Zum Inhalt

Ski amadé - Preise gerechtfertigt?

760 Pistenkilometer, 270 Seilbahnen und Lifte in fünf Regionen. Der Tarifverbund ist ein Beispiel dafür, dass Pistenfans für ein Angebot bezahlen, das sie gar nicht nutzen können.

Stellen Sie sich Folgendes vor: Eine Familie, nennen wir sie Schober, plant einen Ski­urlaub in den Semesterferien. Die beiden Kinder sind 8 und 13 Jahre alt, auch Opa und Oma kommen mit. Die Wahl fällt auf Maria Alm in der Region Hochkönig im Salzburger Pinzgau. Eine günstige Frühstückspension ist rasch gefunden.

Die Liftkarten werden das Urlaubsbudget allerdings noch ziemlich belasten, denn die Schobers müssen feststellen, dass es für die Region Hochkönig nur Tageskarten gibt. Ab 1 ½ Tagen gilt der Skipass dann in der gesamten Ski amadé. Dieser Tarifverbund umfasst zusätzlich die Pisten des Gasteinertals, der Skiwelt Salzburg, des Großarltals und der Region Schladming.

"Das schafft nicht einmal Marcel Hirscher"

Das Gebiet hat eine Ausdehnung von fast 100 mal 50 Kilometern. Sehr unwahrscheinlich, dass Familie Schober ­etwa vom Hochkönig fast 100 Kilometer nach Schladming pendelt – und so bezahlen die Schobers wie die meisten Gäste des ­gigantischen Tarifverbundes für Pisten, die unter lebensnahen Umständen nicht erreichbar sind. Im konkreten Fall kosten die 6-Tages-­Pässe für Eltern und Kinder knapp über 800 Euro.

Auch KONSUMENT-Leser Dr. Fröhlich ist über die Tarifgestaltung von Ski amadé ­verärgert: "Das wäre etwa so, als ob ich eine Wochenkarte für die Wiener Linien brauche, aber nur eine Karte kaufen kann, die mich berechtigt, sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel in Niederösterreich, Oberösterreich, im Burgenland und in der Steiermark mit­zubenutzen."

Es sei unmöglich, alle fünf ­Skiregionen innerhalb einer Woche abzuklappern. "Das schafft nicht einmal Marcel Hirscher", spitzt er seine Kritik zu, die er auch dem Management von Ski amadé mitteilte. Er forderte um 20 Prozent billigere Skipässe für die einzelnen fünf Regionen.

Mehrwert ohne Mehrpreis? 

In Stellungnahmen an KONSUMENT und an Herrn Dr. Fröhlich sieht der Skiverbund aber keinen Anlass, seine Praxis zu ändern.

"Ski amadé bietet dem Ski-Gast einen Mehrwert ohne Mehr-Preis. Das bedeutet, dass die Gäste mit dem Ski-amadé-Skipass alle 5 Skiregionen ohne Einschränkung befahren ­können, ohne dass sie dafür mehr bezahlen müssen, als für jede einzelne Region ohnehin zu bezahlen wäre. Alle unsere Skiregionen bieten ja in Hinblick auf Qualität und die Größe gleichwertige Produkte und der Preis ist auch für jede einzelne Region sowohl aus der Sicht des Kundenwertes als auch aus dem Blickpunkt der Kosten gerechtfertigt."

"Preise werden akzeptiert"

Und weiter: "Wirtschaftlich gut funktio­nierende Seilbahn-Unternehmen sind für die regionale Wirtschaft unverzichtbar. Um positiv wirtschaften zu können, müssen auch kostendeckende Preise erzielt werden. Diese Preise werden von unseren Kunden auch akzeptiert, dies zeigen unsere Preis­studien und auch die verschwindend geringe Anzahl an Preisbeschwerden."

Unser Leser kann dieser Argumentation nichts abge­winnen: "Es widerspricht dem gesunden Menschenverstand, dass der Skipass für ­eine Region das gleiche kostet, wie für die Benutzung von 5 Regionen".

Kartelle und Wettbewerb

Wo bleibt der Wettbewerb? 

Ist da mit dem Tarifverbund ein regionales Monopol entstanden, das gegen Wett­bewerbsregeln verstößt? KONSUMENT hat bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nachgefragt.

In der Stellungnahme heißt es dazu: "In den Jahren 2003/2004 war ein Kartellverfahren gegen den Skiverbund Ski amadé anhängig. Das Kartellgericht stellte fest, dass Ski amadé ein Kartell darstelle. Ski amadé hat nach dem Kartellverfahren im Rahmen eines Vergleichs die Preise für Eintages­karten für alle Schigebiete freigegeben." (Sie liegen für die aktuelle Saison bei 55 bis 57 Euro, Anmerkung der Redaktion.)

Bundeswettbewerbsbehörde: Keine Kapazitäten

Und dann grundsätzlich: "Generell haben Kooperationen eine Tendenz dazu, dass die Marktmacht­verhältnisse zum Vorteil der Kooperation gestärkt werden. Die Konsequenz können steigende Preise sein, aber auch Effizienzsteigerungen, die den Kunden und Kundinnen Vorteile bringen. Dies muss im Einzelfall vertieft analysiert werden. Aufgrund ­ der ausgelas­teten Kapazitäten der BWB für andere Kartellverfahren (ins­besondere Baubranche) und Branchenuntersuchungen ­(Gesundheitsmarkt, Taxi- und Mietwagengewerbe) ist es derzeit nicht möglich, eine weitere Branchenuntersuchung einzuleiten."

Familien wichtiger als Senioren 

Übrigens: Auch für die ältere Generation aus unserem Beispiel wird es teuer. Denn Seniorenermäßigung gibt es in der Skiwelt amadé im Gegensatz zu anderen Skigebieten während der Hauptsaison nicht. Das ­Management verweist auf die "Sixty Plus Week", in der aktuellen Saison gültig bis zum 24.12.2019 und vom 28.3. bis zum 4.4.2020.

In "ausgewählten Betrieben" ­gebe es für Personen Jahrgang 1960 oder früher einen 6-Tages-Skipass gratis. Der Fokus der Ermäßigungs-Politik von Ski amadé liege auf den kleinen und jungen Skibegeisterten mit ihren Familien, denn Familien seien in der Regel finanziell besonders belastet. Mit anderen Worten: Wenn Oma und Opa aus unserem Beispiel auf die Pisten mitkommen, zahlen auch sie – im wahrsten Sinn des ­Wortes – das volle Programm.

Leserreaktionen

Abseits der Bedürfnisse

Ich wohne in der Region (Schladming) und könnte theoretisch die Regionen nützen. In 30 Jahren bin ich nur einige Male in Bad Gastein und Zauchensee gefahren, weil die Anreise viel zu viel Zeit kostet. Gleichzeitig ist die Preisgestaltung immer mehr verengt worden, Tarife sind abseits der Bedürfnisse angesiedelt. Nicht einmal Hans Knaus kann alle Pisten in einer Woche abfahren, also ist das Angebot eine Augenauswischerei der Seilbahnbetreiber.

User "Steinbacher"
(aus KONSUMENT 3/2020)

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Österreich-Aufschlag im Supermarkt premium

Österreich-Aufschlag im Supermarkt

Unser Preisvergleich im Supermarkt zeigt: Wer in Österreich einkauft, zahlt im Durchschnitt um bis zu 20 Prozent mehr als in Deutschland.

Was ist eine Energiegemeinschaft?

Was ist eine Energiegemeinschaft?

Energiegemeinschaften sind eine Möglichkeit, sich direkt an der Energiewende zu beteiligen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang