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Kassabons: mit Bisphenol A belastet - In die Hand genommen

, aktualisiert am

Bisphenol A soll aus Kassazetteln verschwinden. Doch das dauert noch. Große Unternehmen setzen aber schon jetzt auf Bons ohne diese Chemikalie. 

Ob in der Apotheke, im Supermarkt oder nach einem Restaurantbesuch: Kaum hat man bezahlt, bekommt man ihn auch schon in die Hand gedrückt – den Kassenbon. Dieses kleine Stück Papier ist vor einigen Jahren ins Gerede gekommen. Der Grund: BPA (Bisphenol A). Diese Industriechemikalie wird oft für Thermopapier verwendet. Es steckt in der wärmeempfindlichen Oberfläche des Papiers und dient als Entwicklersubstanz beim Drucken des Bons.

Bisphenol A kann hormonähnlich wirken

In unserem Bericht Bisphenol A: Kassabons - Unter die Haut nahmen wir die Kassazettel verschiedener Supermärkte unter die Lupe und wurden fündig. Kein einziger Bon, so das Ergebnis unserer Untersuchungen, kam ohne diese Substanz aus. "Weg mit BPA in Kassabons", forderten wir damals im Sinne des Vorsorgeprinzips. Denn beim Hantieren mit Kassenzetteln gelangt dieser Stoff über die Finger in den Körper. Und das ist nicht unproblematisch. Bisphenol A gehört nämlich zu einer Gruppe von Substanzen, die hormonähnlich wirken können.

Lebensmittel-Verpackungen belastet

Von der EFSA (European Food Safety Authority), der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, wird Thermopapier inzwischen als zweitwichtigste Quelle für Belastungen durch BPA angesehen. Das meiste Bisphenol A nehmen wir aber nach wie vor über Lebensmittel auf. Es gelangt vor allem durch Kunststoffe, die z.B. für Mehrweg-Getränkeflaschen, Vorratsbehälter oder Verpackungen eingesetzt werden, in unsere Nahrung.

Kassabons: Ende in Sicht

Zumindest was BPA in Kassabons anlangt, ist ein Ende in Sicht. Ab Jänner 2020 darf Thermopapier, das Bisphenol A enthält, nicht mehr verwendet werden. Damit soll vor allem das Kassenpersonal geschützt werden, das am meisten mit den Bons in Kontakt kommt. Bei aller Freude, dass sich das Vorsorgeprinzip durchgesetzt hat: Beschlossen wurde das Verbot bereits im Vorjahr, allerdings mit einer Übergangsfrist von 36 Monaten! Bisschen lang, finden wir. Da hätten die zuständigen Behörden ruhig etwas mehr Gas geben können.

Test: Wer verwendet BPA?

Alternativen zu BPA in Thermopapier gibt es nämlich längst. Bereits 2011 war die Lebensmittelkette Spar nach eigenen Angaben dabei, die Kassen in ihren Filialen auf BPA-freies Bonpapier umzustellen. Rewe und Hofer befanden sich noch auf der Suche nach Alternativen. Was ist daraus geworden? Wir haben 220 Kassenbons analysiert. Die Ergebnisse unseres Tests lesen Sie in der Tabelle.

KONSUMENT sprach auch mit Dr. Sabine Cladrowa, Leiterin der Abteilung Chemikalien und Biozide im Umweltbundesamt. Hier das Video: https://www.youtube.com/watch?v=5SRzdYjy_iY

Hohe Belastung in Gastronomie und bei Apotheken

Nachbessern bei Etiketten und Leergutbons

Um das herauszufinden, sammelten wir über Monate Kassabons aus Geschäften aller Art, von Apotheken über Supermarktfilialen bis zu Tankstellen. Auch Bahntickets steckten wir ein. Am Ende waren es fast 340 Kassazettel. Sie alle wurden im Labor untersucht.

Danach war klar: Die großen Player im Lebensmittel-Einzelhandel haben ihre Hausaufgaben gemacht. In fast keinem der getesteten Kassabons von Billa, LidI, Hofer, Merkur, Penny und Spar war BPA nachweisbar. Sehr wohl fündig wurden wir aber zu unserer eigenen Überraschung bei Klebeetiketten und Leergutbons, in denen sich aber nur vergleichsweise geringe Mengen Bisphenol A fanden. Trotzdem muss hier noch nachgebessert werden.

Hohe Belastung bei Gastronomie und Apotheken

Gar nicht erfreulich ist: 30 Kassazettel ganz ohne BPA stehen in unserer Untersuchung gleich einmal gezählten 220 gegenüber, in denen wir mehr als 10.000 mg Bisphenol A pro kg Thermopapier nachweisen konnten. Unter jenen, die ihren Kunden solche Bons in die Hand drücken, waren erstaunlich viele Apotheken. Die meisten dieser belasteten Kassazettel stammen jedoch aus der Gastronomie. Das muss sich ändern und zwar nicht erst in drei Jahren!

Änderung kann schnell gehen

Im VKI hat sich bereits was geändert. Wir konnten es erst gar nicht glauben, aber bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass ausgerechnet unser Thermopapier, das wir in unserem Shop im Beratungszentrum auf der Wiener Mariahilfer Straße verwenden, stark belastet ist. Daraufhin wurde sofort umgestellt. In unseren Rechnungen bzw. Kassazetteln steckt inzwischen kein BPA mehr.

Tabelle: kein Bisphenol A nachweisbar

Tabelle: bis 500 mg/kg Bisphenol A

Tabelle: bis 4.500 mg/kg Bisphenol A

Tabelle: bis 10.000 mg/kg Bisphenol A

Tabelle: über 10.000 mg/kg Bisphenol A

Gesundheitsrisiko geprüft

2015 wurde Bisphenol A durch die EFSA neu bewertet. Die Experten kamen zum Schluss, dass die Konsumenten weniger BPA aufnehmen, als bisher angenommen und daher auch kein Gesundheitsrisiko besteht.

Da es aber in einigen Bereichen noch Unsicherheiten bei der Beurteilung des Gefahrenpotentials gibt, wurde ein vorläufiger TDI-Wert von 4 Mikrogramm BPA pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt. (Der TDI-Wert = tolerable daily intake bezeichnet die Menge einer Substanz, die pro Kilogramm Körpergewicht ein Leben lang täglich aufgenommen werden kann, ohne dass gesundheitliche Schäden entstehen.)

Im Moment laufen noch umfassende Studien in den USA, die in diesem Jahr abgeschlossen werden. Sobald hier Ergebnisse vorliegen, soll eine erneute Bewertung durchgeführt werden.
 

Alternativen gesucht – und gefunden

BPA ist eines von mehreren Bisphenolen.

Der Ersatz eines Bisphenols durch ein anderes macht nach Ansicht von Experten keinen Sinn. Denn aufgrund ihrer sehr ähnlichen chemischen Struktur wird befürchtet, dass sie auch ähnlich hormonell wirksam sind.

Das Ziel ist daher, in Thermopapier nur noch solche Stoffe zu verwenden, die keine hormonähnliche Wirkung haben. Thermopapiere mit bisphenolfreien Farbentwicklern sind bereits am Markt erhältlich.
 

Interview: Dr. Sabine Cladrowa (inklusive Video)

KONSUMENT sprach mit Dr. Sabine Cladrowa, Leiterin der Abteilung Chemikalien und Biozide im Umweltbundesamt.

Dr. Sabine Chladrowa (Foto: Umweltbundesamt/Groeger)
Dr. Sabine Cladrowa

Was ist BPA?
Bisphenol A ist ein Stoff, der hauptsächlich als Ausgangssubstanz für die Produktion von Polykarbonaten, also Kunststoffen, und für Epoxidharze verwendet wird.

Man findet BPA daher in vielen Gebrauchsgegenständen des Alltags wie z.B. in CDs, in den Beschichtungen von Konserven- und Getränkedosen sowie von Wasserkochern, aber auch in Zahnfüllungen.

Hohe Konzentrationen von BPA werden als Beschichtung von Thermopapier wie beispielsweise Kassabons, Quittungen oder Parkscheinen eingesetzt.

Seit wann ist diese Substanz bekannt?
BPA wurde schon im 19. Jahrhundert hergestellt. In den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts entdeckten Wissenschaftler, dass BPA dem weiblichen Hormon Östrogen ähnelt.

Wie wirkt BPA im menschlichen Körper?
Bisphenol A ist hormonell schädigend. Das heißt, die Substanz greift in den Hormonhaushalt ein und kann sich dadurch nachteilig auf die menschliche Gesundheit und auf Organismen in der Umwelt auswirken. Als besonders gefährdet gelten sehr sensible Personen wie Ungeborene und Kleinkinder. Die Substanz wird außerdem seit Längerem in Zusammenhang mit der Unfruchtbarkeit von Männern diskutiert.

Was tut sich auf gesetzlicher Ebene?
Wie bei allen risikoreichen Stoffen ist das erste Mittel der Wahl ein Verbot oder eine Beschränkung, um die Bevölkerung und die Umwelt zu schützen. Aus diesem Grund sind Babyfläschchen und Beruhigungssauger in Österreich bereits BPA-frei. Bei Thermopapier wird es in Zukunft eine EU-weite Beschränkung geben, da die Aufnahme des Stoffes über die Haut hoch ist.

Kann BPA nicht einfach ersetzt werden?
Ein Ersatz von BPA wäre sicher wünschenswert. Allerdings sind die derzeit bekannten Alternativen wie BPF und BPS strukturell sehr ähnlich. Eine Eignung dieser Substanzen als Alternative zu BPA ist aus unserer Sicht deshalb fragwürdig.

Wie können sich Konsumenten selbst schützen?
Wir empfehlen, so banal das vielleicht klingt, gründliches Händewaschen nach jedem Kontakt mit Kassabons. Außderdem sollten Eltern ihre Kinder nicht mit den Bons spielen lassen. Schwangere können ihre BPA-Aufnahme minimieren, wenn sie Getränke aus Glasflaschen und nicht aus Dosen konsumieren. So können sie ihr Ungeborenes vorsorglich schützen.

 

Zusammenfassung

  • Vorsichig sein. Halten Sie einen Kassabon länger in der Hand, sollten Sie sich anschließend gründlich die Hände waschen. Besonders dann, wenn Sie kurz darauf zu Fingerfood bzw. frischem Obst und Gemüse greifen.
  • Aufbewahren. Thermopapier verblasst rasch. Rechnungen, die Sie aufheben wollen, daher unbedingt kopieren.
  • Entsorgen. Kassazettel im Restmüll entsorgen, nicht zum Altpapier geben. Nur so kann verhindert werden, dass BPA in den Recyclingprozess gelangt.

Testkriterien

Alle unsere untersuchten Kassazettel wurden im Laufe des Jahres 2016 gesammelt.

Die Bons wurden zerkleinert und mit einem Methanol-Wasser-Gemisch extrahiert. Die so gewonnene Lösung wurde mittels HPLC (Hochleistungsflüssigkeits-Chromatographie) analysiert. Die Detektion erfolgte mittels Fluoreszenzanalyse.

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Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

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