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Blick vom Traunstein über den Traunsee im Herbst
Blick vom Traunstein über den Traunsee im Herbst Bild: Fink/VKI

Herbstzeit ist Wanderzeit

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September und Oktober gelten für viele als die schönsten Wandermonate: angenehme Temperaturen, tolle Fernsicht, verfärbte Laubwälder. Und wenn in den Niederungen der Nebel Einzug hält, locken die sonnigen Berge umso mehr. Der Naturgenuss steht im Vordergrund. Der Haken: wie man zum Ausgangspunkt der Wanderung gelangt. Denn oft kommt das Auto zum Zug. 

Die Schuhe schnüren

Der Herbst steht vor der Tür: September und Oktober gelten für viele als die schönsten Wandermonate: angenehme Temperaturen, tolle Fernsicht, verfärbte Laubwälder. Und wenn in den Niederungen der Nebel Einzug hält, locken die sonnigen Berge umso mehr.

Deshalb Schuhe schnüren (z.B. Leichtwanderschuhe, KONSUMENT 6/2019), Rucksack packen (KONSUMENT 9/2018) und zur Schonung der Gelenke die Wanderstöcke (KONSUMENT 7/2019) nicht vergessen.

Wandern wird immer beliebter. Auch die Sommerfrische als Urlaubsalternative ist wieder im Kommen. Das ist zu begrüßen, weil ein Urlaub in der Heimat eine weite Anreise (z.B. eine Flugreise) oft erspart. Ob Tagesausflug oder Urlaub: Alle Studien zeigen, dass an erster Stelle, warum so gerne gewandert wird, der Naturgenuss steht. Es gibt oft nur einen Haken: wie man zum Ausgangspunkt der Wanderung gelangt. Der Freizeitverkehr hat einen hohen Anteil am Gesamtverkehr, wie ein kürzlich im Standard erschienener Artikel beleuchtet: Werktags dient ein Viertel der Fahrten der Erreichung von Freizeitzielen, sonntags ist dieser Anteil drei Mal so hoch. 

Die Blechlawine

Ich habe fünf Jahre lang auf zwei Berghütten im Ötscher- sowie im Raxgebiet gearbeitet und da wie dort sah es wochenends und feiertags an den Ausgangspunkten der beliebtesten Wanderrouten immer gleich aus: Autos, so weit das Auge reichte. Dabei waren prinzipiell beide Gebiete gut an das öffentliche Netz angebunden - einerseits über die Mariazellerbahn, andererseits über die Südbahn.

Dieses Ungleichgewicht, das Inkaufnehmen einer umweltschädigenden Anreise zur Möglichmachung der Naturerfahrung, hat mich dann zu Studienzeiten sehr beschäftigt. Ich habe darüber meine Diplomarbeit geschrieben und untersucht, wie groß der CO2-Fußabdruck im Bergtourismus ist. Da es dazu kaum Studien gab und ich eher Praktiker als Theoretiker bin, habe ich das Karl-Ludwig-Haus auf der Rax als Untersuchungsobjekt gewählt, Österreichs erste zertifizierte Bio-Berghütte. Im Lauf der Saison 2014 habe ich dann schriftlich 1300 Nachtgäste sowie über 1000 Tagesgäste persönlich zu ihrer Anreise befragt.

Die Ernüchterung

  • Die insgesamt rund 14.000 Gäste des Karl-Ludwig-Hauses legten dabei zwischen Mai und November 2014 für die An- und Abreise rund 1,1 Millionen Kilometer zurück - 90 % davon mit dem PKW. Zwischen Tages- und Nachtgästen war der Unterschied allerdings frappant: Nur 5 % der Tagesgäste reisten öffentlich an, jedoch 28 % der Nachtgäste. Klar: Letztere haben mehr Zeit für An- und Abreise zur Verfügung und informieren sich womöglich auch deswegen umfassender über alternative Anreisemöglichkeiten als Tagesgäste.
  • Im Schnitt verursachte ein Gast rund 14 Kilogramm Treibhausgase durch seine Anreise - in Summe verursachten die Gäste des Karl-Ludwig-Hauses während einer Saison somit rund 200 Tonnen Treibhausgase. Das Karl-Ludwig-Haus ist aber nur eine von in Österreich 649 von alpinen Vereinen betriebenen Berghütten. Allein das zeigt das Mobilisierungspotenzial, das hinter dem Bergtourismus steht.
  • Im Vergleich zu den im Rahmen des Betriebs der Hütte anfallenden Emissionen zeigte sich zudem, dass bei der Anreise das weitaus größte Reduktionspotenzial der Emissionen liegt. Klar ist es wichtig, dass insbesondere bei der Energieversorgung der Hütte auf Ressourcenschonung geachtet wird, aber im Vergleich zur Anreise der Gäste ist der CO2-Fußabdruck gering. 

