Der Einfluss der Werbung
Und auch danach verstehen Kinder die Absicht der Werbung noch nicht – nämlich, die Zuseher zum Kauf des beworbenen Produktes zu überreden. Forscher der Universität Klagenfurt kamen in einer Studie zu dem Ergebnis: Weniger selbstbewusste Kinder greifen öfter zu ungesunden Nahrungsmitteln aus der Fernsehwerbung und vertrauen ihr eher. Ralf Terlutter, Professor für Marketing und Internationales Management, befragte 249 Grundschulkinder im Alter zwischen sieben und zehn Jahren. „Wir wollten wissen, wie sehr das Körpergewicht und die Körperwahrnehmung Einfluss auf die Werbekompetenz haben.“
Selbstwert wichtiger Faktor für Heranwachsende
Ergebnis der Umfrage: Je geringer das Selbstwertgefühl, das durch beide Faktoren beeinflusst wird, desto eher glaubten die Kinder den TV-Spots. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Forscher der University of Michigan in einer Studie mit 100 Eltern und ihren Vorschulkindern: Kinder, die gemeinsam mit ihren Eltern normales TV-Programm sehen, essen mehr Junkfood als jene, die ein werbefreies Programm vorgesetzt bekommen. Zudem haben sie häufiger verfälschte Vorstellungen davon, was gesundes Essen ist. Psychologin Schuh rät Eltern, die eigenen Werte den Kindern vorzuleben sowie ihnen frühzeitig einen stabilen Selbstwert zu vermitteln. „Dazu gehört, dass Kinder sich im engsten Umfeld als liebenswert erfahren“, erklärt Schuh. „Dann sind Heranwachsende für viele Dinge nicht mehr so leicht empfänglich, weil sie sich über sich selbst definieren und nicht ausschließlich über Status, Besitz oder andere Äußerlichkeiten.“
Gefahren des Internets
Seit über 20 Jahren erforscht die deutsche KidsVerbraucherAnalyse die Mediennutzung und das Konsumverhalten von 4- bis 13-Jährigen. Die KidsVA 2015 ergab: 85 Prozent der Kinder nutzen digitale Spiele über verschiedene Zugänge. Dazu gehören Konsolen, kostenlose Online-Games und vermehrt Spiele-Apps auf dem Handy oder einem Tablet. Bei Jugendlichen hat das Surfen im Internet den TV-Konsum weitgehend verdrängt. Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung hält die manipulativen Möglichkeiten des Mediums Internet für weitaus problematischer als die TV-Werbung: „Werbebotschaften sind häufig so trickreich in eine Website eingebaut, dass sie auch von einigermaßen erfahrenen Internetsurfern nur schwer erkannt werden.“ Ikrath kritisiert vor allem Spiele-Seiten, die mit kostenlosen Spielen locken, aber gleichzeitig mit kommerzieller Werbung gespickt sind.
Werbebotschaften gemeinsam hinterfragen
Da verwundert es nicht, dass immer mehr Kinder und Jugendliche im Internet einkaufen. Im Gegensatz zu einem Kauf im Geschäft kann im Internet das Alter des Geschäftspartners jedoch nicht überprüft werden. Kinder und Jugendliche können daher oft viel zu leicht ein Klingelton-Abo abschließen oder vielleicht sogar die neueste Spielkonsole bestellen. „Eltern sollten frühzeitig kritisch mit den Kindern Werbebotschaften hinterfragen, damit soziale Medien nicht die Erziehungs-Rolle übernehmen können“, betont Psychologin Sabine Schuh. Dazu komme oft der Gruppendruck bei Heranwachsenden. „Ausschlaggebend ist hier das Ausmaß, denn grundsätzlich tut es uns gut, Teil einer Gruppe zu sein“, erklärt Schuh. „Wenn die Gruppe aber von uns mehr verlangt, als sie uns für unser Wohlbefinden bringt, wird es ungesund.“
Werbung an Schulen
Auch an Schulen wird fleißig geworben – das ist nicht grundsätzlich verboten, doch hier ist Sensibilität gefragt. Das ergibt sich aus dem pädagogischen Auftrag der Schulen, aber auch daraus, dass zwischen Lehrern und Schülern ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Wird im Klassenzimmer für ein Produkt geworben, kann dies von Eltern und Schülern auch als Qualitätskriterium und Kaufempfehlung für das Produkt aufgefasst werden. Dennoch wird an vielen Schulen sorglos mit Werbung umgegangen. Das zeigen Beschwerden von Eltern und Lehrern, die in den vergangenen Jahren zunehmend beim VKI einlangten.
VKI gegen aggressive Kinderwerbung
Der VKI geht bereits seit Jahren gegen aggressive Kinderwerbung und unerlaubte Werbung an Schulen vor. Ein Beispiel: An rund 800 österreichischen Volksschulen wurde ein stark werbelastiges Mitteilungsheft verteilt; der VKI reichte Klage ein. Das Unterrichtsministerium reagierte mit einem Rundschreiben an alle österreichischen Schulen, in dem festgehalten wurde, dass das Bewerben von Produkten oder Dienstleistungen im Unterricht einen massiven Verstoß gegen das Schulunterrichtsgesetz und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellt. Darin heißt es: „Werbung für schulfremde Zwecke darf nie auf Kosten der pädagogischen Glaubwürdigkeit gehen und nicht in einen Widerspruch zu den Zielsetzungen der Schule geraten.“ Auch vor Kindergärten macht die Werbung nicht halt, wie Gratis-Kindergartensackerl zeigen, die mit Naschereien und Werbeprospekten gefüllt sind.
Werbung kritisch hinterfragen
In all diesen Fällen sind auch die Eltern gefragt: Um ihren Kindern die Auswirkungen der Konsumgesellschaft näherzubringen, müssen sie sich zuerst selbst damit auseinandersetzen und Werbung kritisch hinterfragen. Denn auch Erwachsene sind nicht immer gegen die Macht der Werbung gefeit, die uns nur allzu oft eine heile Welt und einfache Lösungen für unsere Probleme vorgaukelt. „Eltern können Kindern Hilfe geben, indem sie sensibel nach den Gründen fragen, warum eine gewisse Anschaffung unbedingt notwendig ist, und dann dort einhaken“, rät Psychologin Schuh. Und ergänzt: „Auch Eltern sollten sich immer wieder die Frage stellen: Brauche ich das wirklich?“