. Diese Tabletten sind rezeptpflichtig, Tierärzt:innen geben die Dosierung und das Verabreichungsintervall individuell auf den Hund abgestimmt vor.

Schwer betroffene Tiere, die sich etwa ab Anfang Dezember weigern, im Dunkeln das Haus zu verlassen, benötigen sogar bereits Wochen vor Silvester eine medikamentöse Therapie. Die Effektivität dieser Beruhigungsmedikation hat eine Umfrage unter 3.000 Tierhaltern bestätigt – 70 Prozent der Besitzer:innen gaben eine positive Wirkung an.

Wenig Studien zu CBD-Öl

Vorsicht bei CBD-Tropfen für Hunde
Vorsicht bei CBD-Tropfen für Hunde Bild: Nuva Frames / Shutterstock.com

Inwiefern CBD-Tropfen Hunden beim Umgang mit Stress helfen, ist bisher kaum wissenschaftlich untersucht. Man kennt klinische Daten aus der chronischen Schmerztherapie mit Cannabidiol und weiß, dass manche Hunde gut darauf ansprechen – manche aber auch paradox reagieren, also noch aufgewühlter oder aufgeregter sind. Bezüglich der klinischen Wirksamkeit von CBD bei der Behandlung von Verhaltensstörungen bei Hunden sind derzeit nur drei wissenschaftliche Studien veröffentlicht

Die Studienautor:innen berichten einerseits vom Fehlen einer angstlösenden Wirkung von CBD bei Hunden, andererseits auch von einer angstlösenden Wirkung bei Hunden, die ein Trennungsereignis oder eine Autofahrt erlebten – wobei bei dieser Studie die Dosis um einiges höher war. Durch die prekäre Datenlage ist es auch für Expert:innen schwierig, ein passendes Präparat oder die passende Dosierung zu finden. Als der KONSUMENT 20 Produkte, die Cannabidiol enthalten, getestet hat, stellte sich heraus, dass alle gesundheitsgefährdend waren und einige gar nicht verkauft werden dürften. 

Präventive Maßnahmen gegen Angst

Am besten beginnt man im Welpenalter mit dem Training.
Am besten beginnt man bereits im Welpenalter mit der Konditionierung. Bild: Annorak Nk / Shutterstock.com

Laut Verhaltensforscherin Affenzeller ist es sinnvoll, frühzeitig mit Welpen und Junghunden zu trainieren und sie zu desensibilisieren. In den ersten sechs Lebensmonaten eines Hundes ist es am effektivsten, Feuerwerkgeräusche vorzuspielen – anfangs sehr leise, dann Lautstärke steigernd – ohne dass der Hund dabei ängstlich wird. Bei der Gegenkonditionierung lernt der Hund, dass Feuerwerk mit etwas Positivem verknüpft ist, etwa mit Spiel oder Futter. Und dann gibt es noch das Entspannungstraining: Situationen, in denen der Hund entspannt ist, werden mit einem Signal (Wort oder Ton) oder einer Belohnung verknüpft. Dieses Signal unterstützt dann bei Anspannung.

Lange vorher zu trainieren beginnen

All diese Therapieformen sollten bereits Monate vor dem Jahreswechsel begonnen werden, sie helfen nicht spontan. Tierärztin Affenzeller verweist darauf, dass diese nicht zu 100 Prozent wirken können, da auch der Geruch und die unterschiedlichen Geräusche (Knallen, Pfeifen, Knistern) zu Silvester eine Rolle spielen. „Feuerwerksangst ist die am schwierigsten zu therapierende Angstform, da so viele Faktoren mitspielen“, sagt sie. Und sie betont, dass Hunde nicht „rauswachsen“, sondern die Angst mit dem Alter sogar größer wird.

Auch Wildtiere fürchten sich

Neben Hunden, Katzen, Heimvögeln, Meerschweinchen und Hasen befinden sich auch Nutz- und Wildtiere zu Silvester im Ausnahmezustand. Wildvögel etwa zeigen panische Reaktionen und werden von ihren Schlafplätzen vertrieben, Säugetiere wie Fuchs oder Biber können Hörschäden erleiden.

Studie mit Wildgänsen

Eine kürzlich veröffentlichte Langzeitstudie des Max-Planck-Instituts zeigt die Auswirkungen auf Wildgänse: Die 347 mit GPS-Trackern ausgestatteten Tiere wurden um Mitternacht aus dem Schlaf gerissen und flogen viel zu hoch und viel zu weit, einige legten Hunderte von Kilometern zurück – so viel wie normalerweise während des Zuges, was sehr viel Energie benötigt. Und sie suchten Gewässer auf, die weniger stark mit Feinstaub belastet waren. Hier wäre es umso wichtiger, dass es gesetzliche Regelungen für Schutzzonen gibt – rund um Tierheime, Tierparks, Ställe und auch um Wälder und Wiesen. 

Für den Notfall

Auch rund um die Feiertage und zu Silvester haben die Kliniken der Vetmeduni Wien geöffnet, auch die meisten anderen Tierkliniken sind über Notfallnummern zu erreichen.

Julia Gschmeidler - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft
Mag.ª Julia Gschmeidler, BSc - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen, die bewegen, aufgezeigt gehören, die gesellschaftspolitisch wichtig sind. Und ich möchte konstruktive Vorschläge liefern, wie man selbst aktiv werden kann.

Julia Gschmeidler, Redakteurin

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