Die Chancen

Die Arbeit hat aber auch gezeigt, was es braucht und wo die Potenziale liegen:

  • Als Nachhaltigkeitsformel für Bergtourismus darf aus wissenschaftlicher Sicht gelten: kürzere Anreise, vermehrt öffentlich; falls privat, möglichst große Fahrgemeinschaften bilden und längere Aufenthalte statt Tagesausflüge anvisieren, um sich mehr Möglichkeiten im Bereich nachhaltiger Anreise zu verschaffen.
  • Freilich haben öffentlich Anreisende nicht dieselben Freiheiten wie privat Anreisende – sondern andere. So eröffnen sich etwa Möglichkeiten für Rundwanderungen und Berg-Überschreitungen, denn öffentlich Anreisende müssen im Gegensatz zu privat Anreisenden nicht mehr zum Ausgangspunkt ihrer Wanderung zurückkehren.
  • Damit die öffentliche Anreise funktioniert und auch angenommen wird, ist es wichtig, dass der Übergang vom Nah- auf den Fernverkehr möglichst reibungslos gestaltet ist. Dazu braucht es einerseits schnelle Direktverbindungen in die gewünschte Region sowie andererseits keine großen Schwierigkeiten beim Ticketkauf und keine langen Wartezeiten beim Umsteigen von Bahn auf Bus, deren Nutzung beim Wandern oft sehr eng aneinander gekoppelt ist.  Wichtig ist außerdem das Vorhandensein einer Rückfahrmöglichkeit gegen Tagesende.

Angebote und Möglichkeiten

Es gibt natürlich entsprechende Angebote:

  • Zum Beispiel geben die großen alpinen Vereine Broschüren heraus, in denen sie über Touren informieren, die öffentlich gut angebunden sind – so etwa der Alpenverein oder die Naturfreunde.
  • Auch die regionalen Angebote der ÖBB sind einen Blick wert, auf deren Basis sich Touren und Ausflüge planen lassen. Mittels der Fahrplanauskunft lässt sich prinzipiell die Erreichbarkeit beinahe jeder Destination überprüfen.
  • Es bietet sich auch an, die regionalen Tourismusverbände zu kontaktieren, da diese entsprechende Touren anführen – wie im Großraum Wien zum Beispiel die Wiener Alpen.
  • Auch ein Blick auf die Seiten der Hütten oder auf entsprechende Plattformen lohnt sich immer – wie z.B. auf die Seite der zertifizierten Umweltzeichen-Schutzhütten. Das Umweltzeichen gibt im Übrigen auch allgemeine Tipps für umweltfreundliches Wandern.

Ein Witz der Geschichte?

Historisch betrachtet war es die Bahn, als erstes Massentransportmittel, die die Leute überhaupt erst ins Gebirge gebracht hat – man denke etwa an den Bau der Semmeringbahn zur Mitte des 19. Jahrhunderts, die bereits im Jahr 1846 rund 1,2 Millionen Menschen ins Gebirge unweit der Hauptstadt transportiert hat.

Nachvollziehbar, dass es in Zeiten steigender Urbanisierung und sommerlicher Hitze in der Stadt wieder viele Menschen hinaus aufs Land und ins Gebirge zieht. Angesichts der Klimakrise ist es aber notwendig, dass wir Alternativen zu einer individuellen, klimaschädigenden Anreise mit dem PKW suchen - und auch vorfinden. Es braucht also sowohl den persönlichen Willen, anders anzureisen, als auch das Vorhandensein einer entsprechenden öffentlichen Infrastruktur, die eine nachhaltige Anreise auch in Regionen abseits der Hauptverkehrsrouten ermöglicht. 

Insofern ist es also an der Zeit, dass die Bahn wieder stärker genutzt wird, um Berge und Natur zu erfahren. Wenn dann noch beispielsweise ein attraktives Busangebot vorhanden ist, um auch wirklich zum Berg zu kommen, kann man seiner Leidenschaft, dem Wandern, auch wirklich mit grünem Gewissen nachgehen.

Raphael Fink - Experte: Umweltzeichen
Mag. Raphael Fink - Experte: Umweltzeichen Bild: VKI

Im VKI-Blog schreibe ich über verschiedene Themen rund um Nachhaltigkeit. Außerdem betreue ich das Österreichische Umweltzeichen und bin Projektleiter des VKI Greenwashing-Checks. 

Raphael Fink, Nachhaltigkeitsexperte

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