Zum Inhalt

Werbung - Kinder im Visier

Kinder sind die Konsumenten von morgen – diese Tatsache bringt immer mehr Unter­nehmen dazu, ihre Werbebotschaften direkt an junge Menschen zu richten.
 

Naschereien, die im Kassenbereich der Supermärkte angeboten werden; Sticker-Sammel­aktionen, bei denen Kinder direkt angesprochen werden; Werbespots in TV und Internet – willkommen im Werbewahnsinn!

Die Werbewut macht auch vor Kleinkindern nicht halt. Werbestrategen versuchen, einen immer jüngeren Kundenkreis zu erreichen; viele Angesprochene sind den Windeln noch nicht entwachsen. In den USA erkennen Dreijährige im Durchschnitt bereits 100 Markenlogos. Die ständige Beschäftigung mit Marken verfestigt sich schon frühzeitig zu ­fixen Bindungen. Eine Studie des deutschen Zukunftsinstituts kommt zum Schluss: „Die Konsumwünsche von Kindern erstrecken sich mittlerweile auf alle Lebensbereiche.“ Laut der Studie wird der Kids-Konsum künftig auch für typische Erwachsenen-Branchen relevanter, der Einfluss von Kindern auf die Kaufentscheidungen ihrer Eltern wird weiter wachsen.

Gehirnwäsche im TV

Kinder mögen Werbung, da sie meist bunt und abwechslungsreich ist. Im Fernsehen werden Kinder und Jugendliche in den Pausen zwischen TV-Serien mit Werbung bombardiert. Einzig der ORF verbietet Werbung, die sich an Minderjährige richtet, vor und nach Kindersendungen. „Kinder unter sechs Jahren sind besonders empfänglich für bunte ­Bilder, Musik und Eindrücke, die mit einem Wohlgefühl verbunden sind“, erklärt Sabine Schuh, Wirtschaftspsychologin mit Schwerpunkt Werbung und Marketing. Sie plädiert dafür, mit Kindern über Werbung zu sprechen. „Wichtig ist, den Akt des Kaufens zu hinterfragen“, regt Schuh an. „Man sollte auch ­erklären, woher das Geld kommt, mit dem etwas gekauft werden soll.“

Werbegeprägte Kaufwünsche

Viele Kinder verbringen zwei oder mehr Stunden täglich vor dem Fernseher und werden pro Monat mit über 1.000 Werbespots konfrontiert. So gesehen verwundert es nicht, dass die meisten Kaufwünsche von Kindern werbegeprägt sind, wie Untersuchungen belegen. Allerdings können kleine Kinder zwischen Werbeeinschaltungen und Programm nicht unterscheiden – erst ab acht Jahren sind sie dazu in der Lage. „Bis dahin können Kinder nicht unterscheiden zwischen wahr und falsch, zwischen dem, was tatsächlich existiert, und dem, was nur gespielt ist“, weiß Claus Ebster vom Institut für Betriebswirtschaftslehre an der Uni Wien.

Kindern helfen, Werbebotschaften zu erkennen

Der Einfluss der Werbung

Und auch danach verstehen Kinder die Absicht der Werbung noch nicht – nämlich, die Zuseher zum Kauf des beworbenen Pro­duktes zu überreden. Forscher der Univer­sität Klagenfurt kamen in einer Studie zu dem Ergebnis: Weniger selbstbewusste Kinder greifen öfter zu ungesunden Nahrungsmitteln aus der Fernsehwerbung und vertrauen ihr eher. Ralf Terlutter, Professor für Marketing und Internationales Management, befragte 249 Grundschulkinder im ­Alter zwischen sieben und zehn Jahren. „Wir wollten wissen, wie sehr das Körpergewicht und die Körperwahr­nehmung Einfluss auf die Werbekompetenz haben.“

Selbstwert wichtiger Faktor für Heranwachsende

Ergebnis der Umfrage: Je geringer das Selbstwertgefühl, das durch beide Fak­toren beeinflusst wird, desto eher glaubten die Kinder den TV-Spots. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Forscher der University of ­Michigan in einer ­Studie mit 100 Eltern und ihren Vorschul­kindern: Kinder, die gemeinsam mit ihren ­Eltern normales TV-Programm sehen, essen mehr Junkfood als jene, die ein werbefreies Programm vorgesetzt bekommen. Zudem haben sie häufiger verfälschte Vor­stellungen davon, was gesundes Essen ist. Psychologin Schuh rät Eltern, die eigenen Werte den ­Kindern vorzuleben sowie ihnen frühzeitig einen stabilen Selbstwert zu vermitteln. „Dazu gehört, dass Kinder sich im engsten Umfeld als liebenswert erfahren“, erklärt Schuh. „Dann sind Heranwachsende für viele Dinge nicht mehr so leicht empfänglich, weil sie sich über sich selbst definieren und nicht ausschließlich über Status, Besitz oder andere Äußerlichkeiten.“

Gefahren des Internets

Seit über 20 Jahren erforscht die deutsche KidsVerbraucherAnalyse die Medien­nutzung und das Konsumverhalten von 4- bis 13-Jährigen. Die KidsVA 2015 ergab: 85 Prozent der Kinder nutzen digitale Spiele über verschiedene Zugänge. Dazu gehören Konsolen, kostenlose Online-Games und vermehrt Spiele-Apps auf dem Handy oder einem Tablet. Bei Jugendlichen hat das ­Surfen im Internet den TV-Konsum weitgehend verdrängt. Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung hält die manipulativen Möglichkeiten des Mediums Internet für weitaus problematischer als die TV-Werbung: „Werbebotschaften sind häufig so trickreich in eine Website eingebaut, dass sie auch von einigermaßen erfahrenen Internetsurfern nur schwer erkannt werden.“ Ikrath kritisiert vor allem Spiele-Seiten, die mit kostenlosen Spielen locken, aber gleichzeitig mit kommerzieller Werbung gespickt sind.

Werbebotschaften gemeinsam hinterfragen

Da verwundert es nicht, dass immer mehr Kinder und Jugendliche im Internet einkaufen. Im Gegensatz zu einem Kauf im Geschäft kann im Internet das Alter des Geschäftspartners jedoch nicht überprüft werden. Kinder und Jugendliche können ­daher oft viel zu leicht ein Klingelton-Abo abschließen oder vielleicht sogar die neu­este Spielkonsole bestellen. „Eltern sollten frühzeitig kritisch mit den Kindern Werbebotschaften hinterfragen, damit soziale Medien nicht die Erziehungs-Rolle über­nehmen können“, betont Psychologin ­Sabine Schuh. Dazu komme oft der ­Gruppendruck bei Heranwachsenden. „Ausschlaggebend ist hier das Ausmaß, denn grundsätzlich tut es uns gut, Teil einer Gruppe zu sein“, erklärt Schuh. „Wenn die Gruppe aber von uns mehr verlangt, als sie uns für unser Wohlbefinden bringt, wird es ungesund.“

Werbung an Schulen

Auch an Schulen wird fleißig geworben – das ist nicht grundsätzlich verboten, doch hier ist Sensibilität gefragt. Das ergibt sich aus dem pädagogischen Auftrag der Schulen, aber auch daraus, dass zwischen Lehrern und Schülern ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Wird im Klassenzimmer für ein Produkt geworben, kann dies von Eltern und Schülern auch als Qualitätskriterium und Kaufempfehlung für das Produkt aufgefasst werden. Dennoch wird an vielen Schulen sorglos mit Werbung umgegangen. Das ­zeigen Beschwerden von Eltern und Lehrern, die in den vergangenen Jahren zunehmend beim VKI einlangten.

VKI gegen aggressive Kinderwerbung

Der VKI geht bereits seit Jahren gegen aggressive Kinderwerbung und unerlaubte Werbung an Schulen vor. Ein Beispiel: An rund 800 österreichischen Volksschulen wurde ein stark werbe­lastiges Mitteilungsheft verteilt; der VKI reichte Klage ein. Das Unterrichtsministe­rium reagierte mit einem Rundschreiben an alle österreichischen Schulen, in dem fest­gehalten wurde, dass das Bewerben von ­Produkten oder Dienstleistungen im Unterricht einen massiven Verstoß gegen das Schulunterrichtsgesetz und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellt. ­Darin heißt es: „Werbung für schulfremde Zwecke darf nie auf Kosten der pädagogischen Glaubwürdigkeit gehen und nicht in einen Widerspruch zu den Zielsetzungen der Schule geraten.“ Auch vor Kindergärten macht die Werbung nicht halt, wie Gratis-Kindergartensackerl zeigen, die mit Naschereien und Werbeprospekten gefüllt sind.

Werbung kritisch hinterfragen

In all diesen Fällen sind auch die Eltern gefragt: Um ihren Kindern die Auswirkungen der Konsumgesellschaft näherzubringen, müssen sie sich zuerst selbst damit ausein­andersetzen und Werbung kritisch hinter­fragen. Denn auch Erwachsene sind nicht immer gegen die Macht der Werbung gefeit, die uns nur allzu oft eine heile Welt und einfache Lösungen für unsere Probleme vor­gaukelt. „Eltern können Kindern Hilfe geben, indem sie sensibel nach den Gründen fragen, warum eine gewisse Anschaffung unbedingt notwendig ist, und dann dort einhaken“, rät Psychologin Schuh. Und ergänzt: „Auch ­Eltern sollten sich immer wieder die Frage stellen: Brauche ich das wirklich?“

Buchtipp: "Nachhaltig leben mit Kindern"

Von der Windel über richtige Ernährung bis zum ersten Handy: Kindern einen ökologischen Lebensstil und einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und Umwelt nahezubringen ist Thema dieses Buches. Erfahrungsberichte und Anekdoten von Eltern ergänzen das informative und unterhaltsame Leseerlebnis.

www.konsument.at/nachhaltig-kinder

Aus dem Inhalt

  • Schadstofffreies Kinderzimmer
  • Alternativen zum Lebensmitteleinkauf
  • Ökologische Schulartikel, gesunde Jause
  • Unterwegs mit dem Nachwuchs
  • Kinder und Werbung
  • Ausleihen statt kaufen; tauschen und teilen
     

164 Seiten, 19,90 € + Versand

 

 

KONSUMENT-Buch: Nachhaltig leben mit Kindern (Bild:VKI)

 

Links zum Thema

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Test UV-Patches: Pickerl für die Sonne

Test UV-Patches: Pickerl für die Sonne

UV-Patches sollen anzeigen, wann man sich wieder neu mit einem Sonnenschutzmittel eincremen soll. Funktioniert das? Wir haben die Sticker von zwei Anbietern geprüft.

AUA: wegen Greenwashing verurteilt

AUA: wegen Greenwashing verurteilt

Ein „CO2-neutraler Flug“ nach Venedig mit 100 % nachhaltigem Treibstoff: Ein Gericht verurteilte die AUA wegen Irreführung.

Interview mit Nunu Kaller über guten Konsum premium

Interview mit Nunu Kaller über guten Konsum

Die Wienerin Nunu Kaller ist Buchautorin, Konsumkritikerin und Nachhaltigkeitsberaterin. Mit uns sprach sie über ethische Konsumentscheidungen und darüber, wo die Verantwortung von Konsument:innen endet.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang